Magisches Dufträuchern. Sabine Eilmsteiner
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DAS RIECHEN
UND WAS DABEI IM KOPF GESCHIEHT
Der Riechsinn ist einer der ältesten Sinne – unsere „modernen“ Gehirne haben sich aus dem ursprünglichen Riechhirn entwickelt. Die Umwelt mit der Nase wahrnehmen zu können, war in längst vergangenen Zeiten überlebenswichtig und kann uns auch jetzt noch vor verdorbenen Lebensmitteln schützen. Leider verkümmert diese Fähigkeit in unserer modernen Welt mit ihrer Reizüberflutung immer mehr. Trotzdem ist dieser besondere Sinn im Unterbewussten ständig am Arbeiten und beeinflusst, angefangen von der Partnerwahl bis hin zu unserem Wohlbefinden oder Unwohlsein, oftmals in Sekundenbruchteilen unser Leben.
Wir besitzen in unserer Nase 20 bis 30 Millionen Riechzellen – jede von ihnen ist darauf spezialisiert, nur einen von über 350 möglichen Leit-Düften wahrzunehmen. Diese Rezeptoren kann man sich wie ein Schloss vorstellen, welches durch das jeweilige Duftmolekül, den Schlüssel, aktiviert wird. Der Geruchsforscher Hanns Hatt spricht anschaulich von einer Art „Alphabet“ mit 350 bis 400 verschiedenen „Buchstaben“. Jeder Duft kann aus bis zu über 100 verschiedenen „Buchstaben“ bestehen und bildet so, wie zum Beispiel beim Kaffee, ein sehr komplexes „Duftwort“.
Verarbeitet werden die elektrischen Impulse mit ihrer Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten zum Teil im Großhirn, wo sie mit abgespeicherten Erfahrungen abgeglichen werden und neue Verknüpfungen bilden. Auf noch viel schnellere Weise kommt die Information auch ins limbische System, den Sitz der Emotionen, des Lernens und der Instinkte. Riechen ist so viel mehr, als einen Duft wahrzunehmen und zu bewerten. Riechen ist der Schlüssel zu unseren Erinnerungen, die Grundlage für die Produktion zahlreicher Hormone und damit maßgeblich für unsere Stimmung verantwortlich.
Frauen haben, was das Riechen anbelangt, gegenüber Männern einen kleinen biologischen Vorteil – mit fast doppelt so vielen Neuronen in den Riechkolben (eine Gehirnregion) funktioniert die Geruchsverarbeitung bei ihnen grundsätzlich besser. Hinsichtlich der Anzahl der Sinneszellen in der Nase selbst gibt es trotz variierender Größen unserer äußeren „Riechzinken“ zwischen Mann und Frau keine nennenswerten Unterschiede.
„RIECHEN“ MIT DEM TRIGEMINALEN SYSTEM
Abseits des Riechens mit der Nase und des Schmeckens mit der Zunge gibt es eine dritte Möglichkeit, chemische Stoffe wahrzunehmen. Mittels des Trigeminus-Nervs – einem Warn- und Schmerznerv – können wir u. a. scharf, brennend, heiß, kalt, frisch und schmerzend wahrnehmen. Über das Riechen oder auch über Schleimhautkontakt wirken manche ätherischen Öle äußerst eindrücklich auf uns – man denke hier an Menthol, Ammoniak oder Capsaicin aus der Chili. Für ein optimales Riecherlebnis arbeiten unsere Systeme immer zusammen und beeinflussen sich auch gegenseitig.
ÄTHERISCHE ÖLE ALS SCHLÜSSEL ZUM RIECHEN
Alle Duftpflanzen enthalten ätherische Öle, aber nur in geringen Mengen – höchstens 1 bis 2 Prozent, meist sogar weniger. Ausnahmen bilden die klassischen Gewürze. Ätherische Öle setzen sich aus einer Vielzahl an leicht flüchtigen Molekülverbindungen zusammen und werden unter anderem beim Zerkleinern und Erhitzen von pflanzlichen Bestandteilen frei. Dazu zählen die Gruppe der sogenannten Terpene und die der aromatischen Verbindungen. Ihre Wirkungen auf den Körper sind ebenso vielschichtig wie ihre Arten. Von belebend, stimmungsaufhellend bis keimtötend sind hier viele Effekte bekannt und wissenschaftlich belegt.
In der Natur dienen die ätherischen Öle den Pflanzen dazu, Insekten zur Bestäubung anzulocken, aber auch als Kommunikationsmittel, um andere Pflanzen zu warnen und bei Schädlingsbefall Gegenspieler zu rufen. Die keimtötende Eigenschaft vieler ätherischer Öle schützt Pflanzen darüber hinaus vor Krankheiten und Fressfeinden: Die Pflanze hat hier sozusagen ihre eigene Apotheke. Auch der eigene Lebensraum wird mit Aromen verteidigt, sodass sich andere Pflanzen nicht so leicht ansiedeln. Vor übermäßiger UV-Strahlung und Wasserverdunstung schützen sie sich ebenfalls mit ätherischen Ölen, die sich als gasförmiger Schutzmantel um die Pflanze legen.
DUFTREZEPTOREN IM KÖRPER
Duftrezeptoren sind nicht nur in der Nase zu finden, sie wurden in unterschiedlicher Dichte auch in anderen Körperzellen entdeckt. Viele Studien zeigen, dass Duft eben nicht nur eine Sache des Riechens ist – Aromen können über die Atmung, über Hautkontakt, aber auch über die Ernährung auf unsere Körperfunktionen wirken. Über das Blut gelangen Duftstoffe auch zum Herzen und in andere Organe – die Wissenschaft steht hier noch auf recht unbekanntem Terrain und macht laufend neue Entdeckungen. Beispielsweise nutzt man synthetischen Sandelholzduft mit einer positiven Wirkung auf die Wundheilung und das Haarwachstum.
Erst kürzlich wurde herausgefunden, dass selbst Tumorzellen Duftrezeptoren besitzen – erstaunlicherweise sogar mehr als gesunde Zellen. Auf welche Duftstoffe die Tumorzellen reagieren, ist Gegenstand zahlreicher Forschungen – bisher hat man ca. 20 Prozent davon entschlüsseln können. Im Falle von Leberkrebszellen wirkt zum Beispiel Zitrusduft auf das Wachstum hemmend. Mit der Herausforderung, entsprechende Duftstoffe in ausreichender Dosierung zu im Körperinneren liegenden Zellen zu bringen, eröffnen sich für die Zukunft ganz neue, schonende Wege der Krebstherapie.
DUFT UND GEDÄCHTNIS
Eine im Jänner 2020 veröffentlichte Studie der Uni Freiburg legt den Schluss nahe, dass Düfte auch beim Lernen unterstützen. Eine Gruppe von Schülern wurde beim Vokabellernen mit Rosenräucherstäbchen beduftet (ohne sie anzuzünden). Derselbe Duftreiz wurde dann auch in der Nacht gesetzt. Neben der großen Wichtigkeit von ausreichendem Schlaf zeigte die „Räucherstäbchengruppe“ deutlich bessere Testergebnisse als eine Vergleichsgruppe. Das Aroma selbst ist aber austauschbar und muss nicht unbedingt Rose und auch kein Räucherstäbchen sein.
Um die Wirkung auf die Arbeit mit dem Stövchen zu übertragen, empfehlen wir vor allem anhaltende, raumfüllende Düfte, die in weiterer Folge auch die Konzentration steigern. Hier scheinen uns vor allem Lavendel, Zimt, Lorbeer oder Johannisbeerholz gut geeignet zu sein. Während des Lernens und nochmals kurz vor dem Einschlafen kann eine solche Räucherung helfen, „Gepauktes“ in den Langzeitspeicher zu bringen. Tagsüber kann der Duft von Kalmus, Ingwer und Rosmarin die Konzentration fördern und das Gedächtnis unterstützen. Wegen ihrer anregenden Wirkung sind diese jedoch für eine Abendräucherung nur bedingt geeignet.
DUFTTRAINING – MIT RIECHEN ZU MEHR GENUSS UND LEBENSFREUDE
Die Empfindlichkeit von Riechrezeptoren wird zum Teil vererbt, aber das Riechen selbst ist ein Sinn, den man trainieren kann. Da wir mit unserem Geschmackssinn auf der Zunge nur süß, salzig, sauer, umami und bitter unterscheiden können, ist bereits beim Essen der Geruchssinn dafür ausschlaggebend, ob uns Speisen schmecken oder nicht. Eine zu starke Aromatisierung lässt den Sinn eher verkümmern – wie einen Muskel, dem man keine Herausforderung bietet. Statistisch gesehen nimmt das Geruchsvermögen ab einem Alter von etwa 60 Jahren immer stärker ab (bei Männern früher als bei Frauen). Spätestens zu diesem Zeitpunkt – aber natürlich schon viel früher, auch bei Kindern und Jugendlichen – kann ein bewusstes Riechtraining die Duftwelt und damit auch den Genuss beim Essen um einiges bunter machen.