Quantitative Methoden kompakt. Nicole Burzan
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Bourdieu reflektiert auch die Grenzen seines methodischen Vorgehens (1982: Anhang I). So waren in der Auswahl der Befragten die Ober- und Mittelklassen gegenüber der Arbeiterklasse überrepräsentiert. Der Fragebogen konnte für die einzelnen Bereiche (z. B. Musik) jeweils nur wenige Fragen und dazu nur wenig über die Art und Weise von Praktiken enthalten (tut man etwas gelangweilt oder leidenschaftlich, demonstrativ oder unauffällig etc.?), und die Fragen der sekundäranalytisch untersuchten Befragungen passten oft nur unvollkommen zu Bourdieus eigener Fragestellung.
2.2.3 Ergebnisse
Bourdieu arbeitet drei soziale Klassen (mit Differenzierungen, von denen hier abgesehen wird) mit einem jeweils typischen Geschmack heraus:
Die herrschende Klasse hat den »legitimen Geschmack«, der sich durch Sinn für Abgrenzung (Distinktion) und teilweise durch Vorliebe für Luxusartikel auszeichnet.
Die Mittelklasse oder das Kleinbürgertum hat einen »prätentiösen« Geschmack und eifert den oberen Klassen nach (durch Kultur- und Bildungsbeflissenheit), ohne jemals deren Selbstsicherheit oder Gelassenheit erlangen zu können. Der Kleinbürger ist der typische Abnehmer von Massenkultur.
Der Notwendigkeitsgeschmack der unteren Klassen schließlich orientiert sich am Praktischen. Sie haben nicht etwa eine angeborene Unfähigkeit (z. B. der ästhetischen Wahrnehmung), ihnen fehlt vielmehr kulturelles und ökonomisches Kapital.
Ein Beispiel für die Ergebnisdarstellung einer Korrespondenzanalyse zur Veranschaulichung von Geschmacksrichtungen zeigt Abbildung 2.2. Es geht hier nicht darum, die Methode der Korrespondenzanalyse anhand der Grafik vollständig nachzuvollziehen, sondern darum, grobe Zuordnungen vornehmen zu können. Beispielsweise bevorzugen insbesondere Menschen mit hoher Kapitalausstattung Impressionisten, und vor allem jene, deren kulturelles Kapital tendenziell höher ist als ihr ökonomisches Kapital.
Sowohl Bourdieus theoretischer Ansatz als auch die empirische Untersuchung sind eingehend auch in Deutschland diskutiert worden. Im Rahmen der sozialen Ungleichheit, etwa bei der Erforschung von Bildungsbenachteiligungen, wird das Konzept nach wie vor herangezogen – unter anderem scheint es einige Schwächen anderer Ansätze zu umgehen –, jedoch andererseits nicht unkritisch betrachtet. Ob und wie die empirischen Ergebnisse auf Deutschland im 21. Jahrhundert übertragbar sind, ist eine eher offene und nicht einfach zu klärende Frage. Blasius und Winkler hatten 1989 eine bedingte Übertragbarkeit auf Deutschland konstatiert, bestimmte Milieuansätze (Vester et al. 2001) übernehmen Teile von Bourdieus Konzept, verschiedene empirische Untersuchungen sowohl etwa aus der Bildungssoziologie als auch aus der Netzwerkanalyse arbeiten mit den Konzepten z. B. des ökonomischen, kulturellen und/oder sozialen Kapitals.
Abb. 2.2: Varianten des herrschenden Geschmacks
Nach diesem ersten Einblick in die Anwendung quantitativer empirischer Methoden soll es im Folgenden um die Frage gehen, welche Forschungslogik und welcher Forschungsablauf für diese Methoden charakteristisch sind. Damit stehen im nächsten Kapitel die methodischen Prinzipien hinter den empirischen Untersuchungen im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Literatur
Gerhards, Jürgen (2003): Die Moderne und ihre Vornamen. Eine Einladung in die Kultursoziologie, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag (2. Aufl. VS 2010).
Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 9. Aufl. der TB-Ausgabe 1997. (frz. Original 1979)
Übungsaufgabe
Recherchieren Sie weitere empirische Untersuchungen, die quantitative Methoden verwendet haben.
2 | Etwas unklar ist, welche Zuordnung gewählt wird, wenn Vater und Mutter nicht in der gleichen Schicht sind, eventuell der Beruf des Vaters (Gerhards 2003: 120). |
3 | Der quantitative Forschungsprozess: Logik und Forschungsschritte |
3.1 Die Logik quantitativer Forschung
Was ist das Charakteristische an der quantitativen Forschungstradition, die sich als einer der beiden Hauptstränge »quantitativer« und »qualitativer« Forschung herausgebildet hat und sich von der »anderen« Seite nicht selten strikt abgrenzt (wie auch umgekehrt)? Studienanfänger könnten hier spontan meinen, dass es um Zählen und Rechnen gehe. Wenn jemand mit Zahlen arbeitet, reine Häufigkeiten von etwas betrachtet, forsche er quantitativ, wenn er sich aber dann, in die Tiefe gehend, den Inhalten zuwende, sei er ein qualitativ Forschender. Diese Ansicht ist arg verkürzt, man könnte auch sagen: falsch Im Folgenden sollen demgegenüber die Charakteristika der quantitativen Forschung vorgestellt werden, die sich vor allem durch eine bestimmte Forschungslogik auszeichnen.
Das Ziel empirischer Forschung besteht ganz allgemein darin, Zusammenhänge zu beschreiben und zu erklären: Sind beispielsweise polnische Migrantinnen besser in den Arbeitsmarkt integriert als türkische? Forschende untersuchen solche Zusammenhänge mit quantitativen Methoden, indem sie herausarbeiten, welche Muster sich in vielen Fällen zeigen, die dann als Hinweis für Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge dienen. Wenn etwa in sehr vielen Fällen die Herkunft aus bestimmten Ländern und die Erfahrung von Arbeitslosigkeit miteinander einhergehen, nimmt man an, dass dieses Ergebnis nicht zufällig zustande gekommen ist, sondern dass bestimmte Merkmale (der Migrantinnen, des Arbeitsmarkts, der Personalrekrutierung etc.) für diesen Zusammenhang mitverantwortlich sind, was sich wiederum empirisch überprüfen lässt.
Die Basis der quantitativen Forschung besteht daher in möglichst vielen Untersuchungsfällen, um solche Muster zu erkennen und um möglichst allgemeine, für große Zielgruppen repräsentative Aussagen treffen zu können. Der Forscher will etwa nicht nur etwas über 300 Befragte aussagen, sondern über seine Zielgruppe, z. B. Migrantinnen in Deutschland, insgesamt (s. dazu Kap. 5).
Forschende gehen nach der quantitativen Forschungslogik dabei so vor, dass sie sich vor der Datenerhebung überlegen, welche Aspekte und welche Erklärungsfaktoren wichtig sind. Sie präzisieren und strukturieren ihre Forschungsfrage auf der Grundlage des bisherigen Forschungsstands, formulieren konkrete Fragestellungen und Hypothesen und entwickeln aus dieser Systematik heraus ein Erhebungsinstrument wie einen Fragebogen. Die erst dann erhobenen Daten werden im Anschluss so ausgewertet, dass man die Hypothesen überprüfen und daraus Schlussfolgerungen für die Forschungsfragen ziehen kann. Der Schwerpunkt liegt darin, theoretische Annahmen und Erklärungen an konkreten Forschungsgegenständen zu überprüfen, weniger darin, Theorien erst durch die empirische Arbeit im Forschungsfeld zu entwickeln.
Es ergibt sich ein vergleichsweise linearer Forschungsablauf, in dem bestimmte Schritte nach einem Regelgerüst nacheinander folgen. Dies bedeutet nicht, dass der Forscher keine methodischen Entscheidungen mehr zu treffen hätte, denn die allgemeinen Faustregeln müssen ja jeweils auf das Forschungsthema angewendet werden, wie Beispiele noch genauer zeigen werden.
Weiterhin sind die Datenerhebungsinstrumente standardisiert, das heißt, in einer Befragung sind die Fragen und ihre Reihenfolge sowie (meist) die Antwortmöglichkeiten vorgegeben; bei einer Beobachtung und Inhaltsanalyse werden die relevanten Informationen in ein vorab ausgearbeitetes Kategoriensystem eingetragen. Eine Interviewerin sollte also z. B. nicht spontan