Tatort Nordsee. Sandra Dünschede

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Tatort Nordsee - Sandra Dünschede

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in der Dunkelheit und Nässe verschwunden waren, und gingen ins Haus zurück, die Tür hinter sich fest verschießend.

      »Wie war das noch? Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt«, sagte Wiard nach einiger Zeit des Schweigens.

      August fasste zusammen: »Ist doch alles Mist.« Er war froh, gleich nach Hause fahren zu können. Oft, aber selten mit solcher Heftigkeit, hatte er sich in den letzten Monaten so sehr nach Frau und Kindern, seiner warmen Küche und einer Tasse Tee mit Henrike gesehnt.

      Um 9 Uhr morgens des nächsten Tages glich der Deichabschnitt an der Ostkrümmung einer belagerten Festung. Polizeiwagen und andere Pkws parkten, wo gerade Platz war. Der große Auflauf hatte sich in Windeseile herumgesprochen, und plötzlich hatten einige Bewohner erstaunlich viel Zeit nachzuschauen, ob es etwas zu sehen oder zu hören gab am Deich, wo jemand versucht hatte, Lübbert Sieken umzubringen. Die Köpfe steckten zusammen, eine Variante jagte die andere, ein Gerücht hielt nicht lange vor, schon war das nächste in Umlauf.

      Die Polizei hatte das Gebiet großräumig abgesperrt, rot-weiße Plastikbänder gespannt, und einige Beamte waren ausschließlich damit beschäftigt, diejenigen, die versuchten, näher an das Geschehen heranzukommen, mit freundlichen, aber bestimmten Worten zurückzuweisen.

      August, Wiard und Lübbert waren privilegiert. Sie standen auf der Deichkrone, zusammen mit Ulfert Ulferts und Tanja Itzenga. Einige weitere Polizisten waren vor Ort. Ein paar hatten ihre Digitalkameras gezückt und knipsten fleißig Bilder, andere suchten scheinbar planmäßig die nähere Umgebung ab, Sonstige schauten nur hier und da herum. Manche waren wohl einfach wichtig, so schien es jedenfalls, ohne dass man feststellen konnte, warum sie eigentlich dort waren.

      »Und hier standen Sie, als der Schuss fiel?«, fragte Tanja Itzenga.

      »Ja«, antwortete Wiard, und auch August bestätigte: »Genau hier.«

      »Wo hielten Sie sich auf, Herr Sieken?«

      »Na, eben hier«, antwortete dieser. Seine Schulter war verbunden und sein Arm in ein Tragetuch eingewickelt, das um den Hals des Versehrten geschlungen worden war und dem Arm Halt gab.

      »Herr Sieken«, Tanja Itzenga wurde deutlicher, »das ist mir bekannt, wo, ganz genau, meine ich, und wohin haben Sie geschaut, in welche Richtung hatten Sie den Rücken gekehrt?«

      »Tja«, Lübbert dachte ein wenig nach, »also ich stand etwa zwei Meter von den beiden entfernt«, er ging ein Stückchen weiter, »ungefähr hier. Ich sah in die Richtung von Herrn Saathoff und Herrn Lüpkes, also von hier in Richtung Ost-Süd-Ost, so in etwa.« Er versuchte, sich so aufzustellen, wie er am Abend gestanden hatte, als der Schuss fiel. Er war erstaunt, dass er sich dessen nach so kurzer Zeit nicht mehr sicher war.

      »Nein, du warst etwas weiter von uns weg«, warf Wiard ein und machte drei, vier Schritte weiter als Lübbert.

      »Nein, wir haben uns schließlich unterhalten, bei dem Schietwedder hätten wir das nicht tun können, wenn ich hier hinten gestanden hätte.«

      »Ganz bestimmt«, bestand Wiard auf seine Version, »hier war es, hier bist du angeschossen worden. Allenfalls ein kleines Stück weiter noch …« Wiard machte ein, zwei Schritte und stand an einer etwas anderen Stelle als Sieken.

      »Klar, und wo ist das Megafon, das ich dann hätte benutzen müssen? Nein, Wiard, du irrst dich.«

      Tanja Itzenga schritt ein: »Also bitte, so kommen wir nicht weiter. Nichts gegen Sie, Herr Lüpkes, aber ich habe den Eindruck, der Betroffene selbst weiß am besten, wo er stand.«

      »Herr Sieken hat recht«, mischte sich August ein, »er stand genau hier.« August stand nun da, wo Lübbert eben gestanden hatte: »Hier ist er angeschossen worden, Wiard und ich standen etwa so dabei«, er drehte sich ein wenig, »und dann sackte Lübbert … Herr Sieken nach hinten weg.«

      »Das ist doch was«, meinte Tanja Itzenga kurz, während Wiard August einen scharfen Blick zuwarf. Itzenga ging zu zweien ihrer Kollegen, streifte dabei beinahe August. Der wollte, bedingt durch seinen biologischen Rhythmus, eigentlich gerade ausatmen. Nun aber sog er stattdessen noch etwas mehr Luft ein, die für einen Augenblick durchmischt war mit dem Duft des Parfums der Hauptkommissarin, dezent zwar, doch deutlich wahrnehmbar für Augusts Nase. Das erschien ihm besser als Kuhstallgeruch, viel besser.

      Itzenga besprach sich mit ihren Leuten. Kurze Zeit später gingen die Beamten langsam und aufmerksam nach links und rechts schauend in die Richtung, aus der nach den Angaben Lübberts der Schuss gekommen sein musste. Sie hatten den Bereich schon einmal abgeschritten, doch nun mussten sie es erneut, noch sorgfältiger, keinen Quadratmillimeter auslassend und den Radius ihrer Suche erweiternd. Irgendwo eine Patronenhülse, ein verlorenes Taschentuch, ein Fußabdruck – es musste doch Hinweise geben. Sturm und Regen hatten ganze Arbeit geleistet.

      Hauptkommissarin Itzenga sprach längere Zeit mit ihrem Kollegen Ulferts, der von Zeit zu Zeit stark gestikulierte, hierhin und dorthin zeigte und den Eindruck machte, als vertrete er eine andere Meinung als seine Chefin. Eine Polizistin, die eben mit Kollegen in Schussrichtung abgerückt war, kam unvermittelt schnellen Schrittes zurück. Sie hatte Handschuhe an, was Routine war, denn bei den nächtlichen Wetterbedingungen war es mehr als wahrscheinlich, dass Spuren jedweder Art verwischt worden waren.

      »Ich habe hier etwas Interessantes«, sagte sie zu Tanja Itzenga, und die beiden entfernten sich ein wenig von den anderen, um ungestört reden und sich das ›Etwas‹ ansehen zu können. Ulfert Ulferts gesellte sich zu ihnen, und die drei machten plötzlich einen wesentlich zufriedeneren Eindruck. Dann kam Ulferts zurück zu Wiard, August und Lübbert. Sie hatten das Treiben, ohne recht eingebunden zu sein, schweigend mit angesehen.

      »Unsere Kollegin hier hat zwei Patronenhülsen gefunden, ganz neu, zwar reichlich nass, aber die könnten gestern verloren gegangen sein, oder sie sind vergessen bzw. achtlos weggeworfen worden, wie Jäger das wohl mal machen.«

      »Jäger gibt es hier ja schon ab und zu. Wenn es aber der Schütze war? Das ist vielleicht ein Anhaltspunkt, oder?«, kommentierte Wiard, der meinte, etwas sagen zu müssen, weil Ulferts offenbar eine Antwort erwartete.

      »Hat einer von Ihnen ein Gewehr?«

      »Also ich nicht«, beeilte sich Wiard zu betonen. »Schießen ist nicht so mein Ding.«

      »Ich auch nicht. Kein Interesse. Beim Bund musste ich schießen, und seitdem habe ich die Nase voll davon. Ich habe zwar einen Jagdschein, war aber in meinem Leben vielleicht zwei-, dreimal auf Jagd. Keine Zeit und, wie gesagt, eigentlich gar kein Interesse«, pflichtete August bei.

      »Wieso fragen Sie uns?«, wollte Lübbert wissen. »Meinen Sie, meine Freunde hier wollten mich erschießen?«

      »Sie haben doch sicher schon ›Tatort‹ oder ›Polizeiruf 110‹ gesehen – Kommissare müssen allen Spuren nachgehen.« Die Hauptkommissarin war inzwischen zu ihnen getreten und sah die drei Männer mit durchdringendem Blick an.

      »Prima Theorie und gute Schlagzeile: ›Polderbewohner erschießen Nachbarn‹. Ich kenne eine Zeitung, die könnte das ruckzuck ganz groß aufmachen«, meinte Lübbert, beinahe etwas erbost. August wurde indessen blass. Mordverdächtig?

      »Und wie hätte das funktionieren sollen? Schließlich standen wir alle drei hier nebeneinander«, warf er ein.

      »Wer sagt denn, dass die Version, die Sie mir erzählt haben, so auch stimmt?« Itzenga

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