Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland. Bernhard Schäfers

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Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland - Bernhard Schäfers

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die Uraufführung (Hamburg 1947) des Dramas »Draußen vor der Tür« des früh verstorbenen Autors Wolfgang Borchert (1921–1947), der dieser »verlorenen Generation« eine Stimme gab, die Aufführungen der Neuen Musik in ihren Zentren Darmstadt, Baden-Baden und Donaueschingen und der Siegeszug der bisher verbotenen abstrakten Kunst können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um Veranstaltungen für eine kleine Kulturelite handelte. Die große Mehrheit lauschte den »Capri-Fischern«, die aus den alten Volksempfängern bis in den Straßenraum drangen und schaute Filme an, die die Sehnsucht stillten und von Vergangenheit und Gegenwart ablenkten.

      Im »Philosophischen Wörterbuch« von Klaus Buhr, das in der DDR und in der Bundesrepublik weit verbreitet war, hieß es zum Begriff Kultur: »Entwicklung und allseitige Herausbildung des menschlichen Wesens im Ringen um die Beherrschung der Naturkräfte und ganz besonders des eigenen gesellschaftlichen Zusammenlebens«.

      Nicht erst 1945/49 kam diese historisch-materialistische Auffassung der Kultur zum Tragen. Sie hatte Wurzeln, die bis in das 19. Jahrhundert zurückgingen, verbunden mit dem Anspruch, auch auf diesem Gebiet das Erbe des deutschen Idealismus und einer wohl verstandenen Klassik anzutreten. In gewisser Weise konnte man bei der 1933 gewaltsam unterbrochenen Kulturentwicklung der Weimarer Republik wieder anknüpfen, die zu einem nicht unwichtigen Teil sozialistisch geprägt war (das gilt auch für das später weltberühmte Bauhaus in Dessau).

      Es hatte erhebliche Signalwirkung, auch im Ausland, dass anerkannte Schriftsteller wie Heinrich Mann oder Bertolt Brecht aus dem Exil kommend in die SBZ/DDR gingen. Brecht leitete das »Theater am Schiffbauerdamm«, das über seinen Tod im Jahr 1956 hinaus Weltruhm genoss. Der Lyriker Peter Huchel redigierte die Zeitschrift »Sinn und Form«, die als eine der besten deutschsprachigen galt.

      Der hohe Stellenwert, der auf der einen Seite Literatur, Theater und anderen Künsten bei der Schaffung des »neuen Menschen« eingeräumt wurde, korrespondierte auf der anderen Seite mit der Furcht vor Abweichung, was zu entsprechenden Zensurmaßnahmen und Überwachungen führte. Mit der Ausweisung des auch im Westen sehr bekannten Liedermachers Wolf Biermann im Jahr 1976 wurden die Drangsalierungen von Künstlern zum weltweit beachteten Skandal. Aber die DDR-Literatur blieb eine wichtige Klammer der deutschen Kulturnation. Werke von Christa Wolf gelangten auszugsweise auch in westdeutsche Schulbücher und waren Anlass für Abituraufsätze (Der geteilte Himmel, 1963; Nachdenken über Christa T., 1968; Störfall. Nachrichten eines Tages, 1987).

      Die SBZ förderte ein breites, mit den Werktätigen verbundenes Kulturschaffen. Entsprechend zahlreich waren die Kultureinrichtungen, auch in abgelegenen Regionen.

      Im Jahr 1989 gab es, bei rund 17 Mio. Einwohnern, 217 Theater, 87 Orchester, 719 Museen (davon 128 Geschichtsmuseen), fast 17 Tsd. Bibliotheken – darunter ca. 6 Tsd. Betriebsbibliotheken – und 1709 Kulturhäuser (Thomas 1993 : 421).

      Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten (vgl. Art. 35 des Einigungsvertrages) ging diese Differenzierung und kulturelle Basis zu einem guten Teil verloren, auch auf Grund der völlig anderen Organisationsstrukturen des kulturellen Lebens. Es entwickelte sich jedoch eine neue Form der kulturellen Förderung, bei der kommunale und private Initiativen eine große Rolle spielten. Nur dadurch konnte, häufig in letzter Minute, viel vor Verfall und Ausverkauf, z. B. von wertvollen Bibliotheksbeständen, bewahrt werden.

      Nach dem ideologisch-weltanschaulichen Zusammenbruch des Nationalsozialismus und dem Verfall vieler Institutionen konnten die christlichen Kirchen zunächst eine dominante Rolle spielen, was sich nicht zuletzt bei der Gründung von CDU und CSU zeigte. Doch dies bedeutete nur ein Interregnum. Zum einen wurden, neben geleistetem Widerstand, auch Verstrickungen der Kirchen in die Politik des Dritten Reiches und dessen anti-semitische Grundlagen offenkundig, zum anderen setzten sich säkulare Trends fort, die bereits in der Weimarer Republik verstärkt zur Geltung gekommen waren. Für die Zeit nach 1949 gilt: »Der politische Prälat verschwand allmählich aus den Landtagen und trat im Bundestag erst gar nicht auf« (Maier 1989 : 166). Die katholischen Gewerkschaften wurden ebenso aufgegeben wie andere Vereinigungen und Parteien, die einen über die engeren kirchlichen Aufgaben hinaus wirkenden, allgemein-politischen Anspruch hatten.

      Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Tradition der Katholikentage bekam für die Repräsentanz des Katholizismus in der Öffentlichkeit eine bis heute anhaltende Bedeutung. Ihnen wurden seit 1949 die Evangelischen Kirchentage an die Seite gestellt (Maier 1989 : 167). Seit 1957 finden sie im zweijährigen Rhythmus statt, alternierend mit den Katholikentagen. Bis zur Vereinigung waren beide Kirchentage auch eine gesamtdeutsche Klammer.

      Nach langen Verhandlungen und den Erfahrungen mit der »Bekennenden Kirche« im nationalsozialistischen Deutschland kam es zur Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als Bund lutherischer, reformierter (calvinistischer) und unierter Kirchen. Die Grundordnung wurde nach einer ersten Kirchenversammlung in Treysa bei Kassel im August 1945 in Eisenach (Thüringen) im Juli 1948 beschlossen. Der Wechsel der Namensgebung von »Deutscher Evangelischer Kirche« zu »Evangelischer Kirche in Deutschland« geschah in der Absicht, »der Vorstellung einer mehr politisch bedingten Zuordnung von Nation, Staat und Kirche entgegenzutreten, aber zugleich die kirchliche Verpflichtung gegenüber dem deutschen Volk zu unterstreichen« (Wilkens 1989 : 185).

      Trotz aller anti-religiöser und anti-kirchlicher Politik der DDR waren sowohl das Hineinragen der katholischen Bistümer Fulda, Osnabrück, Paderborn und Würzburg in das DDR-Territorium als auch die Gründung der EKD eine gesamtdeutsche Klammer – zumindest bis zum Jahr 1969, als nach langen Auseinandersetzungen die Klammer zur EKD beseitigt und der »Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR« gegründet wurde (Henkys 1989 : 199 f.).

      Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 wurden die Ursprungsländer des deutschen Protestantismus als »neue Bundesländer« in die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik eingegliedert. Gehörten noch 1945 90 % der Bevölkerung einer Kirche an, überwiegend der protestantischen, so war durch die äußerst rigide Kirchenpolitik der SED der Anteil der Kirchenzugehörigkeit auf deutlich unter 30 % gesunken. In den städtischen Ballungszentren und den Industrieregionen Ostdeutschlands waren es sogar weniger als 10 % der Bevölkerung (Hartmann 1993 : 404).

      In der Schlussphase der DDR traten erhebliche Spannungen auf, weil die Kirche mit ihren Freiräumen als Hort der Dissidenten galt – und in der Tat für die Vorbereitungen der friedlichen Revolution eine bedeutende Rolle spielte (zur weiteren Entwicklung von Religion und Kirche in der Gesellschaftsgeschichte Deutschlands vgl. Kap. VI).

      Adenauer, Konrad, Erinnerungen. 1945 – 1953, Stuttgart 1965

      Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945–1949 (insges. 6 Bde.), Bd. 1: Sept. 1945 bis Dez. 1946, bearb. von W. Vogel/C. Weisz, München/Wien 1976

      Ambrosius, Gerold, Die Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland, Stuttgart 1977

      Benz, Wolfgang, Die Gründung der Bundesrepublik. Von der Bizone zum souveränen Staat, München 1984 (dtv 4523)

      von Beyme, Klaus, Der Wiederaufbau. Architektur und Städtebaupolitik in beiden deutschen Staaten, München 1987

      Braun, Hans/Articus, Stephan, Sozialwissenschaftliche Forschung im Rahmen der amerikanischen Besatzungspolitik 1945–1949, in: KZfSS 36. Jg./1984, H. 4, S. 703–737

      Braun,

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