Biodiversität. Bruno Baur

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Biodiversität - Bruno Baur страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Biodiversität - Bruno Baur

Скачать книгу

von Genotyp und Umwelt. Ein und derselbe Genotyp kann je nach Lebens- und Umweltbedingungen unterschiedliche Formen und Größen bewirken. Viele Arten zeichnen sich durch eine hohe phänotypische Plastizität aus. So variiert beispielsweise die Blattform und Größe des Löwenzahns (Taraxacum officinale) stark in Abhängigkeit von der Niederschlagsmenge, Sonneneinstrahlung und Jahreszeit zum Zeitpunkt der Blattbildung.

      • Innerhalb einer Art können Merkmale diskret variieren (intraspezifischer Polymorphismus). Individuen der Hain-Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) weisen eine gelbe, rosa oder braune Gehäusefarbe auf. Zusätzlich können die Gehäuse mit einem bis fünf, manchmal zusammenhängenden dunkelbraunen Bändern verziert sein. Alle diese Merkmale sind genetisch determiniert (Murray 1975). Das sehr variable Aussehen der Hainbänderschnecke verleitet zu einer Zuordnung von Individuen in verschiedene Arten.

      • Viele Arten durchlaufen während der Individualentwicklung verschiedene Stadien (z.B. Larvenstadien bei Fliegen, Raupen und Puppe bei Schmetterlingen). Larvenstadien lassen sich oft nur mit großen Schwierigkeiten einer bestimmten Art zuordnen. Es ist auch vorgekommen, dass Larven einer schon bekannten Art als eigene, neue Art beschrieben wurden.

      • Bei zahlreichen Arten sehen weibliche und männliche Individuen unterschiedlich aus (z.B. Stockente, Auerhuhn, Rothirsch, zahlreiche Insekten). Dieser sogenannte Sexualdimorphismus hat in verschiedenen Fällen dazu geführt, dass Weibchen und Männchen derselben Art ursprünglich verschiedenen Arten zugeordnet wurden.

      • Biologisch völlig verschiedene Arten können aufgrund ähnlicher Selektionsbedingungen in ihrem Phänotyp konvergieren, sodass sie rein äußerlich kaum mehr zu unterscheiden sind.

      |17◄ ►18|

      Das biologische Artkonzept basiert auf der Annahme, dass die Isolationsmechanismen zwischen den einzelnen Arten auf biologischen Eigenschaften der Organismen beruhen. Zwischenartliche Kreuzungen werden durch ethologische, morphologische, physiologische oder genetische Isolationsmechanismen verhindert. Dadurch bilden die Individuen einer Art eine Fortpflanzungsgemeinschaft mit einem gemeinsamen Genpool. Aber auch das biologische Artkonzept hat seine Grenzen:

      • Arten, die sich nur ungeschlechtlich vermehren (klonal oder durch Parthenogenese), werden durch die Definition des biologischen Artkonzeptes nicht erfasst. Zu diesen gehören alle Prokaryoten (Mikroorganismen), einige Pilze und Pflanzen, verschiedene Insekten und Echsen.

      • Viele Pflanzen- und Tierarten kreuzen sich auch in der Natur (z.B. Steinkorallen, Orchideen). Nach dem biologischen Artkonzept sind einige Orchideenarten keine getrennten Arten.

      • Individuen, die sich nie in einer Population fortpflanzen können (z.B. Arbeiterinnen bei Bienen oder Ameisen) werden vom biologischen Artkonzept nicht erfasst, obwohl sie zum Genpool beitragen.

      Trotz dieser Einschränkungen findet das biologische Artkonzept als «vorstellbares Modell» häufig Verwendung in der Ökologie und Naturschutzbiologie.

      In neuerer Zeit werden immer mehr molekularbiologische Methoden zur Unterscheidung einzelner Arten eingesetzt (Exkurs: DNA-Taxonomie und DNA-Barcoding). DNA-Taxonomie ermöglicht die Entdeckung und Beschreibung neuer Arten, ist aber kein Ersatz für die klassische Taxonomie. DNA-Barcoding funktioniert nicht ohne die Taxonomie- und Systematik-Fachleute der einzelnen Organismengruppen. Entscheidende Fortschritte in der Biodiversitätserfassung wird es nur durch den komplementären Einsatz von klassischen und molekularen Methoden geben.

      |18◄ ►19|

      DNA-Taxonomie und DNA-Barcoding

      Zur Unterscheidung einzelner Arten werden zunehmend molekularbiologische Methoden (vor allem Sequenzierung geeigneter DNA-Abschnitte) angewendet (Tautz et al. 2003). Bisher wurden DNA-Sequenzen meistens als Zusatzkriterien zur sicheren Artbestimmung angewendet. Seit geraumer Zeit gibt es aber Bemühungen, alle bekannten Arten auch molekularbiologisch zu charakterisieren. Dabei wird nicht das ganze Genom sequenziert, sondern nur Abschnitte (oft die Cytochrom-Oxidase Untereinheit I).

      DNA-Barcoding ermöglicht die Identifizierung von bereits bekannten Arten mittels eines arttypischen DNA-Fragmentes durch den Abgleich mit einer bestehenden Datenbank (www.barcodinglife.com). Das funktioniert ähnlich wie das Barcoding (Streifencode) auf Verkaufswaren im Supermarkt, nur dass hier nicht schwarze Streifen, sondern DNA-Basenabfolgen zur Identifizierung dienen (Streit 2007). Sequenziergeräte dürften in Zukunft kleiner und preiswerter werden, was charakteristische Zuordnungen von DNA-Proben zu konkreten Taxa vermutlich sogar im Freiland ermöglichen wird. Bis zur Etablierung einer weltweit auch nur annähernd vollständigen Barcoding-Datenbank ist der Arbeitsaufwand allerding sehr groß.

      Wie entstehen neue Arten?

      Der entscheidende Schritt einer potenziell neuen Art erfolgt mit der vollständigen Trennung des Genpools einer Population von anderen Populationen. Dies ist der Fall, wenn sich die Individuen der betrachteten Population nicht mehr mit den Individuen der anderen Populationen kreuzen. Ist der Genpool einer Teilpopulation einmal isoliert, folgt er einer eigenen, unabhängigen Entwicklung, die durch natürliche Selektion, genetische Drift und Mutation beeinflusst wird. Verschiedene Prozesse können zur Artbildung führen:

      • Allopatrische oder geografische Artbildung,

      • sympatrische Artbildung (Polyploidie und Artbildung durch Konkurrenz).

      Allopatrische (geografische) Artbildung kann eintreten, wenn das Verbreitungsgebiet einer Art durch äußere Prozesse in zwei oder mehr Teile aufgespalten wird. Eine Population wird durch die Neubesiedlung einer

      |19◄ ►20|

      Insel, durch Austrocknung von Gewässern, durch Vergletscherung, Vulkanausbruch oder durch Landhebung vom Hauptverbreitungsgebiet der Art abgetrennt. Zunächst wird sich der Genpool von der isolierten Population kaum vom Genpool der Art im Hauptverbreitungsgebiet unterscheiden. Falls es aber Unterschiede in den klimatischen Bedingungen und anderen selektiven Faktoren zwischen dem abgetrennten Gebiet und dem Hauptgebiet gibt, werden sich die Genfrequenzen durch natürliche Selektion, genetische Drift und Mutation verändern. Das abgetrennte Gebiet ist beispielsweise wärmer und beherbergt eine andere Prädatorart. Dann wird die natürliche Selektion diejenigen Individuen bevorzugen, die am besten an ein wärmeres Klima angepasst sind und den neuen Prädatoren ausweichen können. Aufgrund der unterschiedlichen Selektionsdrucke auf die beiden Populationen werden sie sich nun langsam genetisch auseinanderentwickeln. Es können Veränderungen im Verhalten, in der Physiologie und der Morphologie zwischen den beiden Populationen entstehen, die keine erfolgreiche Fortpflanzung mehr zulassen und somit zur reproduktiven Isolation führen.

      Es gibt zahlreiche Beispiele von allopatrischer Artbildung. In den bewaldeten Bergketten der Insel Oahu (Hawaii) konnten 41 endemische Baumschneckenarten der Gattung Achatinella nachgewiesen werden (Hadfield 1986). Getrennt durch Bergrücken beherbergte jedes Tal ihre eigene Art von diesen Baumschnecken, die sich von auf Blättern wachsenden Pilzen ernährten. Durch Zerstörung des Lebensraumes, dem Aussetzen von nicht-einheimischen Schneckenprädatoren und übermäßige Sammeltätigkeiten sind in den letzten Jahrzehnten aber über 30 Arten ausgestorben (Kapitel 8).

      In den Alpen isolierte die wiederholte Vergletscherung während der Eiszeiten zahlreiche Pflanzen- und Tierarten auf wenigen eisfreien «Inseln». In Perioden zwischen den Eiszeiten konnten sich manche Restpopulationen nur beschränkt wieder ausbreiten. Viele Populationen entwickelten sich während der Isolation zu neuen Arten. Allein in den österreichischen Alpen kommen 103 endemische Pflanzenarten und -unterarten vor, die auf diese Weise entstanden sein dürften (Essl et al. 2009; siehe Exkurs «Endemische Arten», Seite 32).

Скачать книгу