Tourismus in Wirtschaft, Gesellschaft, Raum und Umwelt. Andreas Kagermeier

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Tourismus in Wirtschaft, Gesellschaft, Raum und Umwelt - Andreas Kagermeier

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sich allerdings ein Einpendeln bzw. eine Stagnation auf einem hohen Wohlstandsniveau ab. Gleichzeitig lassen sich Anzeichen für eine zunehmende innergesellschaftliche Polarisierung und teilweise Marginalisierung von Bevölkerungsteilen in prekären Lebenssituationen finden. Allerdings gilt nach wie vor, dass insgesamt gesehen, ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland und den übrigen Industrieländern über Einkommen verfügt, die deutlich über dem Subsistenzniveau liegen und damit Ausgaben für nicht lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen ermöglicht.

      Im Zusammenhang mit dem steigenden WohlstandsniveauWohlstandsniveau der Bevölkerung, aber auch der technischen Entwicklung steht die Verfügbarkeit von Transportmitteln. Neben der Eisenbahn als wichtigstes Transportmittel in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfuhr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das private Automobil eine weite Verbreitung, sodass heute in etwa auf 2 Einwohner rechnerisch 1 Pkw kommt (vgl. Abb. 15).

      Abb. 15:

      Entwicklung der Zahl der zugelassenen PKW in der Bundesrepublik Deutschland seit 1950 (Quelle: eigene Darstellung nach Daten Statistisches Bundesamt div. Jg.)

      In den letzten Jahren hat dann die technische Entwicklung im Flugzeugbau sowie seit den 1990er Jahren das Aufkommen von Low Cost CarriernLow Cost Carrier (vgl. Kap. 3.1.3) dazu geführt, dass dieser Verkehrsträger zunehmend an Bedeutung für Reisen gewonnen hat und sich damit auch die Reisereichweiten auf inzwischen 1.600 km pro Urlaubsreise signifikant erhöht haben (vgl. FUR 2014, S. 64).

      In den letzten Jahren hat auch die Verbreitung des Internets zu einer Erleichterung der Reisebuchung geführt und kann damit als weiterer Facilitator für die touristische Nachfrageentwicklung angesehen werden (vgl. Kap. 3.1.4).

      2.1.2 Nationale Nachfragekenngrößen

      In der Bundesrepublik Deutschland stellt – mangels vergleichbarer, offizieller statistischer Informationen – die inzwischen von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und ReisenForschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FURFUR) jährlich durchgeführte ReiseanalyseReiseanalyse (RA) eine der wichtigsten Quellen für die Fassung des Reiseverhaltens der Bundesbürger dar.

       Box 6 | Die Reiseanalyse Reiseanalyse (RA) der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR)

      Die Reiseanalyse der FUR stellt aktuell sicherlich eine der wichtigsten Quellen für die Fassung von nachfrageseitigen Informationen zum Reisen der Bundesbürger dar.

      Der zentrale Vorteil dieser ursprünglich vom Studienkreis für Tourismus in Starnberg durchgeführten Erhebung liegt darin, dass für manche Parameter Zeitreihen bereits seit 1954 vorhanden sind, und seit 1970 die Erhebung weitgehend nach dem gleichen Design durchgeführt werden, sodass viele Zeitreihen zumindest bis zu diesem Datum zurück reichen. Zusätzlich werden immer wieder ergänzende Aspekte (wie z. B. seit 2000 hinsichtlich der reisebezogenen Internetnutzung) in die Erhebung aufgenommen.

      Die RA basiert seit 1970 auf Face-to-Face-Befragungen (inzwischen auch ergänzt durch Online-Befragungen) an einer für die Wohnbevölkerung in Deutschland repräsentativen Zufallsstichprobe von 7.000 bis 8.000 Personen (ab 14 Jahre, deutschsprachig). Unabhängig von manchen methodischen Fragen, wie z. B. der Abgrenzung von „deutschsprachiger“ Wohnbevölkerung bietet sie, da Fragenthemen und -formulierungen weitgehend stabil geblieben sind, umfassende Analysemöglichkeiten.

      Die Erfassung der Reisetätigkeit des zurückliegenden Jahres wird jeweils im Januar/Februar des Folgejahres erhoben. Dabei wurden ursprünglich nur Urlaubsreisen mit mindestens 4 Übernachtungen (= 5 Reisetage) erfasst. Seit einigen Jahren werden darüber hinaus auch Kurzreisen unter 5 Tagen sowie Geschäftsreisen miterfasst.

      Auch wenn sich bei dieser retrospektiven Erfassung für ein ganzes Jahr möglicherweise – z. B. im Vergleich zu einer monatlichen oder quartalsweisen Erhebung – systematische Unterschätzungen der erinnerten und dann bei der Befragung genannten (Kurz‑)Reisen vermuten lassen, stellt die RA zwar eine sicherlich nicht 100-prozentig genaue, aber eben die beste vorhandene Quelle für die Analyse der Nachfrageseite dar.

      Reiseintensität

      Anhand der Ergebnisse der Reiseanalyse lässt sich die Zunahme der Reiseintensität (bezogen auf Urlaubsreisen von mindestens 5 Tagen) für die letzten 5 Jahrzehnte auf einer relativ einheitlichen Datenbasis nachzeichnen (vgl. Abb. 16). Hatten Mitte der 1950er Jahre erst ein Viertel der bundesrepublikanischen Bevölkerung eine Urlaubsreise unternommen, ist der Anteil inzwischen auf knapp 80 % angestiegen. Die positive Entwicklung der ReiseintensitätReiseintensität war dabei bis Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend kontinuierlich, auch wenn sich ökonomische Krisen bzw. wirtschaftlich weniger dynamische Phasen (wie z. B. Rezession des Jahres 1967, 1. Ölkrise 1974 als Folge des Jom-Kippur-Krieges in Israel, 2. Ölkrise 1979/1980 als Folge des ersten Golfkriegs zwischen dem Iran und dem Irak) in einem kurzfristigen Rückgang der Reiseintensität durchpausen.

      Seit Beginn des 21. Jahrhunderts zeichnet sich ein Einpendeln der UrlaubsreiseintensitätUrlaubsreiseintensität ab. Die These einer Sättigung und nicht einer extern bedingten Stagnation wird dadurch gestützt, dass auch in Volkswirtschaften mit einem höheren Wohlstandsniveau als in Deutschland (Skandinavien, Luxemburg, Schweiz) die Reiseintensität nicht merklich höher liegt. Auch wenn ein Teil der Bevölkerung aus ökonomischen Gründen keine Reisen unternimmt, gibt es immer einen Teil der Bevölkerung, der – sei es aus gesundheitlichen oder Altersgründen, sei es aus biographischen Motiven (Familiengründungsphase, Prüfungen, berufliches Engagement) bis hin zu Strafvollzugsmaßnahmen – in einem Jahr keine (längeren) Urlaubsreisen unternimmt. Die nach wie vor zunehmende Nachfrage nach Reisen resultiert damit in Deutschland nicht mehr aus einer Zunahme der Reiseintensität (sprich der reisenden Personen), sondern einer Zunahme von zweiten oder weiteren Urlaubsreisen, bzw. vor allem auch aus der Zunahme von Kurzurlaubsreisen.

      Abb. 16:

      Entwicklung der Reiseintensität in der Bundesrepublik Deutschland seit 1955 (Quelle: eigene Darstellung nach FUR div. Jahrgänge)

      Anteil Binnenreisen

      Nicht nur das Volumen der Reisen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, sondern auch die Reiseziele haben sich merklich verändert. In Abbildung 17 ist als ein Indikator für dieses Phänomen der Anteil der (längeren) Urlaubsreisen im Inland und ins Ausland dargestellt.

      Während – sowohl beeinflusst von den ökonomischen Möglichkeiten als auch dem technischen Stand und der Verbreitung von Verkehrsträgern – Mitte der 1950er Jahre noch vier von fünf Urlaubsreisen im InlandUrlaubsreisen im Inland stattfanden, ist dieser Anteil bis zur Jahrtausendwende auf etwa ein Drittel gesunken. Auch hier zeichnet sich inzwischen eine Stabilisierung ab. Allerdings ist dies wohl weniger als bei der Reiseintensität durch nachfrageinterne Faktoren (Präferenz von Deutschland als Reiseziel bei manchen Zielgruppen) bedingt. Vielmehr kann dieses Einpendeln einerseits als Hinweis darauf angesehen werden, dass spätestens seit den 1990er Jahren deutsche Destinationen mehr und mehr versuchen, sich professioneller und offensiver zu positionieren. Einnahmen aus dem Tourismus werden – insbesondere in ländlichen Gebieten mit wenigen anderen wirtschaftlichen Optionen – oftmals als Möglichkeit der Regionalentwicklung angesehen und dementsprechend auch ein aktives Destinationsmanagement betrieben. Gleichzeitig ermöglicht auch die Orientierung der Nachfrage auf andere Tourismusformen als den (stark auf ausländische Destinationen ausgerichteten) Badetourismus,

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