Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland. Bernhard Schäfers

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland - Bernhard Schäfers страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland - Bernhard Schäfers

Скачать книгу

und die Basis für die Restauration einer klassenspezifischen Teilkultur.

      Die Veränderungen in der deutschen Sozialstruktur durch den Nationalsozialismus, den Krieg und die Kriegsfolgen bewirkten etwas ganz Entscheidendes: erstmals in der deutschen Geschichte wurde die Demokratie als einzig mögliche Regierungs- und Staatsform auch in den besitzenden Oberschichten, im Beamtenbund, aber auch von den Kirchen akzeptiert. Der Sonderweg einer »verspäteten Nation«, wie die bekannte These von Helmuth Plessner (1974) lautete, war beendet.

      Bemühungen um die Durchsetzung einer bestimmten Wirtschaftsordnung wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit hartnäckiger verfolgt als Gedanken einer politischen und verfassungsmäßigen Neuordnung. Das Wirtschaftssystem hatte seine eigene Dynamik. Die weltwirtschaftlichen Verflechtungen wie die weltpolitischen Auseinandersetzungen waren im Wirtschaftsbereich direkt. Programmatiken des wieder erwachenden parteipolitischen und des gewerkschaftlichen Lebens konzentrierten sich auf die Wirtschaftspolitik, auf Eigentums- und Vermögensfragen, Bildung und Ausbildung. Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussionen dieser Zeit gipfelten in der Frage, ob die Gefahren für die individuelle Freiheit in der künftigen Gesellschafts- und Staatsordnung eher von einem schrankenlosen Kapitalismus oder von einer umfassenden Planwirtschaft kommen würden.

      Als vom 18.–20. Juni 1948 die Währungsreform durchgesetzt wurde, war die Diskussion zugunsten des Ordo-Liberalismus entschieden. Er allein schien in der Lage, die Vorteile der freien Märkte mit der Freiheit der Individuen und einem Ordnungsrahmen zu verbinden, der ein Abgleiten in schrankenlosen Kapitalismus ebenso verhinderte wie eine dirigistische Planwirtschaft (vgl. zur Durchsetzung der freien Marktwirtschaft Ambrosius 1977).

      Die Währungsreform war mit vielen Bestimmungen zur Abschaffung der Zwangswirtschaft verbunden. Der unermüdliche Motor dieser Reformen, die er z. T. gegen den ausdrücklichen Willen des Alliierten Kontrollrates durchsetzte, war Ludwig Erhard (1897–1977). Er war zunächst Leiter der »Sonderstelle Geld und Kredit des Wirtschaftsrates« und seit März 1948 Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes der amerikanischen und britischen Zone, mit Sitz in Bad Homburg. Zur Akzeptanz der Währungsreform und neuen Wirtschaftsordnung hatten klare wirtschaftspolitische Ordnungsvorstellungen und das Konzept Soziale Marktwirtschaft beigetragen. Ludwig Erhard übernahm diesen Begriff, der erstmalig 1947 in einer Schrift des Münsteraner Professors der Volkswirtschaftslehre, Alfred Müller-Armack (1901–1978), auftauchte. Erhard »machte daraus eine gängige Parole« (Eschenburg 1983 : 439; vgl. Müller-Armack 1974).

      Für die (spätere) Bundesrepublik war von großer Bedeutung, dass die Grundzüge der Wirtschaftspolitik entwickelt waren und Eingang in die Praxis gefunden hatten, bevor das neue Staatswesen existierte. So kann man dem Historiker Hans-Peter Schwarz (1974 : 59) zustimmen, wenn er resümiert: »Die Bundestagswahl von 1949 war denn auch in der Tat eine Art Plebiszit über die Wirtschaftsordnung. Sie ging zugunsten der marktwirtschaftlich orientierten Parteien aus«.

      Der Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft war die wichtigste Grundlage für die Integration heterogener Bevölkerungsschichten in die neue Gesellschaft der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik (über den bis November 1948 sich hinziehenden Widerstand der westdeutschen Arbeiterschaft gegen die Marktwirtschaft vgl. Benz 1984 : 92). Die neue Wirtschaftsordnung wurde durch den Marshall-Plan unterstützt. Im Rahmen dieses im April 1948 beschlossenen Auslandshilfegesetzes der USA, das nach dem vormaligen General und Außenminister der Jahre 1947–1949, George Marshall, benannt war, erhielten die vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Länder Westeuropas erhebliche Aufbauhilfen in Form von Sachleistungen und Krediten. Die Ostblockländer waren von der Sowjetunion gezwungen worden, die angebotenen Hilfsleistungen zurückzuweisen.

      Dass die vor allem von Ludwig Erhard konzipierte und couragiert durchgesetzte Währungsreform zum entscheidenden Umbruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte führte und die Konsensbasis für die neue Wirtschaftsordnung schnell breiter wurde, hatte auch Ursachen, die mehr in epochal-typischen Phänomenen als in gänzlich neu geschaffenen Bedingungen lagen. Deutschland war bereits – entsprechend der Stadienlehre des wirtschaftlichen Wachstums von Rostow (1960) – in den 1920er Jahren in das »Zeitalter des Massenkonsums« eingetreten. Diese Entwicklungen wurden durch die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg zwar unterbrochen, doch die Wege zu einer modernen Konsumgesellschaft waren schon vor 1948/49 ff. beschritten worden.

      Seit dem 10. Juli 1948 tagte im Schloss Herrenchiemsee der Verfassungskonvent zur Vorbereitung des Parlamentarischen Rates, der die endgültige Verfassung auszuarbeiten hatte. Diesem Konvent lag eine Aufforderung zur Gründung eines westdeutschen Teilstaates zugrunde, die von den drei westlichen Militärgouverneuren am 1. Juli 1948 in Frankfurt den Ministerpräsidenten überreicht wurde (sog. »Frankfurter Dokumente«). Dagegen gab es einen nicht unerheblichen Widerstand auch seitens einiger Ministerpräsidenten (vgl. Benz 1984 : 98 ff.). Man befürchtete, damit den Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu beschreiten. Doch auf Druck der Alliierten trat am 1. September 1948 in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen, um über eine Verfassung für einen westlichen Teilstaat zu beschließen. Er bestand aus 65 Mitgliedern, die von 11 Landtagen gewählt waren, je 27 von der CDU/CSU und der SPD, fünf von der FDP, je zwei von der Deutschen Partei, dem Zentrum und der KPD. Hinzu kamen fünf Vertreter (West-)Berlins mit beratender Stimme.

      Am 23. Mai 1949 wurde in Bonn das »Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland« verabschiedet. Der Tag ist das Gründungsdatum der zweiten deutschen Republik. Der Name »Grundgesetz« (GG) statt »Verfassung« wurde gewählt, um auf die Vorläufigkeit der Staatsgründung hinzuweisen. In der dem GG vorangestellten Präambel hieß es unter anderem, dass »auch für jene Deutsche gehandelt wurde, denen mitzuwirken versagt war« und dass »das gesamte deutsche Volk aufgefordert« ist, »in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden«.

      Auch mit der Wahl Bonns als Regierungssitz sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich um nichts Endgültiges handele. Bereits am 12. Mai 1949 war die Entscheidung gefallen, dass Bonn und nicht Frankfurt/M. vorläufige Hauptstadt der Bundesrepublik sein sollte. Für Frankfurt hätte nicht nur die zentrale Lage, sondern auch die deutsche Geschichte gesprochen: von 1562 bis zum Ende des »Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation« im Jahr 1806 war der Frankfurter Dom die Stätte der Kaiserkrönung. In den Jahren 1848/49 tagte in der Frankfurter Paulskirche die erste frei gewählte Nationalversammlung, um eine Verfassung für ganz Deutschland auszuarbeiten.

      In der Hauptstadtfrage lief die Entwicklung in der SBZ/DDR fast parallel. Am 7. Oktober 1949 wurde die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik verkündet und (Ost-) Berlin zur Hauptstadt erklärt. Hier gab es weder eine Vorläufigkeit wie mit Bonn noch die Selbstbeschränkung auf Ost-Berlin. Es hieß: »Berlin, Hauptstadt der DDR«.

      Die im Grundgesetz verankerte Staatsordnung gehört zum Typus des westlichen »demokratischen Verfassungsstaates«. Ohne hier auf die Frage einzugehen, ob mit der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 bereits ein Wiederanknüpfen an die nach dem Scheitern der Paulskirchen-Verfassung von1848/49 unterbrochene westeuropäisch-nordamerikanische Verfassungsgeschichte gegeben war, konnte in den Jahren 1948/49 von einem breiteren Grundkonsens für diesen Verfassungs- und Staatstypus ausgegangen werden als 1918/19.

      Bei allen an der Ausarbeitung des Grundgesetztes beteiligten Personen und Parteien – ausgenommen die beiden KPD-Mitglieder im Parlamentarischen Rat – bestand Konsens über folgende Eckpfeiler:

       Das neue Staats- und Gesellschaftssystem beruht auf dem Prinzip der Gewaltenteilung

Скачать книгу