Verwaltungsprozessrecht. Mike Wienbracke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Verwaltungsprozessrecht - Mike Wienbracke страница 12
JURIQ-Klausurentipp
Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes haben Formulierungen wie „schlüssiger Klagevortrag“ oder „erhebliche Verteidigung des Beklagten“ in einer öffentlich-rechtlichen Klausur nichts zu suchen. Vielmehr kann sich „eine nach dem Klagevortrag nicht begründete Klage […] nach gerichtlicher Aufklärung und Rechtsprüfung […] durchaus im Ergebnis als begründet erweisen.“[6]
21
• | Amtsbetriebs- und Konzentrationsgrundsatz. Nach Ersterem, der den Untersuchungsgrundsatz ergänzt, erfolgt die Zustellung der Klage (§ 85 VwGO) sowie von Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, von Terminbestimmungen, Ladungen (§§ 56 Abs. 1, 2, 102 VwGO) und des Urteils (§ 116 Abs. 1 S. 2 VwGO) von Amts wegen, d.h. durch das Gericht – und nicht etwa durch die Beteiligten im Parteibetrieb. In engem Zusammenhang hiermit steht der Konzentrationsgrundsatz (bzw. -maxime), dem zufolge das Gericht den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung erledigen soll, § 87 Abs. 1 S. 1 VwGO. Vgl. auch §§ 87–87b, 92 VwGO; |
22
• | Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor Gericht. Als einfach-gesetzliche Konkretisierung dieses aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden grundrechtsgleichen Rechts bestimmt § 108 Abs. 2 VwGO, dass das Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Zudem hat das Gericht die Beteiligten auf solche Gesichtspunkte hinzuweisen, welche bisher zwar nicht Gegenstand der Verhandlung waren, die nach Ansicht des Gerichts aber gleichwohl entscheidungsrelevant sind, vgl. § 86 Abs. 3 VwGO. Unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt, dass wesentliche, der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dienende Tatsachenbehauptungen der Beteiligten vom Gericht in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten sind; |
23
• | Mündlichkeits- und Unmittelbarkeitsgrundsatz. Der Verwirklichung des Rechts auf rechtliches Gehör dient der Mündlichkeitsgrundsatz[7] des § 101 Abs. 1 VwGO. Diesem zufolge entscheidet das Gericht auf Grund mündlicher Verhandlung, soweit nichts anderes bestimmt ist (so aber z.B. in §§ 84 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 2, 3 VwGO). In engem Zusammenhang hiermit steht das Unmittelbarkeitsprinzip. Danach erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung (§ 96 Abs. 1 S. 1 VwGO),[8] so dass alle Mitglieder des Gerichts aufgrund ihres unmittelbaren („unvermittelten“) persönlichen Eindrucks sowohl vom Sach- und Rechtsvortrag der Beteiligten als auch von der Beweisaufnahme entscheiden können. Vgl. ferner §§ 108 Abs. 2, 112 VwGO; |
24
• | Öffentlichkeitsgrundsatz. Dieser ist in § 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 S. 1 GVG verankert und verlangt, dass die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich erfolgt, vgl. auch Art. 6 Abs. 1 EMRK. Jedermann, also auch die am konkreten Verfahren nicht beteiligten Personen, muss daher im Rahmen der örtlichen und räumlichen Verhältnisse Zutritt zum Gerichtssaal haben. Hierdurch soll insbesondere die Objektivität der Rechtsprechung und ihre Kontrolle durch die Allgemeinheit sichergestellt werden (keine „Geheimjustiz“). Das in § 169 S. 2 GVG a.F. vormals enthaltene strikte Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie von Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts ist mit Wirkung vom 18.4.2018 durch das Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (EMöGG) aufgelockert worden, siehe § 169 Abs. 1 Sätze 3 bis 5, Abs. 2 bis 4 GVG n.F. Mit dieser Neuregelung sucht der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrecht auf freie Information aus allgemein zugänglichen Quellen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und auf Rundfunk- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) einerseits sowie dem allgemeinen Persönlichkeits(grund-)recht namentlich des Klägers bzw. Antragstellers (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), deren Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (vgl. Art. 92, 97 f. GG) andererseits zum Ausgleich zu bringen; dies unter Berücksichtigung der sich aus dem „Pressekodex“ des Deutschen Presserats und den „Richtlinien für die publizistische Arbeit“ ergebenden Selbstverpflichtungen der journalistischen Berichterstattung.[9] Der Ausschluss der Öffentlichkeit für bestimmte Verfahren oder aus sitzungspolizeilichen Gründen bemisst sich nach § 55 VwGO i.V.m. §§ 171a ff. GVG. Erhebt das Gericht gem. § 96 Abs. 2 VwGO schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis oder ersucht es durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme, so gilt der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit. Danach werden (nur) die Beteiligten von allen Beweisterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme beiwohnen, § 97 S. 1 VwGO. |
25
Verstöße gegen die vorgenannten Verfahrensgrundsätze können von den Verfahrensbeteiligten im Wege der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bzw. der Anhörungsrüge (§ 152a VwGO)[10] geltend gemacht werden.
Anmerkungen
Hierzu sowie zum gesamten Folgenden siehe BVerfGE 84, 188; 87, 331; 103, 44; BVerfG NJW 2013, 1293; NVwZ 2016, 238; Hufen Verwaltungsprozessrecht §§ 35, 36 Rn. 32 ff.; Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 25 Rn. 28; Kopp/Schenke VwGO § 96 Rn. 1, § 108 Rn. 1 f.; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 4; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 18 ff., 1101, 1111 ff.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 514 ff.; 537 ff.; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 87 ff., 558 ff., 593, 633 ff.
Der Verfahrensfairness dient u.a. § 54 VwGO (i.V.m. §§ 41–49 ZPO), der die Unparteilichkeit des Richters sicherstellen soll.
Danach gilt: „Da mihi factum – dabo tibi ius“ (lat.: „Gib Du mir die Tatsache – ich werde Dir das [daraus folgende] Recht geben“).
Anders als im Zivilprozess (§§ 330 ff.