Nachhaltigkeit interdisziplinär. Группа авторов

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Nachhaltigkeit interdisziplinär - Группа авторов

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       Ursula Kluwick/Evi Zemanek

      ‚Nachhaltigkeit‘ hat sich zu einem höchst beliebten gesellschaftlichen Leitkonzept entwickelt. Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit sind omnipräsent: in Politik und Wirtschaft, Raum- und Stadtplanung, Landwirtschaft und Tourismus, bei Fragen der Ernährung und des Konsums – in all diesen und vielen weiteren Kernbereichen ist Nachhaltigkeit zu einem der zentralsten Desiderate des 21. Jahrhunderts avanciert. Verschiedenste Akteure, politische Organisationen, Unternehmen und Universitäten haben Positionspapiere zur Nachhaltigkeit vorgelegt, deren Vergleich jedoch ein breites Spektrum an teilweise widersprüchlichen Begriffsdeutungen offenbart, das auch in der massenmedialen Popularisierung von Nachhaltigkeitsdebatten zutage tritt. Die Klage über den inflationären Gebrauch des Nachhaltigkeitsbegriffs ist selbst schon inflationär. Oft scheitert die dringend notwendige Verständigung über soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Nachhaltigkeit in öffentlich-politischen ebenso wie wissenschaftlichen Kontexten an einer mangelnden wechselseitigen Kenntnis der unterschiedlichen Konzepte von Nachhaltigkeit. Diese wurzeln, so zeigt dieses Kompendium, in heterogenen, disziplinär geprägten Begriffs- und Konzeptgeschichten und resultieren in divergenten Praktiken von Nachhaltigkeit.

      Das vorliegende Kompendium soll eine disziplinenübergreifende Verständigungsgrundlage schaffen, deren Bedarf in der zunehmend multidisziplinären Nachhaltig-keitsforschung stets bekräftigt wird. Es bündelt erstmals Beiträge aus diversen geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen Disziplinen jenseits der auf akademischer Ebene diskursdominanten wirtschaftswissenschaftlichen Publikationen zu ‚nachhaltiger Entwicklung‘ und jenseits der zahlreichen populärwissenschaftlichen Anleitungen zu nachhaltigem Konsumverhalten. Stattdessen verschafft es insbesondere auch Ansätzen Aufmerksamkeit, welche die kulturelle Dimension von Nachhaltigkeit betonen. Es positioniert sich damit im neuen florierenden Feld der Environmental Humanities und verfolgt das Ziel, den darin vernetzten Disziplinen zu zeigen, mit welcher Methodik und in welchen Kernfragen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich und fruchtbar sein kann.

      Das Kompendium richtet sich an ein breites Publikum: an Studierende und Lehrende sämtlicher beteiligter Disziplinen, aber auch an Fachfremde und Akteure aus den Feldern nachhaltiger Praktiken. Ganz im Sinne eines übersichtlichen Kompendiums sind alle Kapitel nur mit der Disziplin überschrieben, aus deren Perspektive ‚Nachhaltigkeit‘ diskutiert wird. Die Kapitel folgen einer einheitlichen Struktur: Nach Ausführungen zur Entwicklung des jeweiligen Nachhaltigkeitskonzepts und zum disziplinären Forschungsstand skizzieren sie fachspezifische Praktiken, schildern Projekte und Fallbeispiele und diskutieren Probleme und Potenziale, bevor sie mit weiterführenden Literaturempfehlungen enden.

      Da die hier versammelte Vielfalt an Perspektiven aus unterschiedlichsten disziplinären Forschungskontexten insgesamt ein differenziertes Panorama ergibt, das gerade nicht auf disziplinübergreifende Gemeinplätze reduziert werden will, verzichtet diese Einleitung bewusst auf eine letztlich immer unvollständig bleibende Zusammenschau des Forschungsstands zur derzeit in alle Richtungen wuchernden Nachhaltigkeitsdebatte. Stattdessen lassen wir die Disziplinen selbst zu Wort kommen mit der ihnen entsprechenden Gewichtung der historisch und aktuell signifikantesten Denkansätze zum Thema. Jedes Kapitel verweist eigenständig auf die für die jeweilige disziplinäre Perspektive relevante Forschung. Dennoch gibt es natürlich gemeinsame Bezugspunkte, die den Dialog und die Zusammenarbeit der Disziplinen erleichtern: die wirkmächtigsten, meistdiskutierten Berichte und Resolutionen, die Nachhaltigkeit einfordern und definieren. Um unnötige Redundanzen innerhalb des Kompendiums zu vermeiden, sind drei Kapitel vorangestellt, die disziplinübergreifendes Basiswissen über die Nachhaltigkeitsdebatte vermitteln: Sowohl das Kapitel zur Wissensgeschichte (Tobias Schlechtriemen) als auch dasjenige zur Nachhaltigkeitskommunikation (Daniel Fischer) diskutieren die kanonischen Modelle und Metaphern für Nachhaltigkeit, ergänzt durch das Kapitel aus der Forstwirtschaft (Roderich von Detten), das auf die Wurzeln und die Weiterentwicklung des Konzepts in forstlichen Kontexten eingeht und dabei gerade auch Kritik am Begriff und der diesbezüglichen Debatte bedenkt.

      Um den Nachhaltigkeitsdiskurs wissens- und ideengeschichtlich zu erfassen, entwickelt Tobias Schlechtriemen ein Analysewerkzeug mit fünf Kriterien, die es erlauben, verschiedene Verständnisse von Nachhaltigkeit klarer zu konturieren und miteinander zu vergleichen. Er betrachtet (1) den Anlass oder die Motivation für die Entstehung des Textes, (2) die zu erhaltende Ressource, (3) die Bezugseinheit, auf die sich die Berechnung des zu Erhaltenden bezieht, (4) das nötige Wissen für entsprechende Berechnungen und (5) die Akteure und das institutionelle Setting. Mithilfe dieser Heuristik werden drei zentrale Schriften untersucht, auf die in der Nachhaltigkeitsdebatte immer wieder Bezug genommen wird: Hans Carl von Carlowitz’ Sylvicultura oeconomica, die als Bericht des Club of Rome bekannt gewordene, von Meadows et al. publizierte Schrift The Limits to Growth (dt.: Die Grenzen des Wachstums) und schließlich der sogenannte Brundtland-Report, den eine unabhängige UNO-Kommission unter dem Titel Our Common Future (dt.: Unsere gemeinsame Zukunft) vorgestellt hat. Der einheitliche Kriterienkatalog erlaubt dabei konkrete Rückschlüsse auf die (gesellschaftlichen, politischen, kulturellen etc.) Kontexte, in denen spezifische Verständnisse von Nachhaltigkeit geprägt wurden. Für Schlechtriemen bildet die Kenntnis derselben eine Grundvoraussetzung für die Diskussion über Nachhaltigkeit jenseits enger wirtschaftlicher Vorstellungen. Sein Beitrag zeigt damit eine Möglichkeit auf, den Weg für die Integration verschiedenster Ansätze zur Nachhaltigkeit zu ebnen, und er stellt einen konkreten Ansatz vor, um das Hauptanliegen dieses Kompendiums zu verwirklichen: die Erleichterung der Kommunikation über Nachhaltigkeit unter den verschiedensten disziplinären und gesellschaftsrelevanten Blickwinkeln.

      Wie aber werden Ideen von Nachhaltigkeit an ein größeres Publikum kommuniziert und popularisiert? Nachhaltigkeitskommunikation – verstanden als Teilgebiet der Nachhaltigkeitswissenschaft – spielt eine entscheidende Rolle für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit. Daniel Fischer stellt zunächst am Beispiel verschiedener Nachhaltigkeitsmodelle dar, auf welche verschiedenen Weisen die Idee der Nachhaltigkeit konkretisiert wurde, welche Kontroversen mit diesen Konkretisierungen verbunden sind und warum es der Kommunikation bedarf, um gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung zu bewirken. Um die Frage zu beantworten, wo, wie und was als Nachhaltigkeit kommuniziert wird, unterscheidet er verschiedene gesellschaftliche Bereiche (z. B. Politik, Bildung, Wirtschaft), verschiedene Intentionen (Kommunikation von, über und für Nachhaltigkeit) sowie inhaltliche Varianten (Nachhaltigkeit als Umweltschutz oder als humanitäre Aufgabe zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse). Eine exemplarische Medienanalyse, in der sowohl Umfang als auch die Art der Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs in deutschen Printmedien untersucht wurde, zeigt Veränderungen in der Nachhaltigkeitskommunikation zwischen 2001 und 2013. Der Beitrag schließt mit dem Plädoyer, die Idee der Nachhaltigkeit wieder stärker mit Diskussionen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu verknüpfen, um die Verständigung über Werte und Zukunftsfragen zu beflügeln.

      Zu erinnern ist an die Grundannahme dieses Kompendiums, dass konkurrierende Verständnisse von Nachhaltigkeit nicht nur disziplinär, sondern auch kulturell geprägt sind. Da im deutschsprachigen Raum dank Hans Carl von Carlowitz die ‚Erfindung‘ der Nachhaltigkeit als Konzept und Praxis der Forstwirtschaft zugeschrieben wird, darf ihre Perspektive auf die Diskursentwicklung nicht fehlen, zumal hier eine besonders intensive und kritische Auseinandersetzung mit Begriff und Konzept stattgefunden hat. Roderich von Dettens Bestandsaufnahme

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