Fälle zum Sozialrecht. Группа авторов

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der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aber prinzipiell ausgenommen (§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB V).18 Verschreibungspflichtig sind[18] solche Arzneimittel, die bestimmte gesetzlich konkretisierte Stoffe enthalten (§ 48 AMG i.V.m. Arzneimittelverschreibungsverordnung). Das Mistelpräparat enthält solche Stoffe nicht und ist danach nicht verschreibungspflichtig19, was gegen eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sprechen könnte.

      b) Ausnahmsweise kein Leistungsausschluss

      Allerdings könnte hier ein Fall vorliegen, in dem ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel bei einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard gilt und deshalb vom Vertragsarzt ausnahmsweise zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden dürfte (§ 34 Abs. 1 S. 2 SGB V). Dazu müsste das Mistelpräparat in einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V (sog. Arzneimittel-Richtlinie) als verordnungsfähig eingestuft worden sein. Anlage I der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-RL)20 – sog. OTC-Übersicht – bestimmt unter Nr. 32, dass verordnungsfähig sind „Mistel-Präparate, parenteral, auf Mistellektin normiert, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität“. Vorliegend soll das Mistelpräparat allerdings bei einer adjuvanten und nicht bei einer palliativen Therapie eingesetzt werden. Folglich fällt es nicht unter die ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit gemäß der Richtlinie.21

      [19]c) Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses

      Schließlich dürfte der Leistungsausschluss des Mistelpräparates nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unzulässig sein. Eine Unwirksamkeit des Leistungsausschlusses ist unter zwei Gesichtspunkten denkbar: (aa) Dem G-BA könnte es an einer hinreichend demokratischen Legitimation zum Erlass der Arzneimittel-RL ermangeln und (bb) der Leistungsausschluss könnte das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip verletzen.

      aa) Demokratische Legitimation des G-BA

      Es fragt sich zunächst, ob die Richtliniengebung des G-BA dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG widerspricht. Indem der G-BA mittels der Arzneimittel-RL den Leistungsanspruch von Versicherten definieren kann, setzt er eine abstrakt-generelle Regelung. Dabei könnte es sich um die Ausübung von Staatsgewalt handeln, die sich nach dem Demokratieprinzip prinzipiell immer auf den Volkswillen zurückführen lassen muss (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Anders als beim Bundestag, der den prinzipiellen Rechtsanspruch nach § 31 Abs. 1 SGB V erlassen hat, lässt sich beim G-BA eine solche ununterbrochene Legitimationskette weder zum deutschen Volk an sich noch zur Gemeinschaft der Versicherten als der hier einschlägigen Teilmenge des Volkes ziehen. Andererseits hat der Gesetzgeber selbst in § 34 Abs. 1 S. 2 SGB V den G-BA zur Richtlinienschaffung ermächtigt. Folgerichtig fordert die Rechtsprechung[20] im hier einschlägigen Bereich der funktionellen Selbstverwaltung22 aufgrund des Demokratieprinzips auch nicht, dass eine lückenlose personelle Legitimationskette vom Volk vorliegt. Hinreichend ist, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der ermächtigten Organe gesetzlich ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt.23

      Eine ausreichende vorherige Bestimmung der Aufgaben und Handlungsbefugnisse ist anzunehmen, wenn die vorgeschriebene Handlungsform gesetzlich präzise ausgeformt ist und rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Das erfordert, dass erstens das Verfahren zum Erlass der Richtlinien transparent, zweitens ihre Publizität gesichert und drittens die Reichweite der Bindungswirkung gegenüber den Systembeteiligten gesetzlich festgelegt ist.24 Als erstes setzt Verfahrenstransparenz voraus, dass der Weg zum Erlass der Richtlinie klar ist. Dieses Verfahren der Richtliniengebung ist hier durch Gesetz geregelt. Insbesondere ist vorgesehen, dass vor dem Richtlinienerlass sowohl Sachverständige als auch die Vereinigungen mit wirtschaftlichem Interesse an der Entscheidung (wie pharmazeutische Unternehmer und Apotheker sowie die Vertreter der besonderen Therapierichtungen) eine Stellungnahme abgeben können, die in die Entscheidung einzubeziehen ist (§ 92 Abs. 3a SGB V). Damit besteht über das Verfahren zum Richtlinienerlass Transparenz. Zum zweiten verlangt Publizität, dass eine beschlossene Richtlinie jederzeit einsehbar ist. Hier wird die beschlossene Richtlinie im Bundesanzeiger und im Internet veröffentlicht. Von Publizität kann also ausgegangen werden. Drittens bestimmt § 91 Abs. 6 SGB V, dass die Beschlüsse des G-BA für die Krankenkassen, Versicherten und Leistungserbringer verbindlich sind. Mithin ist für die Arzneimittel-RL die Reichweite der Bindungswirkung im Hinblick auf die maßgeblichen am System Beteiligten durch Gesetz festgelegt. Folglich ist die Befugnis des G-BA zur Regelung gesetzlich präzise und rechtsstaatsgemäß ausgeformt.

      Außerdem müsste die Richtliniengebung des G-BA der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegen. Die[21] vom G-BA beschlossenen Richtlinien müssen dem Bundesgesundheitsministerium vorgelegt werden. Dieses kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden (§§ 91 Abs. 8, 94 Abs. 1 SGB V). Der Bundesgesundheitsminister besitzt eine ununterbrochene Legitimation durch das Wahlvolk (s. Art. 64 Abs. 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 GG). Infolgedessen liegt hier präventive aufsichtsrechtliche Kontrolle durch einen personell demokratisch legitimierten Amtswalter (Bundesgesundheitsminister) vor.25

      Folglich ist der G-BA hinreichend demokratisch legitimiert und seine Richtliniengebung verstößt auch nicht gegen das Demokratieprinzip.

      bb) Verstoß des Leistungsausschlusses gegen Grundrechte

      Der Leistungsausschluss könnte das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip verletzen.

      Eine solche Verletzung läge vor, wenn der Gesetzgeber in unverhältnismäßiger Weise Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen und somit dem Bereich der Eigenvorsorge zugewiesen hätte. Dies ist anerkanntermaßen der Fall, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bzw. an einer zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung leiden, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Entwicklung des Krankheitsverlaufs besteht (vgl. auch § 2 Abs. 1a SGB V).26 Eine Krankheit ist in diesem Sinne lebensbedrohlich bzw. wertungsmäßig damit vergleichbar, wenn nach den konkreten Umständen des Falls droht, dass sich der negative Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklicht.27 Vorliegend hat E die Operation und die Chemotherapie erfolgreich absolviert. Sie hat ihre Arbeit wieder in Vollzeit aufgenommen. Metastasen sollen zwar durch die adjuvante Therapie verhindert werden, sind derzeit aber nicht ersichtlich. Somit fehlt es an einer lebensbedrohlichen[22] oder wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung i.S.d. oben dargestellten Ausnahmeregelung.28

      Folglich hat der Gesetzgeber hier nicht in unverhältnismäßiger Weise das Mistelpräparat vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen und dem Bereich der Eigenvorsorge zugewiesen. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip sind mithin nicht verletzt.

      IV. Ergebnis

      Nach alledem ist das Mistelpräparat in rechtmäßiger Weise vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen (§ 34 Abs. 1 SGB V). Die besonderen Voraussetzungen der Leistung des Arzneimittels sind nicht gegeben. E hat damit keinen Anspruch auf Leistung des Mistelpräparats gegen ihre Krankenkasse. Diese hat die Leistung zu Recht abgelehnt, so dass E keinen Anspruch auf Kostenerstattung wegen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung nach § 13 Abs. 3 SGB V hat. Auch zukünftig muss die Krankenkasse das ausgeschlossene Arzneimittel somit nicht erbringen.

      Literaturhinweise

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