Quantitative Methoden kompakt. Nicole Burzan

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andere ersetzen. Die Standardisierung soll die Vergleichbarkeit der Daten erhöhen, zu einer möglichst großen Objektivität des Vorgehens beitragen und schließlich im Fall von Befragungen den Teilnehmenden eine Antwort durch die Vorgabe von Aspekten und Antwortmöglichkeiten erleichtern.

       Die Datenauswertung erfolgt typischerweise mit Hilfe statistischer Verfahren. Tabellen mit Prozentangaben, grafische Darstellungen, Mittelwerte und andere Maßzahlen gehören hierzu. Wichtig ist, dass der Forscher die Ergebnisse systematisch auf die zuvor erarbeiteten Hypothesen bezieht. Andernfalls ist die Gefahr eines ungewollten »Datenfriedhofs« mit vielen Detailinformationen ohne hinreichenden Bezug zur Fragestellung groß.

      Dieses hypothesenprüfende Vorgehen folgt wissenschaftstheoretisch – das kann hier nur als kurzer Exkurs angedeutet werden – einer deduktiven Logik und dem damit verbundenen Falsifikationsprinzip des Kritischen Rationalismus. Der Forscher schließt deduktiv vom Allgemeinen, der Hypothese/Theorie, auf das Besondere, die Einzelfälle und nicht induktiv von Einzelfällen auf eine allgemeine Regel. In den Naturwissenschaften ist diese Logik weniger umstritten als in den Sozialwissenschaften, weil Forscher dort oft Gesetze aufstellen können: Äpfel fallen vom Baum auf den Boden aufgrund der Schwerkraft. Dabei kann der Forscher vom Gesetz auf jeden einzelnen Apfel schließen. Bei sozialen Phänomenen und Prozessen sind Zusammenhänge weniger deterministisch. Wenn etwa Frauen in der Regel eine längere Lebenserwartung als Männer haben, bedeutet das nicht, dass jede Frau länger lebt als ihr gleichaltriger Partner. Dennoch gilt die deduktive Logik als Prinzip der quantitativen Methoden: Der Forscher prüft eine allgemeine These an Einzelfällen. Die Empirie kann die These – ein methodisch sauberes Vorgehen vorausgesetzt – bestätigen. Oder sie kann sie widerlegen, »falsifizieren«. In diesem Fall muss der Forscher die Hypothese modifizieren. Wenn die These bestätigt wird, kann er sie unter »härteren« Bedingungen weiter testen, z. B. mit einem größeren Geltungskreis, etwa nicht nur in Bayern, sondern in Deutschland oder weltweit. Nach dem Ansatz des »Kritischen Rationalismus« (vgl. als klassischen Text Popper 2002 [1934]) lassen sich Hypothesen nicht verifizieren, d. h. als wahr beweisen, weil nie alle denkbaren Fälle, Orte und Zeitpunkte untersucht werden können. Für eine Falsifikation ist dagegen grundsätzlich nur ein einziger widersprüchlicher Fall notwendig. Zumindest kann der Forscher festlegen, wann die Hypothese als falsifiziert gilt, etwa wenn die Lebenserwartung von Frauen nicht »statistisch signifikant« höher ist als von Männern. Aus der Falsifikation von Theorien oder andererseits ihrer Bewährung lassen sich aus dieser Sicht eindeutigere Erkenntnisse gewinnen als aus einem Versuch der Verifikation.

      Die folgende Tabelle fasst in der linken Spalte die Merkmale der quantitativen Forschungslogik nochmals zusammen. Es wird deutlich, dass diese Merkmale zwar auch den Umgang mit Zahlen beinhalten (z. B. durch die Anwendung statistischer Verfahren, Häufigkeitsverteilungen als Befunde), sich aber keineswegs darin erschöpfen.

      Die rechte Spalte zeigt spiegelbildlich die Charakteristika qualitativer Forschungslogik, die in dieser Einführung nicht vertieft werden können (s. dazu z. B. Flick 2007, Przyborski/Wohlrab-Sahr 2013). Typisch dafür sind unter anderem nicht standardisierte Erhebungsinstrumente (offene Interviews in Gesprächsform, unstrukturierte Beobachtungen etc). Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass der Forscher offen an die Fragestellung herangeht. Dies bedeutet nicht, dass er gar nicht erst eine Fragestellung formulieren müsste. Aber er ist offen für Aspekte, die sich erst aus dem Material ergeben, die er nicht durch Vorab-Überlegungen bereits vor der Erhebung festgelegt hat. Entsprechend besteht ein häufiges Ziel qualitativer Verfahren darin, ein theoretisches Konzept zu entwickeln (nicht zu prüfen), das zugleich bereits auf empirische Daten bezogen ist. Damit streben auch qualitative Untersuchungen die Formulierung allgemeinerer theoretischer Aussagen an. Aufgrund der Forschungslogik und des konkreten Vorgehens verallgemeinern sie jedoch auf anderen Wegen als durch statistische Repräsentativität. Qualitative und quantitative Forschung unterscheiden sich nicht allein durch das methodische Vorgehen im engeren Sinne, sondern bereits durch methodologische bzw. erkenntnistheoretische Herangehensweisen, das heißt durch Grundannahmen, die die Methoden beeinflussen (z. B. Annahmen dazu, welche Rolle die Situation und generell der Kontext für Verhaltensweisen einnehmen und wie man sie berücksichtigt).

      Tab. 3.1: Die Forschungslogik quantitativer und qualitativer Methoden

Quantitative MethodenQualitative Methoden
Schwerpunkt: Beschreibung oder theoriegeleitete ErklärungSchwerpunkt: Beschreibung oder Theorieentwicklung
Herausarbeitung von Mustern und Regelmäßigkeiten durch die Betrachtung vieler FälleUntersuchung von Zusammenhängen im Kontext jeweils von Einzelfällen bei eher wenigen Fällen
Eher linearer Forschungsablauf nach Regelgerüst; u. a. Klärung vor der Datenerhebung, was man wozu erhebt → Ergebnisse können Hypothesen oder Forschungsfragen zugeordnet werdenEher nicht linearer Forschungsablauf; u. a. Offenheit für Aspekte, die sich während der Forschung ergeben, z. B. Prioritäten der Befragten oder Kontexteffekte
Trennung von Datenerhebung und AuswertungTrennung dieser Schritte nicht unbedingt, auch Hin-und-Her-Bewegung möglich
Standardisierte DatenerhebungNicht standardisierte Datenerhebung
Auswertung oft mit statistischen VerfahrenStatistik untypisch (stattdessen z. B. hermeneutische Verfahren)
Meist statistische Repräsentativität angestrebtKein Anspruch auf Repräsentativität, Verallgemeinerung z. B. durch Typenbildung oder Erkennen einer allgemeinen Struktur am Einzelfall

      Oft wird eine Trennlinie nicht zwischen quantitativen und qualitativen Methoden gezogen, sondern präziser zwischen quantitativer/qualitativer Forschung einerseits und interpretativer Forschung andererseits. Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass sie fallrekonstruktiv vorgeht, dass sie also Sinnzusammenhänge im Kontext am Einzelfall herausarbeitet und erst dann z. B. im Fallvergleich Typen konstruiert (vgl. z. B. die Beiträge in Mey/ Mruck 2014, insbesondere von Hans-Georg Soeffner und von Ronald Hitzler; Keller 2012).

      Es geht dabei nicht darum, sich zu entscheiden, welche Forschungslogik man prinzipiell »besser« findet. Vertreter der Richtungen haben verschiedene Vorwürfe gegen die jeweils andere Richtung vorgetragen. So pauschal stimmen sie jedoch auf beiden Seiten nicht. Weder ist beispielsweise die qualitative bzw. die interpretative Forschung per se »lebensnäher« (bzw. in diesem Ziel erschöpft sich die Forschung nicht), noch ist die quantitative Forschung per se aussagekräftiger auf der Basis von Standardisierung und statistischer Repräsentativität. Somit ist keine Forschungsrichtung einer anderen grundsätzlich überlegen, sie haben zum einen ihre jeweiligen Anwendungsbereiche – je nach der Art der Forschungsfrage –, zum anderen gibt es unter Umständen Verknüpfungsmöglichkeiten verschiedener Vorgehensweisen (vgl. Kap. 4.7). Eine gute Kenntnis quantitativer, qualitativer und interpretativer Forschungslogiken ist daher eine sinnvolle Basis für eine methodologisch reflektierte und methodisch sauber vorgehende empirische Sozialforschung.

      In einer Übersicht sieht ein Ablaufschema der quantitativen Forschungsschritte so aus (siehe Tab. 3.2).

      Diese Schritte werden in den folgenden Kapiteln näher, auch im Kontext der verschiedenen Erhebungsinstrumente und an Beispielen vorgestellt. Im Überblick lässt sich vorab sagen, dass Forschende in der Präzisierungsphase ausformulieren, was genau sie wissen wollen. Man erfindet dabei das Rad kaum neu, sondern stützt sich auf Fachliteratur zum Thema, um wichtige Dimensionen herauszuarbeiten, Begriffe zu konkretisieren und Hypothesen zu formulieren. In der Operationalisierungsphase hat die Forscherin daraufhin die Aufgabe, festzulegen, wie die präzisierten Sachverhalte gemessen bzw. wie die Forschungsfragen und Hypothesen in empirische Prozeduren übersetzt werden sollen. Eine Herausforderung besteht darin, den klaren roten Faden beizubehalten: Es geht nicht darum, welche Aspekte man zur groben Themenstellung potenziell erheben könnte, sondern wie sich die Hypothesen und konkreten Forschungsfragen ganz genau empirisch umsetzen lassen.

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