Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin. Группа авторов

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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin - Группа авторов Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik

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allem Französisch und Englisch, ab den 1850er Jahren in größerem Umfang als zuvor in den Sekundarschulen unterrichtet wurden. Eine intensive Debatte zu Inhalten, Zielen und Strukturen der Fremdsprachenlehrerbildung setzte jedoch erst im Rahmen der neusprachlichen Reformbewegung ab den 1880er Jahren ein, als die Anforderungen der neuen Unterrichtsmethode an das fachliche Wissen sowie das sprachliche und pädagogische Können der Lehrkräfte zu einem intensiven Diskurs über die Ausgestaltung der Fremdsprachenlehrerbildung führten.

      1 Die Vorgeschichte

      Es ist zu vermuten, dass man sich bereits in ferner Vergangenheit Gedanken darüber gemacht hat, was Personen kennen und können müssen, die andere in einer bestimmten Sache unterweisen wollen. Doch war dies stets an bestimmte Kontexte oder Individuen geknüpft. Eine staatlich regulierte und durch Prüfungsordnungen in gewisser Weise standardisierte Lehrerbildung für das allgemeine Schulwesen entstand in Deutschland jedoch erst langsam seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1809 wurden in Bayern, 1810 durch Humboldt in Preußen erste allgemeine berufsqualifizierende Staatsprüfungen für Gymnasiallehrer eingeführt; doch waren diese keine Fachprüfungen sondern eher generelle Eignungsprüfungen, deren Ideal das des gelehrten Altphilologen war (vgl. Sandfuchs, 2004, S. 18). Es dauerte noch fast ein halbes Jahrhundert, bis diese Prüfungen tatsächlich flächendeckend und umfassend etabliert waren (vgl. Kemnitz, 2014, S. 57). Im Folgenden geht es ausschließlich um die Ausbildung von Lehrern für die höheren Schulen, da in der Regel nur dort moderne Fremdsprachen unterrichtet wurden.

      In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die lebenden Sprachen, vor allem Französisch, zwar durchaus an Gymnasien und Realanstalten angeboten, doch waren die Lehrer1, die in der Regel mehrere Fächer unterrichteten, in den modernen Sprachen zumeist Autodidakten, die ihre Sprachkenntnisse etwa bei einem Auslandsaufenthalt oder im Selbststudium erworben hatten. Die wenigen Professuren für Romanische Philologie oder Neuere Sprachen, die vor der Jahrhundertmitte bestanden, hatten kaum Einfluss auf die Lehrerbildung. An der Universität Heidelberg beispielsweise lehrte Anton Sar, Professor für Französische Sprache von 1804 bis 1817, danach wurde diese Professur nicht erneut besetzt (vgl. Kalkhoff, 2010, S. 23); an der Berliner Universität bestand von 1821 bis 1851 ein Extraordinariat für Neuere Sprachen, Literatur und Literaturgeschichte; ein Ordinariat für Romanische Philologie wurde erst 1870 etabliert (vgl. ebd., S. 130). Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden an den Universitäten sukzessive Professuren für Neuphilologie an den Philosophischen Fakultäten eingerichtet.

      So ist es nicht verwunderlich, dass Ludwig Herrig und Heinrich Viehoff, als Schulmänner und Herausgeber der ersten Fachzeitschrift für die neueren Sprachen – „Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen“ (gegründet 1845) – in einem Beitrag im Jahr 1848 für den Unterricht in den neueren Sprachen plädieren und eine Reihe von Vorschlägen zu deren Studium und zur Lehrerausbildung in diesen Fächern unterbreiten. Zunächst betonen sie die Bedeutung der neueren Sprachen für die Erziehung der Jugend:

      Es muß folglich dem antiken Leben das moderne gegenübergestellt werden, und wie könnte man dies besser, als gerade durch die Sprache, dem Hauptbildungsmittel des Menschen, deren Kenntniß den Schüler in dem Leben und Geiste des Volkes heimisch werden läßt?

      Die Wichtigkeit der neueren Sprachen, besonders der germanischen und romanischen, für unsere Gymnasien sowohl, als ganz besonders für die Realschulen, scheint hiermit genügend angedeutet und es ist unerklärlich, wie es einerseits die Behörden bis jetzt ruhig ansehen, daß der Unterricht in so vielen Anstalten noch so ganz jämmerlich und handwerksmäßig betrieben wird, andererseits aber wenig oder fast gar nichts thaten, um tüchtige Lehrer für diesen Unterrichtszweig zu gewinnen und sie gründlich für ihren Beruf vorzubereiten. (Herrig & Viehoff, 1848, S. 225)

      Für das Studium der zukünftigen Lehrer lebender Sprachen fordern Herrig & Viehoff (1848) nicht nur eine gründliche philologische Ausbildung, sondern auch sprachpraktische und fachdidaktische Studienanteile. Zudem empfehlen sie einen Auslandsaufenthalt und die Einrichtung eines Seminars, das nach dem Studienabschluss der fachbezogenen pädagogischen und unterrichtspraktischen Ausbildung der Kandidaten dienen soll. Die dort tätigen Seminarlehrer sollten nicht nur „theoretisch vorgebildet“ (ebd., S. 233) sein, sondern auch über eine einschlägige Unterrichtspraxis verfügen. Herrig selbst plante ein solches Seminar, das seiner Intention nach an der Berliner Universität angesiedelt sein sollte. Da jedoch der Grammatiker und Sprachwissenschaftler Mätzner für die Professur für neuere fremde Sprachen vorgeschlagen war (vgl. Haenicke & Finkenstaedt, 1992, S. 206), entschied das preußische Kultusministerium schließlich, das Seminar im Jahr 1860 am Berliner Friedrichs-Gymnasium und nicht an der Universität einzurichten.

      Herrig prägte dort bis 1877 die fachliche, fachdidaktische und unterrichtspraktische Ausbildung der Neusprachenlehrer (vgl. Klippel, 2010). Während seiner achtzehn Jahre währenden Leitung des Berliner Seminars bildete Ludwig Herrig mehr als zweihundert Lehrer aus. Wenn man bedenkt, dass Elze im Jahr 1864 von etwa fünf- bis siebenhundert Englischlehrern in ganz Deutschland ausgeht, von denen fast alle auch als Französischlehrer tätig waren (vgl. Elze,1864, S. 82), weist diese Zahl auf einen beträchtlichen Einfluss des Herrig’schen Seminars hin.

      Der stetig steigende Bedarf an Lehrern, die vor allem in den expandierenden Realanstalten die dort fest im Lehrplan verankerten lebenden Sprachen Französisch und Englisch, weiterhin gelegentlich auch andere Sprachen unterrichteten, die als Wahlfach angeboten wurden (dazu Ostermeier, 2012, S. 71-78), führte dazu, dass bis etwa 1880 viele Universitäten eine Professur für Neuphilologie eingerichtet hatten. Zumindest ein Teil dieser nach 1870 ernannten Professoren kannte den Schulbetrieb aus eigener Lehrertätigkeit, so etwa Wilhelm Viëtor, der u. a. an einer Mädchenschule, einer Realschule und einem College in England unterrichtet hatte, bevor er 1884 als ao. Professor für Englische Philologie an die Universität Marburg berufen wurde (vgl. Nebrig, 2017); auch Eduard Koschwitz, der romanistische Lehrstühle in Greifswald, Marburg und Königsberg innehatte, war Lehrer an einem Gymnasium gewesen (vgl. Elwert, 1979). Eigene Unterrichtserfahrungen bedeuteten jedoch nicht, dass die jeweiligen Neuphilologen in universitärer Stellung der Lehrerbildung und der Vorbereitung der Studierenden auf die spätere Tätigkeit gegenüber aufgeschlossen waren. So lässt sich vermuten, dass im Falle von Wilhelm Viëtor, einem der wortmächtigsten Vertreter der neusprachlichen Reformbewegung, das Engagement für einen besseren Fremdsprachenunterricht und eine den neuen Zielen angepasste Lehrerbildung auch aus seinen Unterrichtserfahrungen gespeist wurde. Eduard Koschwitz vertrat trotz oder wegen seiner eigenen Schulerfahrung als Reformgegner entgegengesetzte Positionen im Hinblick auf Fremdsprachenunterricht und Lehrerbildung.

      Mit dem Einsetzen der neusprachlichen Reformbewegung um 1880 gewann der Diskurs um die Ausbildung der Lehrer für neuere Sprachen erheblich an Dynamik, denn zum ersten stieg die Zahl der notwenigen Lehrer an Realanstalten und Gymnasien stetig an. Zum zweiten brachte die intensive Debatte um andere Ziele und Inhalte des Fremdsprachenunterrichts es mit sich, dass auch die dafür notwendigen Qualifikationen der Lehrer verstärkt in den Blick genommen wurden.

      2 Fremdsprachenlehrerbildung in der neusprachlichen Reformbewegung

      Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts trafen eine Anzahl von gesellschaftlichen, technischen und kulturellen Entwicklungen zusammen, die Schulwesen und Lehrerbildung beeinflussten. Zu den seit Beginn des Jahrhunderts wirkenden staatlichen Bestrebungen, das Bildungssystem stärker zu regulieren, Vergleichbarkeit und Konsistenz durch Lehrpläne und Prüfungsordnungen herzustellen, traten durch verbesserte Verkehrsverbindungen und zuverlässigen Postverkehr (dazu ausführlich Schleich, 2015, S. 50-79) Möglichkeiten für zunehmenden nationalen und internationalen Austausch, zu dem die modernen Fremdsprachen einerseits unabdingbar waren und andererseits durch ein wachsendes Interesse an der Neuphilologie selbst beitrugen. Zugleich differenzierten sich die Wissenschaften innerhalb der Universitäten stärker aus, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit erlebten. Unser modernes Wissenschaftssystem hat hier seine Wurzeln (vgl. Telesko, 2010,

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