Entwicklungspsychologie. Werner Wicki

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Entwicklungspsychologie - Werner Wicki utb basics

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zwei interaktionistische Theorien gehe ich im Folgenden noch etwas näher ein (→ Kap. 2.1.2f).

      2.1.2 | Ökologische Entwicklungstheorie

      Die Interaktion zwischen Menschen ist in vielerlei Hinsicht das zentrale Element jeder psychischen Entwicklung.

       Definition

      Für Bronfenbrenner (1981) besteht eine Dyade darin, dass „zwei Personen einander bei ihren Aktivitäten beobachten oder die eine sich an denen der andern beteiligt“.

      Bronfenbrenner unterscheidet nach ihrem Potenzial, die Entwicklung zu fördern, drei verschiedene Dyadenformen:

      (1) Beobachtungsdyaden,

      (2) Dyaden gemeinsamer Tätigkeit und

      (3) Primärdyaden.

      Primärdyaden sind ebenfalls Dyaden gemeinsamer Tätigkeit. Sie sind jedoch zeitlich überdauernder und bestehen auch bei vorübergehender Trennung weiter.

      Nach dieser Definition sind Arbeitsbeziehungen und Lehrer-Schüler-Beziehungen Dyaden gemeinsamer Tätigkeit, während z.B. Freundschaften und Familienbeziehungen Primärdyaden sind.

      Mikrosysteme

      Die individuelle Entwicklung wird nach dieser Theorie durch längerfristige und verbindliche Tätigkeiten und soziale Interaktionen in auf Dauer angelegten sozialen Gruppen (Familie, Schule, Krippe, Betrieb) ermöglicht und vorangetrieben. Solche Gruppen werden als Mikrosysteme bezeichnet (Bronfenbrenner 1981).

      Mesosysteme und Exosysteme

      Nach Bronfenbrenner (z.B. 1990) sind nun die Veränderungen der Entwicklungskontexte einer Person für die Entwicklung (Ontogenese) besonders bedeutsam. Diese bestehen einerseits in Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikrosysteme (z.B. Geburt eines Kindes), andererseits in der Erschließung neuer Mikrosysteme (z.B. Schuleintritt) und in der Verbindung bisher unverbundener Mikrosysteme, an denen ein Individuum beteiligt ist.

      Beziehung zwischen Mikrosystemen, an denen eine Person direkt beteiligt ist (z.B. aus der Perspektive des in der Kinderkrippe betreuten Kindes: die Beziehung zwischen Krippe und Familie), bezeichnet Bronfenbrenner als Mesosystem. Die Beziehung zwischen (zwei) Systemen, an denen eine Person nur teilweise beteiligt ist, nannte er Exosystem.

      Diese Unterscheidung ist bedeutsam: Während z.B. ein Vater an einem System (Familie) beteiligt ist, ist er ggf. vom anderen System, an dem ein anderes Mitglied seines Mikrosystems teilnimmt, z.B. von der Kinderkrippe, ausgeschlossen. Durch vermehrten Kontakt mit der Kinderkrippe, d.h. mit dem Aufbau einer mesosystemischen Beziehung, könnte er die Entwicklungsanregungen der Krippe nachvollziehen und diese in seinem Spiel mit dem Kind berücksichtigen. Die „Umwandlung“ exosystemischer in mesosystemische Beziehungen ist somit nach dieser Theorie für die kindliche Entwicklung ausgesprochen relevant.

      2.1.3 | Dynamische Systemtheorie

      Die dynamische Systemtheorie versteht Entwicklung als multipel determiniert (d.h., eine Veränderung hat gleichzeitig mehrere Ursachen) und dynamisch (im Sinne von kontinuierlich konstruiert) in Raum und Zeit (Thelen/Smith 2006). Die Determinanten (Bestimmungsfaktoren) der Entwicklung sind dabei nicht nur im Individuum (z.B. auf genetischer, physiologischer, perzeptiver, kognitiver, emotionaler und motivationaler Ebene) zu suchen, sondern genauso auf der Ebene seiner sozialen und physikalischen Umwelt.

      Bestimmte motorische Leistungen (Gehen, Greifen) sind beispielsweise gleichzeitig von der Wahrnehmung, der Muskelentwicklung, dem Körpergewicht und den äußeren (Test-)Bedingungen abhängig. Gerade weil diese einzelnen Bereiche (Subsysteme) miteinander in Wechselwirkung stehen, ist eine systemtheoretische Betrachtung der Entwicklung unumgänglich.

      Der Mensch wird in seiner Entwicklung als ein sich selbst organisierendes, offenes und nicht lineares System betrachtet. Es gibt keinen vorgefertigten Plan, der die Entwicklung steuern würde, und es gibt kaum monokausale Erklärungen für das Ergebnis einer Entwicklung (Thelen/Smith 2006).

      kollektive Variablen

      Zentraler Bestandteil der Theorie sind die sogenannten kollektiven Variablen, deren Veränderungen über die Zeit beobachtet werden (z.B. Wortschatzerwerb, visuell gesteuertes Greifen).

      Attraktoren

      Die Aufgabe der Entwicklungspsychologie besteht sodann darin, die bevorzugten Zustände (Attraktoren) der kollektiven Variablen sowie die dynamischen Übergänge von einem Attraktor zum nächsten (z.B. den Übergang vom Kriechen zum Gehen) auf verschiedenen Ebenen genau zu beschreiben.

      Kontrollparameter

      Die Veränderungen in kollektiven Variablen werden durch bestimmte Bedingungen, sogenannte Kontrollparameter, beeinflusst. Es ist somit entscheidend, die innerhalb oder außerhalb des Organismus liegenden Kontrollparameter der beschriebenen Veränderungen zu finden. Das ist keineswegs einfach, aber ist es einmal gelungen, kann der Parameter experimentell eingesetzt werden.

       Studie

      In einer Studie mit 9 Monate alten Kindern bestand die kollektive Variable in der Fähigkeit, bei durchsichtigen Behältern die Öffnung zu suchen und durch diese zu greifen (Thelen/Smith 2006). Das kann ein Kind dieses Alters normalerweise nicht, d. h., es versucht direkt zuzugreifen.

      Man hat nun den Kindern durchsichtige Behälter zum Spielen gegeben. Dadurch wurden sie mit dem Problem vertraut, dass sie den darin sichtbaren Inhalt nur durch die Öffnung des Behälters – also meist trotz direkten Sichtkontakts – nicht direkt, sondern seitlich oder von oben ergreifen konnten. Der Kontrollparameter war in dieser Studie die Übung des Kindes mit den speziellen durchsichtigen Behältern.

      stabile vs. labile Zustände

      Veränderungen können insbesondere in der frühen Kindheit in sehr kurzen Abständen erfolgen. Longitudinalstudien (→ Kap. 2.2) müssen deshalb innerhalb kurzer Zeit viele Messungen beinhalten, um die Veränderungsreihe adäquat zu beschreiben.

      In der Adoleszenz und später laufen Veränderungen häufig nicht mehr so schnell ab, die Messungen können deshalb auch in größeren Abständen erfolgen. Sneed und Kollegen (2007) untersuchten beispielsweise die Übernahme der Erwachsenenrolle in bestimmten Lebensbereichen (Finanzielles, Wohnen, Liebesbeziehung) bezogen auf den retrospektiv erhobenen Zeitraum vom 17. bis 27. Lebensjahr und stellten systematische Wechselwirkungen zwischen den Bereichen fest.

      Die dynamische Systemtheorie ist eine hervorragende entwicklungspsychologische Rahmentheorie, die jedoch spezifische Theorien, etwa im Bereich der kognitiven oder der emotionalen Entwicklung, nicht überflüssig macht.

      2.1.4 | Anlage und Umwelt

      Wenngleich die Anlage-Umweltkontroverse heute beigelegt und aus systemtheoretischer Sicht auch obsolet ist, so sind diesbezüglich dennoch einige Bemerkungen im Rahmen dieses Kurzlehrbuchs sinnvoll:

      images Der genetische

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