Fälle zum Sozialrecht. Группа авторов

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Gemäß § 115 SGB VI beginnt das Verfahren in der Gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Antrag. Die Antragstellung kann hier unterstellt werden bzw. müsste ggf. noch erfolgen.

      [27]6. Zwischenergebnis zu I.

      Die Anspruchsvoraussetzungen des § 46 II SGB VI liegen vor.

      II. Ausschlussgrund: § 46 IIa SGB VI – Versorgungsehe

      Fraglich ist, ob der Bezug der großen Witwenrente nach § 46 II SGB VI ausgeschlossen ist. In Betracht käme hier der Ausschlussgrund nach § 46 IIa SGB VI. Danach haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen

      1. Gesetzliche Vermutung

      Die Anknüpfung an die Ehedauer von weniger als einem Jahr enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten/der Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung der Versorgung Ziel der Eheschließung war.4 Vorliegend haben A und B erst gut zwei Monate vor dem Tode Bs geheiratet (Eheschließung am 1.8., Tod des B am 8.10). Damit kann eine Versorgungsehe vermutet werden, da die Ehedauer weit unter einem Jahr liegt.

      Erläuterung: Das SGB VI kennt einige Gründe, die den Bezug der Rente ausschließen. Hierzu zählt die sog. Versorgungsehe nach § 46 IIa SGB VI, gleiches gilt nach Absatz 4 auch für die Begründung einer Lebenspartnerschaft aus Versorgungsgründen. Einen weiteren Ausschlussgrund stellt § 105 SGB VI – Tötung eines Angehörigen – dar.

      2. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung

      Jedoch kann diese Vermutung der Versorgungsehe widerlegt werden. Hierfür müssten Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen.5

      Hierzu müssen die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert betrachtet werden, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen[28] Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung eingestellt werden und sind unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten. Hier sind also die Beweggründe von A und B für die Eheschließung zu ermitteln, die äußeren Umstände in Ansatz zu bringen und eine Gesamtwürdigung durchzuführen, damit die Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorliegt, widerlegt werden kann.

      Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten wird in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 IIa, 2. Hs. SGB VI nicht erfüllt sein. Es darf jedoch nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde.6 Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist.7 B ist bereits im Jahre 2013 an Krebs erkrankt und hat zahlreiche Operationen und Chemotherapien erleiden müssen. Dies spricht für eine jahrelange, schwerwiegende Krankheitsgeschichte, damit um eine offenkundige und lebensbedrohliche Erkrankung.

      Hier müssten also gewichtige Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, vorgebracht werden. Besondere Umstände in diesem Sinne, sind alle Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst sind und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen.8 Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen.9 Es kommt auf die – ggf. auch voneinander abweichenden – Beweggründe beider Ehepartner im konkreten Einzelfall an.10

      A und B lebten seit über 30 Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Auch wenn nach zwei Jahren keine offizielle Verlobung erfolgte, lassen doch die Umstände, dass B der A einen Ring schenkte[29] und die jahrzehntelange Dauer der Verbindung keinen Zweifel an einer ernsthaften partnerschaftlichen Beziehung. Das gegenseitige Füreinandereinstehen bereits vor der Eheschließung ergibt sich zudem aus der gemeinsamen Haushaltsführung, der gegenseitigen Einsetzung zu Erben sowie aus dem Abschluss von Lebensversicherungen zugunsten des jeweils anderen.11 Auch nach der Eheschließung lebten die beiden als Ehepartner zusammen.12 Laut Sachverhalt hatte der B seit langem und sich intensivierend den Wunsch, die Ehe mit A zu schließen. A hatte sich hier zögerlich verhalten. Schlussendlich erfolgte die Eheschließung aber auf den Wunsch beider, ihrer langjährig gelebten Liebesbeziehung nunmehr doch noch auch angesichts der schweren Lebenssituation einen offiziellen Rahmen zu geben. Auch die Umstände der Eheschließung lassen nicht den Schluss zu, dass überwiegend Versorgungsaspekte der Grund für die Heirat waren. Die Trauung erfolgte am 1.8. im Standesamt mit Trauzeugen und einem kleinen Empfang mit den nahen Angehörigen und Freunden. Zur Hochzeitsfeier im September kam es nicht mehr, da B.s Zustand im September bereits so schlecht war, dass er der Feier nicht mehr hätte beiwohnen können. Beide Feierlichkeiten deuten darauf hin, dass hier Versorgungsaspekte nicht im Vordergrund stehen. Denn dafür bedarf es keiner feierlichen Begehung. Auch die Hoffnung von A und B, dass B die Krebserkrankung überstehen würde, spricht gegen eine Versorgungsehe, da beide davon ausgehen, noch lange zusammenzuleben.

      Nach der Gesamtwürdigung der Umstände ist vorliegend nicht von einer Versorgungsehe zwischen A und B auszugehen. Die gesetzliche Vermutung kann damit widerlegt werden. Der Ausschlussgrund nach § 46 IIa SGB VI greift damit nicht.

      III. Rechtsfolge

      Damit steht A ein Anspruch auf große Witwenrente gemäß § 46 II Nr. 2 SGB VI zu. Bezüglich der Höhe der Witwenrente ist grundsätzlich auf § 67 SGB VI zu verweisen. Inwiefern es zu Anrechnung von Einkommen nach § 97 SGB VI kommt, kann hier nicht festgestellt werden, da es an entsprechenden Angaben im Sachverhalt fehlt.

      [30]IV. Gesamtergebnis

      A hat einen Anspruch auf Witwenrente gegen den Rentenversicherungsträger gemäß § 46 II Nr. 2 SGB VI.

      B. Abwandlung

      Das Sozialamt ist für den Antrag auf Hinterbliebenenversorgung nach § 46 SGB VI nicht zuständig. Zuständig ist der gesetzliche Rentenversicherungsträger (vgl. § 125 SGB VI). Damit wäre der Antrag nach § 16 I SGB I beim unzuständigen Leistungsträger abgegeben worden. Jedoch ist das Sozialamt nach § 16 II SGB I verpflichtet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten – hier die Deutsche Rentenversicherung.

      Literaturhinweise

      – BSG, Urteil vom 5.5.2009 – B 13 R 53/08 R

      – BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 13 R 134/08 R

      – LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.8.2008 – L 1 R 193/06

      – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.8.2014 – L 13 R 3256/13

      – SG Berlin, Urteil vom 30.5.2012 – S 11 R 5359/08

      1 Vgl. Palsherm, Sozialrecht, 2. Aufl. (2015), S. 87.

      2 Gürtner, in: KassKomm, SGB VI (2015), § 46 Rz. 4.

      3 Vgl. Fasselt/Schellhorn, HSRB, 5. Aufl. (2017), Teil I Kap.6 Rz. 90.

      4 Gürtner, in: KassKomm, SGB VI (2015), § 46 Rz. 46b.

      5 Gürtner, in:

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