Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin. Группа авторов

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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin - Группа авторов Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik

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      Anstöße zu einer Reform des Fremdsprachenunterrichts und in Folge der Ausbildung der Lehrer in Deutschland kamen von Neuphilologen, die als Lehrer, wie beispielsweise Hermann Klinghardt oder Franz Dörr, oder Hochschullehrer, wie Wilhelm Viëtor oder Hermann Breymann, tätig waren. Breymann sieht die Auslöser der Reformbewegung in einer Reaktion auf die „Überschätzung des grammatischen Unterrichts und gegen den Glauben an den absoluten Wert der sogenannten formalen Bildung“ (Breymann, 1895, S. 97; Hervorhebungen im Original). Unterstützt werde die Reform durch die neue Wissenschaft der Lautphysiologie oder Phonetik und die Fortschritte in Sprachwissenschaft und Psychologie (vgl. ebd.). Vor allem ging es den Reformern um das zentrale Anliegen, lebende Sprachen auch als solche zu lehren, nämlich Aussprache und Sprechfertigkeit von Anfang an zu fördern, in die fremden Kulturen einzuführen, zusammenhängende Texte in das Zentrum des Unterrichts zu rücken und die Grammatik nicht mehr in einer zentralen Rolle zu belassen, sondern ihr lediglich eine dienende Funktion zuzuweisen. Diese Kernziele der Reformbewegung sind in den von Gustav Wendt bei der achten Versammlung der Neuphilologen in Wien im Jahr 1898 vorgestellten und intensiv diskutierten Thesen zusammengefasst (dazu Wendt, 1898-1900).

      Zu Beginn der Reformbewegung standen vor allem die angestrebten Veränderungen im Schulbetrieb der modernen Fremdsprachen im Zentrum der Debatten. Zwar wurde von Beginn an die enge Verflechtung von Schule und Universität hervorgehoben, breitere Überlegungen zur Lehrerbildung setzten jedoch erst ab den 1890er Jahren ein, so etwa bei der fünften Versammlung der Neuphilologen 1892 in Berlin, nachdem etwa die preußischen Lehrpläne für den modernen Fremdsprachenunterricht zumindest ansatzweise Elemente der neusprachlichen Reform aufgenommen hatten (vgl. Christ & Rang, 1985, Band II, S. 41). Dadurch veränderte sich das Anforderungsprofil für die Lehrer, dem auch in der (universitären) Ausbildung Rechnung getragen werden sollte. Darüber jedoch, wie weit sich die Universität den Anforderungen des späteren Berufsfeldes ihrer Studierenden zuwenden sollte, gingen die Meinungen stark auseinander.

      2.1 Schule und Universität

      Eine „lebhafte Wechselwirkung zwischen Universität und Schule, zwischen Wissenschaft und Praxis“ (Ey, 1886, S. 20) war das Ziel des 1886 gegründeten „Allgemeinen deutschen Neuphilologenverbands“. Vertreter der jungen Wissenschaft der Neuphilologie sowie Lehrer und ganz vereinzelt auch Lehrerinnen der modernen Sprachen trafen sich auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, beispielsweise bei den zuerst jährlich, später alle zwei Jahre stattfindenden Tagungen des Verbandes, zu dem immer auch Vertreter anderer Länder anwesend waren. Die Berichte dieser Tagungen legen beredtes Zeugnis von einem breit gefächerten Diskurs zwischen Schule und Universität ab (vgl. Klippel, 2020).

      Grob gesagt lassen sich zwei Lager unterscheiden: Die Mehrheit der Lehrer und Professoren, die den Gedanken der neusprachlichen Reformbewegung nahestehen, auch wenn sie im Einzelnen längst nicht alle Bestrebungen der Reformer gutheißen oder unterstützen, sehen die Universitäten in der Verantwortung, sich bei den Studienzielen, der Gestaltung der Studienstrukturen, der Studien- und Prüfungsinhalte, der Ausprägung der Lehre und der personellen Ausstattung der Neuphilologie an den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit ihrer Studierenden, nämlich der zukünftigen Fremdsprachenlehrer zu orientieren.

      Nur zu oft ertönt die Klage: wir werden auf der Hochschule zu Gelehrten gemacht, aber nicht zu Schulmännern; wir lernen die mittelalterlichen Texte verstehen und haben weder Anleitung noch Zeit, um die lebende Sprache mit ihrer überreichen Litteratur zu erfassen. (Ey, 1886, S. 19)

      Es gibt jedoch auch eine Gruppe von Professoren und Lehrern, die aus Sorge um die wissenschaftliche Reputation der Neuphilologie und der neusprachlichen Fächer insbesondere im Vergleich mit der Klassischen Philologie darauf beharren, dass alle berufsbezogenen Kenntnisse und Fertigkeiten, wozu fremdsprachliche Kompetenz und didaktisch-methodisches Wissen zählen, nach Abschluss des wissenschaftlichen Studiums im Seminar ihren Platz finden müssten. „Unsere jungen Studenten sollen nicht ‚Oberlehrer‘ studieren, sondern ‚Philologie‘ oder besser noch ‚Philosophie‘. Die Universitäten sollen dem Studenten das wissenschaftliche Denken und Forschen so einpflanzen, daß er später gar nicht mehr davon lassen kann“ (Wehrmann, 1914, S. 50). Andere sehen insbesondere die sprachpraktische Ausbildung in der Selbstverantwortung der Studenten, da die Universitäten aufgrund ihrer Personalausstattung nicht in der Lage seien, systematischen Sprachunterricht anzubieten (dazu kritisch Waetzoldt, 1892, S. 31).

      Einen Zusammenhang zwischen Universität und Schule kann man wie Breymann unter gesellschafts- und bildungspolitischen Aspekten sehen:

      Von den Akademien der Wissenschaften unterscheiden sich bekanntlich die deutschen Universitäten vor allem dadurch, dass sie nicht ausschliesslich wissenschaftlich theoretische, sondern bis zu einem gewissen Grade auch praktische Zwecke verfolgen; wie jene müssen sie sich also einerseits die Pflege der Wissenschaft als solcher angelegen sein lassen, andererseits aber auch der Praxis die Hand reichen und ihren Zöglingen wenigstens so viele praktische Kenntnisse und Fertigkeiten übermitteln, dass sie vom Staate als möglichst brauchbare Diener in den verschiedenen Zweigen seiner Wirkungssphäre verwendet werden können. In Übereinstimmung mit dieser von mir schon immer verfochtenen Auffassung von den einer deutschen Universität gestellten Aufgaben, vertrete ich die weitere Ansicht, dass ein Professor der Philologie (sei es der romanischen oder der englischen, der klassischen oder der deutschen) die Pflicht hat, den Zusammenhang mit der Schule stets im Auge zu behalten und seine Zuhörer in den Stand zu setzen, die gesicherten Resultate ihres Wissens für den Unterricht praktisch zu verwerten, eine Ansicht, zu der sich wohl die meisten akademischen Lehrer bekennen werden. (Breymann, 1895, S. 95f.)

      Es ist aufgrund der vorhandenen Quellen heute nicht mehr nachzuvollziehen, ob Breymanns Optimismus bezüglich der Einstellung der Mehrheit seiner universitären Kollegen tatsächlich zutraf. Die Diskussionen bei den Versammlungen der Neuphilologen zeigen, dass bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die mehrheitlich von den Lehrern geforderte Berücksichtigung ihrer Ausbildungsbedürfnisse im Studium von den jeweils anwesenden Hochschullehrern nicht immer als gerechtfertigt und sachlich angemessen akzeptiert wurde. Von einzelnen wurde jedoch die Interdependenz von Schulunterricht und Universitätsstudium noch unter einem anderen Blickwinkel gesehen, nämlich dem des Bildungskreislaufs:

      Nur bei einer genügenden Anzahl geschickter, der lebenden Sprache mächtiger Lehrer werden späterhin […] die in den obigen Sätzen an den Schulunterricht gestellten Forderungen an besseren Anstalten erfüllt werden können. Woher aber sollen die Schulen solche Lehrer bekommen, wenn die Universitäten sie nicht vorbilden? Und thun diese das Notwendige, wenn sie die praktische Ausbildung zum zukünftigen Lehrer dem Studenten im wesentlichen selbst überlassen? Schafft uns gut vorgebildete Studenten! ruft die Universität – Schickt uns gut vorgebildete Lehrer! antwortet die Schule. Das wird ein circulus vitiosus. (Waetzoldt, 1892, S. 31)

      Dieser Teufelskreis ist bis heute nicht völlig durchbrochen, wenngleich die weiter fortgeschrittene Ausdifferenzierung der Anglistik und Romanistik in Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft einerseits und Fachdidaktik und Sprachpraxis andererseits dazu geführt hat, dass man die Aufgabe der Vorbereitung der Lehramtsstudierenden auf das Berufsfeld heutzutage fast nur bei der Fachdidaktik sieht.

      2.2 Studieninhalte

      Eine neue Wissenschaft strebt zunächst danach, den in ihr erreichten Forschungsstand zu dokumentieren. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden nach dem Vorbild der Klassischen Philologie auch Enzyklopädien für die neueren Sprachen. Den Anfang machte Schmitz (1859) mit einer Französisch und Englisch umgreifenden Darstellung, später folgte u. a. Körting (1884-1888) für die romanische Philologie und die englische Philologie (vgl. Körting, 1888). Daneben etablierten sich Einführungen in das Studium der Neuphilologie, deren bekannteste vermutlich die mehrfach neu aufgelegte Schrift von Viëtor (11887, 31903) ist, sowie Handbücher für Studierende und Lehrer, die das gesamte

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