Naturphilosophie. Группа авторов

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der Erscheinungen ordnend zu beherrschen. Ebenso ist die Vorläufigkeit des Wissens unproblematisch und kein Argument gegen dessen Wirksamkeit, denn das Wissen schreite fort – allerdings nicht in einer linearen Kette der Akkumulation, sondern nach Art eines „Netzes“ von Beziehungen, die die größten und umfassendsten Geister der Menschheit miteinander verbinden. Der Inhalt des Wissens nimmt zu und die Form seiner Darstellung und Zusammenfassung ändert sich. Insbesondere die Darstellung der Wissenschaft ist geprägt durch den „naturphilosophischen Bestandteil“.

      5. Naturphilosophie als logisches Gewissen der Naturwissenschaft

      Dass sich eine solche Naturphilosophie in den Grenzen naturwissenschaftlichen Wissens immer weiter auf das von Siegel (1913) benannte Ziel zubewegt, nur noch logisches Gewissen der Naturwissenschaft und so Wissenschaftstheorie zu sein, belegt der Logische Empirismus. Aufschlussreich ist, dass hier überhaupt noch von ‚Naturphilosophie‘ die Rede ist. Hatte doch Rudolf Carnap (1891–1970) in Die Aufgabe der Wissenschaftslogik ([1934] 1992: 91f.) programmatisch erklärt, neben naturwissenschaftlichen Sätzen könne es keine eigenständigen naturphilosophischen Sätze mehr geben, und Hans Reichenbach (1891–1953) in Neue Wege der Naturphilosophie ([1931] 2000: 175) keinen Unterscheid zwischen Naturphilosophie und Naturwissenschaftsphilosophie mehr anerkannt. Diese neue Naturphilosophie proklamiert zwar den Verzicht „auf jede bewußte Anknüpfung an historische Vorgänger“, wird aber gerade in dieser abwehrenden Haltung als Erbe des ‚Kampfes‘ gegen die Naturphilosophie erkennbar. Die Naturphilosophie Reichenbachs soll dort an den Produkten des |62|Denkens ansetzen, wo sie am weitesten entwickelt sind, also an naturwissenschaftlichen Theorien. Sie ist explizit Erkenntnistheorie der Naturwissenschaften.

      Wie die Beziehungen von Naturphilosophie und Naturwissenschaft bei diesen Vorgaben aussehen, zeigt Moritz Schlicks (1882–1936) Philosophy of Nature (1949). Auch er fragt nach der Funktion von Naturphilosophie: Für manche besteht diese in der Synthese naturwissenschaftlichen Wissens. Naturphilosophie soll ein geschlossenes Bild der Natur vermitteln. Andere verstehen Naturphilosophie als epistemologische Rechtfertigung naturwissenschaftlichen Wissens. Nach Schlick aber sind beide Auffassungen falsch. Die Forderung nach systematischer Einheit ist nicht einlösbar, denn für sie müsste man einen höheren Standpunkt einnehmen, von dem aus die Deduktion einzelner Befunde erfolgte. Diese deduktive Forderung widerspricht den Vorgaben des Induktivismus; weder Naturwissenschaft noch Naturphilosophie können den gegenwärtigen Stand empirischen Wissens übersteigen. Auch die kritische Prüfung wissenschaftlicher Erkenntnis ist nicht Aufgabe der Naturphilosophie, denn diese übernimmt die Naturwissenschaft selbst. Welche Funktion kann Naturphilosophie dann noch haben? Für Schlick dient sie dazu, die „Bedeutung“ naturwissenschaftlicher Hypothesen zu klären. Damit hat allein die Naturwissenschaft eine Erklärungsfunktion für Natur, während die Philosophie auf Sinnfragen beschränkt ist. Sie hat lediglich interpretierende Aufgaben, die zudem ins zweite Glied rücken: Es geht nicht mehr wie noch bei Francis Bacon (1561–1626) um eine Interpretation von Natur, sondern lediglich um eine Interpretation naturwissenschaftlicher Interpretationen von Natur. Naturphilosophie ist keine exakte Wissenschaft, ihr Ansatz setzt eher auf Verstehen. Ihre Funktion ist es, die Bedeutung von systematischen Allaussagen über die Natur, also von Naturgesetzen, aufzudecken. Allein die Naturwissenschaft kann legitime Aussagen über Objekte der äußeren Erfahrung machen, nur sie über die Grenzen des Sprachuniversums hinausgreifen.

      6. Naturphilosophie als Optimierung der Naturwissenschaft

      Eine praktisch-methodische Variante dieser theoretisch-logischen Überlegung liefert Hugo Dingler (1881–1954) in seinen Grundlagen der Naturphilosophie (1913). Auch er setzt auf die Leitfunktion der exakten Naturwissenschaften; sie sind das Vorbild, an dem sich lebenspraktische Erkenntnis zu orientieren hat. Auch die auf dieser Basis konzipierte Naturphilosophie verbleibt in den Grenzen der Naturwissenschaft. In Dinglers Geschichte der Naturphilosophie (1932: 1) heißt es: „Vom streng systematischen Gesichtspunkt aus gibt es kein besonderes Gebiet, das als Naturphilosophie betrachtet werden müßte. Denn alle strengen philosophischen Aussagen müssen, ebenso wie alle strengen wissenschaftlichen Aussagen überhaupt, dem Gesamtsystem der rationalen Erkenntnisse angehören“. Dinglers Programm stimmt insofern mit dem Neopositivismus überein, als alle Erkenntnis schließlich auf Logik reduziert werden soll. Es weicht jedoch von der Methodologie der Neopositivisten insofern ab, als Naturphilosophie nicht mehr bloß Sprachphilosophie ist. Sie hat nun die Aufgabe, bestehende Praxen der Naturwissenschaften von zwei Standpunkten aus zu analysieren und zu |63|optimieren: In „allozentrischer“ Weise betrachtet sie die Naturwissenschaft aus einer Außenperspektive, wie diese ihren Gegenstand, um so die typischen Vollzüge exakter wissenschaftlicher Arbeit zu erfassen. In „egozentrischer“ Position wird eine Innenperspektive ergänzt, indem sich der Naturphilosoph die Frage stellt, wie er selbst vorginge, hätte er exakt zu arbeiten. Naturphilosophie ist so gleichermaßen erklärende Erkenntnistheorie wie Heuristik der Naturwissenschaften.

      Diese Optimierung erfordert eine intensive Wechselbeziehung: Die exakten Anteile der Naturwissenschaft dienen als Modell und Prüfstein des Optimierungsverfahrens. Die Naturphilosophie fungiert als Korrektiv und Motor des Entwicklungsprozesses. Diese zirkuläre Wechselbeziehung ist die treibende Kraft des Fortschritts der Wissenschaft vom experimentellen zum theoretischen Stadium. Aus einem anfänglichen Sammelsurium von Beobachtungen entsteht ein System wissenschaftlichen Wissens. Die Beseitigung nicht-logischer Anteile deutet Dingler in Analogie zur Evolution: In der Methode des blinden Versuchs werden bestimmte Fundamentalaussagen als Basis des Wissenssystems angenommen; sie müssen lediglich alle bekannten Beobachtungsdaten erklären können; über die Methode der Kritik erfolgt dann die Selektion mit dem Ziel, ein kohärentes Wissenssystem zu erzeugen.

      7. Naturphilosophie jenseits der Grenzen der Naturwissenschaft

      Der von Siegel (1913) benannte „metaphysische“ Strang der Naturphilosophie ist heute durch die vehemente Metaphysikkritik der Neopositivisten eher randständig, der Sache nach jedoch weiter präsent. Zwar gilt die Suche nach möglichst metaphysikarmen Ansätzen als Gütekriterium, jedoch könnte die ablehnende Haltung zur Metaphysik innerhalb der Wissenschaftsphilosophie, berücksichtigt man die Einsichten von Popper, Thomas S. Kuhn (1922–1996), Imre Lakatos (1922–1974) oder Paul Feyerabend (1924–1994), auch weniger kategorisch ausfallen. Zumal naturwissenschaftliche Programme in ihrem ‚harten Kern‘ selbst metaphysische Überzeugungen tragen. So überrascht es wenig, wenn der aus der Wissenschaftstheorie stammende Feyerabend (2009) selbst eine Naturphilosophie vorlegt. Zudem sind alle über den engeren wissenschaftsphilosophischen Rahmen hinausgehenden Ansprüche und Agenden – etwa Naturphilosophie solle die Einbindung der Wissenschaften in die Lebenswelt garantieren, sie leiste eine Reflexion über die Grenzen der Wissenschaft (Esfeld 2002: 127ff.) oder sie solle wissenschaftsphilosophische Reflexion mit kulturellen Aufgaben verbinden (Bartels 1996: 21) – kaum von einer Naturphilosophie zu erwarten, deren Ansatz, Methode und Möglichkeiten in den Grenzen der Naturwissenschaft verbleiben.

      Deshalb erlebt die metaphysische Naturphilosophie einen Aufschwung (Nagel 2012). Das zeigt auch die wachsende Aufmerksamkeit für das kulturphilosophische und anthropologische Programm der Naturphilosophie von Helmuth Plessner (1892–1985). Dessen Stufen des Organischen und der Mensch (1928) sind zwar wissenschaftsnah, kritisieren aber die methodologischen Auswirkungen des cartesianischen Dualismus als einseitige Methodenprogramme der mathematisch-mechanischen |64|Naturwissenschaft oder der introspektiv-hermeneutischen Geisteswissenschaft. Ergänzend zur kulturwissenschaftlichen Analyse fordert Plessner eine Ableitung des Menschen aus der Natur. Ziel ist es, die Daseinsweise der Lebendigkeit (→ II.10), die den Menschen mit den übrigen Lebewesen verbindet, zur Grundlage der Philosophischen Anthropologie (→ II.11) zu machen. Während die Naturwissenschaft Philosophie nur in Form von Logik oder Methodologie benötige, brauche die Geisteswissenschaft Naturphilosophie: „Ohne Philosophie des Menschen keine Theorie der menschlichen Lebenserfahrung in den Geisteswissenschaften. Ohne Philosophie der Natur keine Philosophie des Menschen“ (Plessner [1928] 2003: 63). Diese Naturphilosophie auf phänomenologischer

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