Entwicklungspsychologie. Werner Wicki

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Entwicklungspsychologie - Werner Wicki utb basics

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der dargestellten Inhalte in sich. Die Leserinnen und Leser werden deshalb an verschiedenen Stellen auf mögliche Vertiefungspfade hingewiesen: auf Untersuchungen, grundlegende Experimente und vor allem auf weiterführende Literatur, die für das weitere Studium des Fachs hilfreich ist.

      2 | Theorien und Methoden der Entwicklungspsychologie

       Inhalt

      Dieses Kapitel beginnt mit einigen theoretischen Annahmen der modernen Entwicklungspsychologie und bietet einen Überblick über die aktuellen Theoriefamilien.

      Zwei Theorien werden in diesem Kapitel näher vorgestellt: die ökologische Entwicklungstheorie und die dynamische Systemtheorie. Weitere Theorien (z.B. die Bindungstheorie) werden im Rahmen der Altersquerschnitte (→ Kap. 3–6) skizziert.

      Der erste Teil des Kapitels schließt mit einigen Bemerkungen zum Verhältnis von Anlage (Genen) und Umwelt. Der zweite Teil des Kapitels enthält eine knappe Darstellung der wichtigsten Forschungsmethoden, was nicht zuletzt das Verständnis der in diesem Buch referierten Forschungsbefunde unterstützen soll.

       2.1 Theorien der modernen Entwicklungspsychologie

       2.1.1 Theoretische Annahmen

       2.1.2 Ökologische Entwicklungstheorie

       2.1.3 Dynamische Systemtheorie

       2.1.4 Anlage und Umwelt

       2.2 Methoden

      2.1 | Theorien der modernen Entwicklungspsychologie

       Definition

      Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit den psychologischen Veränderungen (und Stabilitäten) im Lebenslauf.

      Sofern die individuelle Entwicklung gemeint ist, spricht man von Ontogenese, der Begriff Phylogenese bezieht sich hingegen auf die Stammesgeschichte, die Veränderungen einer Spezies im Verlauf der Evolution.

      2.1.1 | Theoretische Annahmen

      Während der Zeitspanne von der Geburt bis ins Jugendalter verändern sich Psyche und Verhalten von einem einfacheren, weniger kompetenten zu einem komplexeren bzw. kompetenteren Zustand, zum Beispiel beim Übergang von der vorsprachlichen Kommunikation im ersten Lebensjahr zum Gebrauch von Wörtern ab dem zweiten Lebensjahr.

      Entwicklung im Erwachsenenalter

      Spätestens ab dem Erwachsenenalter ist eine Kompetenzzunahme zwar noch möglich, aber nicht mehr die Regel (Staudinger/Schindler 2008). Die Veränderungen bestehen nun oft nur noch in einer Auswahl zwischen Handlungsoptionen oder in der Kompensation von Kompetenzen, die verloren gegangen sind (etwa der Merkfähigkeit im hohen Alter).

      variante vs. invariante Abfolge

      Die Reihenfolge der einzelnen Entwicklungsschritte – wie etwa bei der Sprachentwicklung die Wörter, die das Kind spricht, und die Abfolge der grammatischen Strukturen, die es ab dem zweiten und dritten Lebensjahr erwirbt – sind allerdings interindividuell variabel und es kann auch sein, dass eine bereits erworbene Kompetenz vorübergehend wieder verloren geht (Thelen/Smith 2006).

      Qualität und Quantität

      Entwicklung kann qualitativer oder auch quantitativer Natur sein. Eine qualitative Veränderung besteht am Beispiel der Sprachentwicklung im korrekten Gebrauch von Symbolen im Vergleich zur vorsprachlichen Kommunikation.

      Als quantitative Veränderungen können z.B. die sukzessive Zunahme des Wortschatzes ab dem 2. Lebensjahr (Szagun 2013) oder die der Gedächtnisspanne im Verlauf der Kindheit betrachtet werden (Schneider/Lindenberger 2012).

      Entwicklung muss also längst nicht immer stufenförmig verlaufen. Man muss heute im Gegenteil feststellen, dass sich viele Stufenkonzepte, die bisher postuliert wurden, empirisch nicht besonders gut bewährt haben. Bei der stufenförmig konzipierten Entwicklung der moralischen Argumentation fand man zum Beispiel Jugendliche, die im Verlauf der Zeit „Rückschritte“ machten (also im Zeitvergleich auf einer tieferen Stufe argumentierten), was streng genommen in einer Stufentheorie nicht vorkommen sollte (Smetana/Turiel 2006).

      kulturelle Variabilität

      Schließlich geht man heute auch davon aus, dass die individuelle Entwicklung nicht nur vom individuellen Kontext, also Familie, Freunde, Arbeitsplatz etc. (Bronfenbrenner 1981), sondern insgesamt von der Kultur beeinflusst wird (Markus/Kitayama 1991; Shweder et al. 2006). Als nützlich hat sich in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen proximalen (nahen) und distalen (weiter entfernten, indirekten) Faktoren erwiesen.

       Definition

      Die proximalen Faktoren, z.B. die Fürsorge und Wärme der Eltern, wirken direkt auf die Entwicklung des Kindes ein (Ainsworth et al. 1978).

      Distale Faktoren, wie z.B. Überzeugungen und Gesetze in einer Kultur zur Körperstrafe (Gershoff 2002), wirken indirekt, z.B. vermittelt über Geschwister, Lehrpersonen, Eltern.

      Während der Einfluss der Kultur in Bereichen wie der Kommunikation oder der Familienentwicklung offensichtlich ist, hat sich die Erkenntnis, dass auch Kognition, Emotion und Motivation kulturellen Einflüssen unterworfen sind, bis heute viel weniger durchgesetzt. Alle modernen Entwicklungstheorien können einer der beiden großen Theoriefamilien zugeteilt werden (Montada 2008):

      images Selbstgestaltungstheorien betrachten den Menschen als Produzenten seiner eigenen Entwicklung. Dieser Gruppe sind die strukturgenetischen Theorien von Piaget, Kohlberg, Fischer und Case zuzuordnen (vgl. Flammer 2008). Das Individuum entwickelt sich aufgrund eines selbstgesteuerten Konstruktionsprozesses. Der Umwelt kommt hierbei keine oder nur eine geringe Steuerungsfunktion zu, auch wenn sie dem jeweiligen Entwicklungsstand mehr oder weniger angemessene Anregungen liefert, die vom Individuum aber erst aufgegriffen und verwertet werden müssen.

      images Die interaktionistischen Theorien, die heute dominieren, konzeptualisieren sowohl die Umwelt als auch das Subjekt als aktiv-gestaltend. Mensch und Umwelt werden hierbei als Teilsysteme betrachtet, die im Austausch stehen und sich gegenseitig beeinflussen. In diese Gruppe gehören u. a. das ökologische (Bronfenbrenner 1981) und das systemtheoretische Modell der Entwicklung (Thelen/Smith 2006) sowie die Lebenslaufperspektive (Elder/Shanahan 2006) und die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne (Baltes et al. 2006). Man kann sicher auch die im Kapitel 3 (Frühe Kindheit) erläuterte Bindungstheorie und die Familienentwicklungstheorien (→ Kap.

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