Humanbiologie. Hynek Burda

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Humanbiologie - Hynek Burda utb basics

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Homo zu vereinen (der Schimpanse wäre dann Homo troglodytes, der Bonobo Homo paniscus) (Box 1.3). Solch ein Vorhaben ist jedoch eher politisch als wissenschaftlich motiviert und aus dem Kampf für eine humane Behandlung der Menschenaffen entstanden: Aus dem bekanntermaßen geringen 1%igen genetischen Abstand zwischen Mensch und Schimpansen (wenn man dabei nur auf die Punktmutationen abhebt) folgt noch keine „obligatorische“ taxonomische Konsequenz.

      Box 1.3

      Der nackte Affe

      Carl von Linné schuf im 18. Jahrhundert die im Prinzip bis heute noch gültige Systematik der Tiere und reihte den Menschen in die Ordnung Primaten ein. In seiner Systema naturae (1758) hat er den Menschen als Homo diurnus (Tagmensch) beschrieben und nannte dabei vier geografische Rassen: europaeus, afer, asiaticus und americanus. Der Gattung Homo hat er (neben den Satyren etc.) auch den Orang-Utan (als Homo nocturnus, Nachtmensch) zugeordnet.

      Andere Autoritäten des 18. Jahrhunderts (wie z.B. Georges-Louis Buffon) haben die linnésche Betonung der sichtbaren morphologischen Merkmale zum Teil abgelehnt und stattdessen Intellekt und Sprache als Hauptkriterien menschlicher Superiorität über andere Menschenaffen (und Tiere im Allgemeinen) hervorgehoben.

      Ein Jahrhundert darauf hat Charles Darwin den Menschen nicht nur taxonomisch und nomenklatorisch, sondern auch vom evolutionären Gesichtspunkt her in die nächste Verwandtschaft der anderen Menschenaffen gestellt (The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex, 1871). Doch auch weiterhin wurde der Mensch als Krone der Schöpfung (oder besser nun als Krone der Evolution) betrachtet – so auch in dem äußerst populären Buch Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868) von Ernst Haeckel.

      Weitere einhundert Jahre später (1967) sorgte das Buch Der nackte Affe (The Naked Ape) von Desmond Morris für große Aufregung. In diesem Buch, das zum Bestseller wurde und mit vielen Tabus brach, beschreibt Morris den Menschen aus der Perspektive des Zoologen als einen Primaten, der kein Fell besitzt, zweibeinig läuft und unter anderem ein merkwürdiges Sexualverhalten zeigt.

      Sehr erfolgreich und einflussreich war auch das 1991 erschienene Sachbuch Der dritte Schimpanse: Evolution und Zukunft des Menschen (The Rise and Fall of the Third Chimpanzee: How Our Animal Heritage Affects the Way We Live) des US-amerikanischen Evolutionsbiologen Jared Diamond. Der Titel des Buches soll verdeutlichen, dass der Mensch als dritte Art neben dem Gemeinen Schimpansen und dem Bonobo in die Gattung der Schimpansen eingeordnet werden müsste, wenn der geringe genetische Abstand als entscheidendes Kriterium betrachtet würde. (Gemäß den Regeln der zoologischen Nomenklatur müssten in so einem Fall allerdings die beiden Schimpansenarten der Gattung Homo zugeordnet werden – also Schimpansenmensch und Bonobomensch.) Diamond betont folgende Besonderheiten des Menschen gegenüber den Schimpansen: der Lebenszyklus, das Sexualverhalten, die Sprache, die Kunst, die Landwirtschaft, der Drogenkonsum, der Völkermord und die Umweltzerstörung.

      1.2.4 Orang-Utans (Pongo)

      Die heutige Verbreitung der Orang-Utans auf den Inseln Sumatra und Borneo ist offensichtlich relikthaft, denn relativ junge Fossilien belegen ihre Verbreitung noch unlängst auch auf dem asiatischen Kontinent und auf Java. Eine Kombination von Populationsgenetik und Ökologie zeigt, dass die Borneo-Orang-Utans (Pongo pygmaeus) eine sehr homogene und erst unlängst diversifizierte (vor ca. 200.000 Jahren, 200 tya = thousand years ago) Gruppe darstellen, während die Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii) unvergleichlich heterogener sind: Insbesondere die südlichen, durch den Vulkansee Toba getrennten Populationen sind genetisch sehr divers und offensichtlich älter als andere Populationen. Nach Analyse ihrer mtDNA stehen sie den Borneo-Orang-Utans näher. Aktuelle, auf dem kompletten Genom der Orang-Utans beruhende Studien zeigen darüber hinaus überraschenderweise, dass die Trennung der Sumatra- und Borneo-Linien nicht so früh stattfand, wie früher angenommen wurde (ca. 400 tya vs. 2–3 mya).

      1.2.5 Gorillas (Gorilla)

      Gorillas werden heute üblicherweise als zwei Arten klassifiziert: als Westlicher Gorilla, Gorilla gorilla (Ost-Nigeria, Kamerun, Gabun, Äquatorialguinea, West-Kongo) und als Östlicher Gorilla, Gorilla beringei (Osten der Demokratischen Republik Kongo, West-Uganda und Rwanda), die durch eine mehr als eintausend Kilometer breite Lücke voneinander getrennt leben (Abb. 1.9). Die beiden Arten begannen vor ungefähr 1–2 mya damit, sich voneinander zu trennen, aber der Genfluss zwischen den beiden Arten (oder Metapopulationen) dauerte offensichtlich noch lange an (bis 200–80 tya). Der Westliche Gorilla wird heute in zwei sich deutlich unterscheidende Populationen differenziert: den Westlichen Flachlandgorilla (Gorilla gorilla gorilla) aus Gabun und dem Kongo, und den akut vom Aussterben bedrohten Cross-River-Gorilla (G. g. diehli) aus Nigeria und Kamerun. Beim Östlichen Gorilla (G. beringei) unterscheidet man den Östlichen Flachlandgorilla (G. b. graueri) und den sehr seltenen Berggorilla (G. b. beringei).

      Abb. 1.9: Verbreitung der Gorillas.

      1.2.6 Schimpansen (Pan)

      Während die Aufteilung der Orang-Utans in zwei Arten erst vor Kurzem unter dem Einfluss des sich ändernden taxonomischen Paradigmas und der sich mit Macht entfaltenden Molekularmethoden erfolgte, sind die zwei Schimpansenarten – der Gemeine Schimpanse (Pan troglodytes) und der Bonobo (Pan paniscus) (mehr oder weniger irrtümlich auch als Zwergschimpanse bezeichnet) – bereits seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anerkannt. Die Trennung beider Spezies fand schätzungsweise mindestens 1 mya (nach anderen Analysen 2–3 mya) statt. Während Bonobos eine ziemlich homogene Population in einem kleinen Gebiet südlich des Flusses Kongo bilden (das weiter eingegrenzt wird durch seine Zuflüsse Kasai und Lualaba), ist der Gemeine Schimpanse weit verbreitet und sehr heterogen (Abb. 1.10). Der Grund für diese geografische Diversifikation findet sich in der Anwesenheit großer Flüsse im Gesamtverbreitungsgebiet: Die fundamentale Aufteilung in östliche und westliche Populationen ist der Anwesenheit des Sanaga in Kamerun zu verdanken. Die westliche Population wird weiter durch den Fluss Niger in den Guinea-Schimpansen (Pan troglodytes verus) und den Nigeria-Kamerun-Schimpansen (Pan troglodytes ellioti, früher falsch als P. t. vellerosus genannt) geteilt. Die östliche Population (Pan troglodytes troglodytes) ist dagegen genetisch auffällig einheitlich. Von der Basispopulation, die Süd-Kamerun, Äquatorialguinea, Gabun und Kongo westlich vom Fluss Ubangi bewohnt, haben sich vor relativ kurzer Zeit die Schimpansen der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, des Süd-Sudans, Ugandas und Tansanias abgespalten. Diese östliche Population wird traditionell als „Pan troglodytes schweinfurthii“, bezeichnet, aber evolutionär fällt sie eindeutig in die Variabilität der Unterart P. t. troglodytes hinein. Die Existenz der seit Langem diskutierten Unterart Pan (troglodytes) koolookamba, die auch schon für eine Hybridart oder ein Übergangsglied zwischen Schimpanse und Gorilla gehalten worden ist, erwies sich als Irrtum, der auf einer falschen Bestimmung alter Individuen von P. t. troglodytes bzw. junger Weibchen von Gorilla beringei graueri beruhte.

      Abb. 1.10: Verbreitung der Schimpansen und Bonobos.

      Box 1.4

      Bottlenecks in der Evolution und Geschichte

      Bottleneck (Flaschenhals-Effekt) beschreibt eine genetische Verarmung der Population, die stattfindet, wenn die Population aufgrund irgendeines plötzlich und nur vorübergehend auftretenden Faktors stark in der Größe dezimiert wird. Als Folge ändern sich die Allelfrequenzen, wobei vor allem die seltenen Allele verschwinden. Allerdings muss der Polymorphismus dadurch nicht markant reduziert worden sein. In der nachfolgenden Phase der Erholung und des Populationswachstums ist die Wirkung der Selektion begrenzt, die Population expandiert im freien Raum, die Rolle der Konkurrenz ist beschränkt: Die meisten Träger der noch vorhandenen Allele können ihre Gene an die Nachkommen weitergeben. Ein Allel, das die Reduktion der Population „überlebt“, wird im folgenden Zeitraum

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