Qualitative Medienforschung. Группа авторов
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Angewandte medienpädagogische Forschung, die von einigen Instituten wie zum Beispiel dem Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF) in München sowie von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Auftrag vor allem der Landesmedienanstalten durchgeführt wird. Daher konzentriert sich das Forschungsinteresse hier auf medienpädagogische Probleme und Fragen des Jugendschutzes.
In der Medienforschung haben qualitative Verfahren ihren eigenen Stellenwert, der sich nicht aus der Konkurrenz zur quantitativen Forschung ergibt, sondern aus den ihnen zugrunde liegenden Forschungsfragen und den je spezifischen Forschungsabsichten, die lebensweltliche Einbindung und sinnhafte Deutung zu entdecken versuchen. Und sie haben ihre eigenen Gesetze von Repräsentativität, die sich weniger an großen Fallzahlen orientieren als vielmehr an der Intensität des Forschungsprozesses und der Überprüfbarkeit der Ergebnisse. Qualitative Medienforschung erschöpft sich nicht allein in der Anwendung so genannter qualitativer Forschungsmethoden. Dahinter steht vielmehr eine grundsätzlich andere Haltung dem Forschungsprozess und den erforschten Menschen gegenüber. Denn es geht in erster Linie darum, das Medienhandeln der Menschen in alltäglichen Strukturen zu verstehen und seine Bedeutung in lebensweltlichen Zusammenhängen nachzuzeichnen (→ Sander/Lange, S. 183 ff.; → Eichner, S. 112 ff.; → Hasebrink/Hepp, S. 164 ff.; → Mikos, S. 146 ff.; → Röser/Müller, S. 156 ff.). Dazu gehört, dass man die Zuschauer, auch die kindlichen und jugendlichen Zuschauer, in ihrem alltäglichen Verhalten ernst nimmt und sich auf sie einlässt. Denn in der qualitativen Forschung können Ergebnisse nur gemeinsam mit den Untersuchten erzielt werden.
Qualitative Medien- und Kommunikationsforschung ist nicht der »Königsweg«. In Zeiten pluraler Lebenswelten kann es den auch nicht geben – sie bietet aber verschiedene Möglichkeiten und Wege, sich der Wirklichkeit gesellschaftlicher Kommunikationsverhältnisse und dem alltäglichen Medienumgang zu nähern. Qualitative Forschung ist grundsätzlich im Zusammenhang mit hermeneutischen und ethnographischen Verfahren (→ Hagedorn, S. 580 ff., → Winter, S. 588 ff.) sowie mit einem Selbstverständnis der Forscher zu sehen, die davon geleitet werden, den Gegenstand ihrer Forschung, die handelnden Subjekte in ihren alltäglichen Lebensäußerungen zu verstehen. Denn der Gegenstand der Forschung ist die subjektive Deutung von medialen Kommunikationsverhältnissen und kulturellen Praktiken, die in ihrem Sinn für die Zuschauer, Nutzer bzw. das Publikum sinnhaft zu verstehen sind. Da generalisierte Medien der Lebenswelt verhaftet bleiben und kulturelle Praktiken nur im Rahmen von Sozialwelten denkbar sind, muss sowohl der Kultur als auch der Alltagsund Lebenswelt der handelnden Subjekte in der qualitativen Medienforschung große Bedeutung beigemessen werden. Qualitative Forschung ist eine Form kommunikativer Praxis.
Die Geschichte qualitativer Medien- und Kommunikationsforschung in Deutschland zeigt, dass sie – sind diese Prämissen erfüllt – auch eine gewisse Bedeutung erlangt. Noch trifft das kaum auf die klassische Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zu, auch wenn sich dort im Jahr 2016 ein Netzwerk Qualitative Methoden gegründet hat. Größere Bedeutung hat sie in der medienpädagogischen Forschung, der sprachwissenschaftlichen und linguistischen Medienforschung sowie der wissenssoziologischen Medien- und Kulturforschung erlangt. Die Rezeption der so genannten »British Cultural Studies« in der Medienwissenschaft hat einen wesentlichen Beitrag zur qualitativen Wende der Medienforschung geliefert, da ethnographische Verfahren in den Cultural Studies eine wesentliche Rolle spielen. Zugleich gehen die Cultural Studies (→ Winter, S. 86 ff.) von einem theoretischen Selbstverständnis aus, das ähnlich wie in der Handlungs- bzw. Aktionsforschung Partei für die handelnden Subjekte ergreift. Arbeiten der Cultural Studies zielen darauf ab, die kulturellen und sozialen Praktiken der handelnden Subjekte nicht nur sinnhaft zu verstehen und deutend zu interpretieren, sondern diese Praktiken zugleich zu kontextualisieren, d.h. sie in den Zusammenhang von ökonomischen, sozialen, politischen und anderen Strukturen zu stellen. Grundlage ist dabei aber immer, dass es die Forschenden mit symbolischen Äußerungen und Handlungen der Subjekte zu tun haben, mit einem von den Subjekten selbstgesponnenen Bedeutungsgewebe, das es nicht zu entschlüsseln gilt, wie häufig fälschlich angenommen wird, sondern das es sinnhaft zu verstehen gilt. Der Anthropologe Clifford Geertz hat deshalb für den Prozess der ethnographischen Forschung gefordert, die Bedeutungsstrukturen, in die Menschen verstrickt sind, herauszuarbeiten und anschließend eine »dichte Beschreibung« dieser Strukturen zu liefern (Geertz 1987). Dabei geht es nicht allein darum, die beobachteten kulturellen und sozialen Praktiken in eine konsistente Interpretation und kohärente, ethnographische Erzählung (→ Winter, S. 588 ff.) zu verwandeln, sondern auch die Inkonsistenzen anzuerkennen. In seinem Grundlagenwerk zur interpretativen Soziologie, die viele Gemeinsamkeiten mit dem Projekt der Cultural Studies aufweist, hat Anthony Giddens (1984, S. 181; H. i. O.) auf diesen Aspekt besonders hingewiesen: »Was aber für Konsistenzen innerhalb von Bedeutungsrahmen gilt, trifft auch auf Inkonsistenzen und auf strittige oder umkämpfte Bedeutungen zu, d.h. diese müssen ebenfalls hermeneutisch verstanden werden.«
Gerade deshalb hat Lawrence Grossberg (1994) für die Cultural Studies auch gefordert, sich durch Theorien nicht den Blick auf die alltäglichen Praktiken der Subjekte verstellen zu lassen, sondern die alltäglichen Praktiken als Anregung für die Theorieentwicklung zu begreifen. Für die qualitative Medienforschung heißt dies, ihre Methoden dem Gegenstand anzupassen, offen für die Erfahrungen der untersuchten Menschen zu sein, um so Anregungen für die Theorieentwicklung zu erhalten und weitere empirische Forschungen zu generieren.
Das Ziel, kulturelle und soziale Praktiken zu verstehen, oder anders ausgedrückt: das Alltagsleben und die Sozialwelt in ihrem sinnhaften Aufbau für die handelnden Subjekte – und damit die verschiedenen Medienpublika – zu verstehen, bedeutet für die qualitative Forschung eine eigenständige Etablierung und einen gleichberechtigten Platz neben der quantitativen Forschung. Für die Medienforschung heißt dies insbesondere, dass qualitative Forschung nicht nur als methodisches Vorgehen, sondern als sozial- und kulturwissenschaftliches Verfahren der Erkenntnisgewinnung und als theoretisches Selbstverständnis einen besonderen Stellenwert erhält. Dies gilt umso mehr, als Medien und Medienprodukte ihre Bedeutung erst im alltäglichen Handeln und der sozialen und kulturellen Praxis der Menschen entfalten (→ Eichner, S. 112 ff.; → Ganguin/Sander, S. 175 ff.; → Hasebrink/ Hepp, S. 164 ff.; → Keppler, S. 77 ff.; → Krotz, S. 94 ff.; → Meyen, S. 104 ff.; → Mikos, S. 146 ff.; → Röser/Müller, S. 156 ff.).
Qualitative Medienforschung ist weitgehend mit qualitativer Rezeptionsforschung gleichgesetzt worden (→ Peltzer/Neumann-Braun, S. 122 ff., → Prommer, S. 249 ff.). Die Analyse der Produktion (→ Kübler, S. 237 ff.) sowie von Produkten, Texten und Diskursen erlebt in der Medienforschung zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen neuen