Entwicklungspsychologie. Werner Wicki

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Entwicklungspsychologie - Werner Wicki utb basics

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Aktivität der Gene in den Zellen, die mit der von ihnen angeregten Proteinsynthese sowie mit komplexen biochemischen Prozessen innerhalb und außerhalb der Zelle und einer Reihe weiterer (z.B. neuronaler) Prozesse interagieren (Johnston/Edwards 2002, → Abbildung 2.1). Über einige Umwege hat das Verhalten des Individuums selbst einen Einfluss auf die Genaktivität (Johnston/Edwards 2002). Das bedeutet, dass Gene und Verhalten in einer letztlich nicht auflösbaren Wechselwirkung miteinander verbunden sind.

      images Die meisten psychischen Eigenschaften werden nicht durch einzelne, sondern durch mehrere Gene beeinflusst, im Gegensatz zu einigen Krankheiten für deren Entstehung ein einziges Gen verantwortlich ist. Bei der Phenylketonurie beispielsweise fällt wegen eines defekten Gens die Produktion eines Enzyms aus, das wiederum ein Eiweiß (Phenylalin) umwandeln sollte.

      images Bei einer Reihe von Krankheiten nimmt man heute eine multigenetische Vererbung an (z.B. bei diversen Organtumoren, Schizophrenien). Wenn in der eigenen Verwandtschaft solche Krankheiten vorkommen, besteht ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Ob ein Individuum von der Krankheit betroffen ist, hängt aber von zusätzlichen Faktoren, etwa den Ernährungsgewohnheiten oder den Stressbelastungen, ab.

      images Auch Persönlichkeitseigenschaften und geistige Fähigkeiten (z.B. Intelligenz) sind multi- oder polygenetisch beeinflusst. Um bei solchen Merkmalen entscheiden zu können, wie hoch Anlage- und Umwelteinflüsse sind, wurden spezielle populationsgenetische Datenerhebungs- und Analysemethoden eingesetzt (insbesondere Zwillingsstudien), die hier nicht näher erläutert werden.

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      Anlage-Umwelt-Kovariation

      Die Erblichkeit (der Einfluss der Gene) steigt im Verlauf der Entwicklung (Plomin 1986). Getrennt aufwachsende Geschwister und eineiige Zwillinge werden sich im Verlauf von Kindheit, Jugend- und Erwachsenenalter ähnlicher. Auch Adoptivkinder gleichen sich mit zunehmendem Alter ihren biologischen Eltern an.

      Intuitiv würde man wohl das Gegenteil annehmen, dass Umwelteinflüsse im Verlauf des Lebens immer wichtiger und stärker werden und die Anlage beim Neugeborenen und in der frühen Kindheit am stärksten zum Ausdruck kommt. Um diese Befunde zu erklären, ist ein Modell notwendig, das sowohl Anlage- als auch Umwelteinflüsse gleichzeitig einbezieht. Es sei hier der Erklärungsansatz von Plomin (1986) vorgestellt, der drei Anlage-Umwelt-Kovariationstypen beschreibt:

      images In der Ontogenese am frühesten zu beobachten ist die passive Anlage-Umwelt-Kovariation. Das Kind trifft auf eine Umwelt, die ihm (seinem Genotyp) mehr oder weniger entspricht. Entspricht sie ihm, so ist die Kovariation gegeben, sonst nicht. Das Kleinkind kann sich dem Angebot noch kaum entziehen und die Angebote noch nicht selber gestalten.

      images Die evokative Anlage-Umwelt-Kovariation liegt vor, wenn das Kind aufgrund seiner (genetisch mitbedingten) Eigenart gewisse Angebote auslöst. Das sportliche, bewegliche Kind erhält zum Beispiel Sportgeräte, das technisch begabte Kind einen Werkzeugkasten etc.

      images Die aktive Anlage-Umwelt-Kovariation besteht darin, dass das Kind und der Jugendliche selber Tätigkeiten, Objekte etc. auswählt, die seinem Genotyp entsprechen.

      2.2 | Methoden

      Die entwicklungspsychologischen Forschungsmethoden unterscheiden sich nicht grundsätzlich vom Methodeninventar anderer psychologischer Disziplinen. Da die Veränderungen in Zeit und Raum im Zentrum stehen, sind besonders solche Designs und Methoden gefragt, die Veränderungen abbilden können.

      Querschnitt vs. Längsschnitt

      Während bei einem Querschnittdesign Personen verschiedenen Alters zu einem Zeitpunkt untersucht werden, besteht das Längsschnittdesign darin, gleichaltrige Personen zu mehreren Zeitpunkten zu untersuchen.

      Querschnitte sind deutlich weniger aufwändig als Längsschnitte, können aber zu Fehlschlüssen führen, weil die Zeiteffekte (Altersunterschiede) sowohl auf Kohortenunterschiede (also z.B. Unterschiede zwischen den 1980 und den 1990 geborenen Personen) als auch auf (echte) Altersunterschiede zurückgeführt werden können.

      Querschnitte geben auch keine Auskunft über die Veränderungsprozesse. Die Interpretation von Längsschnitten ist allerdings auch nicht eindeutig, weil hier als mögliche Ursachen der Veränderungen neben dem Alterseffekt auch ein Zeitepocheneffekt in Frage kommt (vor allem bei Studien über größere Zeiträume hinweg). Empfehlenswert ist deshalb eine Kombination eines Querschnitt- und Längsschnittdesigns, bei der jeweils unterschiedliche Altersgruppen längsschnittlich untersucht werden.

      Methoden der Datenerhebung

      Die Entwicklungspsychologie bedient sich je nach Fragestellung ganz unterschiedlicher Untersuchungsmethoden. Im Rahmen experimenteller Studien mit Säuglingen und Kleinkindern werden häufig Verfahren eingesetzt, die Beobachtungsdaten generieren.

      Aufmerksamkeit als Indikator

      Das häufig eingesetzte Habituations-Dishabituations-Paradigma nutzt die Gewöhnung des Säuglings an bestimmte mehrfach präsentierte Reize (z.B. einen Klingelton). Nachdem sich der Säugling an den Reiz gewöhnt hat, was aus seiner abnehmenden Aufmerksamkeitszuwendung gegenüber dem Reiz erkennbar ist, wird der Klingelton variiert (z.B. höhere Frequenz). Reagiert der Säugling wieder mit mehr Aufmerksamkeit, geht man davon aus, dass er den Unterschied bemerkt hat.

      Der erneute Anstieg der Aufmerksamkeit des Säuglings wird also innerhalb einer Experimentalreihe als Indikator dafür genommen, dass der Säugling bei einem bestimmten Reiz einen Unterschied zum vorangehenden festgestellt hat (vgl. kritisch dazu Haith 1998). Genau dieser Mechanismus wird in vielen Experimenten ausgenutzt.

      weitere Methoden

      Neben der Verhaltensbeobachtung im Labor und im natürlichen Setting werden diverse weitere Methoden eingesetzt, darunter Tagebücher (z.B. geführt durch die Eltern), Interviews und ab dem Schulalter auch Fragebögen, Analyse von Zeichnungen etc.

      Literatur

      Flammer, A. (2008). Entwicklungstheorien. Psychologische Theorien der menschlichen Entwicklung (4. Aufl.). Bern: Huber.

       Übungsaufgaben

      1 Die Entwicklungspsychologie ist im Vergleich zu anderen Disziplinen mit besonderen Problemstellungen konfrontiert. Worin bestehen diese und wie geht die moderne Entwicklungspsychologie damit um?

      2 Worin besteht der Unterschied zwischen Meso- und Exosystem nach Bronfenbrenner?

      3 Bedeutet die Skepsis der Systemtheorie gegenüber monokausalen Erklärungen, dass nach diesem Ansatz keine Experimente möglich sind? Begründen Sie Ihre Antwort.

      4 Wann ist es sinnvoll, auf eine Längsschnittstudie zu verzichten

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