Klimatologie. Stefan Brönnimann
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Das Klima Mitteleuropas schwankte zwischen «Schneeballerde» und tropischem Klima
Die wichtigsten Phasen des globalen Klimas sind in → Abb. 1-3 zusammengefasst. Nach der Entstehung der Erde und der Bildung des Mondes entstand vor 4–4.5 Milliarden Jahren eine treibhausgasreiche Atmosphäre, welche trotz der damals noch schwachen Sonne flüssiges Wasser erlaubte (vgl. → Abb. 2-1, → Kap. 2.1). In ihrer Geschichte durchlief die Erde aber immer wieder kühlere und wärmere Phasen. Es kam möglicherweise sogar zu einer oder mehreren Vereisungen fast des gesamten Erdballs («Schneeballerde», vor 650 Millionen Jahren). Während eines großen Teils der Erdgeschichte war das Klima hingegen wärmer als heute; Eis ist auf der Erde daher keine Selbstverständlichkeit. Im heutigen Europa herrschte über größere Zeiträume der letzten 250 Millionen Jahre tropisches Klima.
Seit 2 Millionen Jahren befinden wir uns im Eiszeitalter
Im Anthropozän (seit ca. 1850) ist der Mensch der dominierende Naturfaktor
Seit ca. 2 Millionen Jahren befindet sich die Erde in einer Eiszeitphase. Die Eiszeiten wurden dabei immer wieder durch kurze Warmzeiten (Interglaziale) unterbrochen; in einer solchen befinden wir uns jetzt. → Kap. 10 geht näher auf die Klimageschichte der letzten 100 000 Jahre ein und zeigt, dass es immer wieder wärmere und kältere Phasen gab. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen der Erwärmung der letzten 150 Jahre und früheren Warmphasen: Während frühere Warmphasen natürlichen Ursprungs waren, ist heute der Mensch zum dominierenden Klimafaktor geworden. Man spricht deshalb – in Analogie zu den erdgeschichtlichen Epochenbegriffen – oft vom Anthropozän (anthropos = der aufgerichtete Mensch). Das Anthropozän, das ungefähr um 1850 begann, ist die Ära, in welcher der Mensch die wichtigste treibende Kraft naturräumlicher Veränderungen ist.
Die Entwicklung des Erdklimas ist aber damit noch nicht zu Ende. Der Mensch wird auch in absehbarer Zukunft die treibende Kraft im Klimasystem bleiben (vgl. → Kap. 10). In einer ganz fernen Zukunft, in Milliarden von Jahren, wird die Erde hingegen durch die zunehmende Leuchtkraft der Sonne zu heiß werden für heutige Lebensformen. Gemäß Modellrechnungen wird die Erde aber bereits wesentlich früher, in 500–800 Millionen Jahren, zu einem unbewohnbaren Planeten werden, wenn durch die zunehmende Sonnenstrahlung die Ozeane verdampfen. Der Treibhauseffekt wird dadurch verstärkt, und der Kohlenstoffkreislauf kommt zum Erliegen. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass auch weitere Faktoren, beispielsweise Asteroideneinschläge, den Entwicklungspfad des Lebens auf der Erde beeinflussen können.
Abb. 1-3 |Entwicklung des Klimas auf der Erde (nichtlineare Skala). Blaue Balken zeigen Vereisungen (Quelle: ZAMG).
1.2 | Definitionen und Skalen
Im vorangehenden Unterkapitel wurde das Erdklima in groben Zügen charakterisiert. Aber was ist Klima? Können wir Klima definieren? Obschon sich alle unter alltäglichen Sätzen wie «Das Klima hat sich in den letzten 30 Jahren verändert» oder «Diese Insel verfügt über ein außerordentlich mildes Klima» etwas vorstellen können, ist eine wissenschaftliche Definition nicht einfach.
Wetter als Zustand der Atmosphäre
Betrachten wir zuerst den Begriff Wetter. Eine objektive Definition für Wetter könnte lauten:
«Wetter ist der physikalische Zustand der Atmosphäre zu einem gewissen Zeitpunkt an einem gewissen Ort.»
Wetter als Vorgänge in der Atmosphäre
Der physikalische Zustand lässt sich durch Temperatur, Niederschlag, Wind, Bewölkung, Luftdruck und weitere Größen beschreiben (vgl. → Box 4.1 und → Tab. 9-1). Es ließe sich streiten, ob nicht auch chemische Eigenschaften dazugehören. Doch ergibt es Sinn, «Wetter» als Zustand zu definieren? Es ändert sich ja ständig. Eine andere Möglichkeit zur Definition von «Wetter» ist, genau diese Veränderungsvorgänge anzusprechen: Wetter kann also als Vorgang der Veränderung des atmosphärischen Zustands verstanden werden. Denn würde sich die Atmosphäre nicht verändern, würde uns «Wetter» auch nicht interessieren. Wenn wir aber Wetter als Veränderung der Atmosphäre auffassen, brauchen wir eine Referenz, etwas, womit wir das Wetter von heute vergleichen können. «Klima» liefert genau dies:
Statistische Klimadefinition: Klima als Referenz für Wetter
«Klima ist die Summe der meteorologischen Zustände, inklusive Temperatur, Niederschlag und Wind, welche typischerweise in einer bestimmten Region vorherrschen.»
(nach www.thefreedictionary.com).
«Klima im engeren Sinn ist üblicherweise definiert als durchschnittliches Wetter, oder genauer als die statistische Beschreibung durch Mittelwert und Variabilität der relevanten Größen über eine Zeitperiode»
(nach Weltorganisation für Meteorologie, WMO).
Dabei gilt eine Länge von 30 Jahren als Standard-Zeitperiode. Diese Definitionen lassen sich nicht mehr nur aus der Natur ableiten. Was ist gemeint mit «typischerweise»? Warum gerade 30 Jahre? «Klima» entspringt dem Bedürfnis des Menschen, das Wetter einzuordnen und den Einfluss der Atmosphäre auf Mensch und Umwelt zu verstehen. Jede Klimadefinition ist deshalb auch ein Abbild unserer intuitiven Vorstellung von «Klima». Einige Autoren versuchen deshalb, Klima im Sinn von Prozessen zu definieren:
Klima als langsame Vorgänge in Ozean und Atmosphäre
«Klima beinhaltet die langsam variierenden Aspekte des Atmosphären-Hydrosphären-Land-Systems.» (American Meteorological Society).
Wie bei der Wetterdefinition gibt es also zwei Definitionsmöglichkeiten: Klima als mittlerer Zustand und Klima als systematische Veränderung des Zustands.
Vor einiger Zeit hat der berühmte Meteorologe und Begründer der Chaostheorie Edward Lorenz (vgl. → Kap. 5 und 9) eine leicht humoristische Definition von Wetter und Klima geliefert, welche aber den Kern trifft:
«Climate is what you expect, weather is what you get.»
Klima ist, was man erwartet (ansprechend auf den statistischen Begriff des «Erwartungswerts», vgl. → Box 9.1), Wetter ist, was man kriegt.
Klimadefinitionen spiegeln die Herangehensweisen der Klimatologie
Die unterschiedlichen Definitionen mögen für die Praxis irrelevant sein. Sie drücken aber auch die verschiedenen wissenschaftlichen Herangehensweisen an das Phänomen Klima aus. Die empirische oder statistische Herangehensweise sucht nach Zusammenhängen in Messreihen, die prozessorientierte Sichtweise nach Mechanismen. Es braucht aber beide Sichtweisen. Statistische Zusammenhänge verlangen nach einer Erklärung der Prozesse. Umgekehrt verlangen prozessorientierte Hypothesen nach empirischer Bestätigung. Klimatologie ist damit gleichzeitig eine beschreibende Wissenschaft, welche die Werkzeuge der Statistik nutzt, und eine erklärende Wissenschaft, welche die ablaufenden