Verwaltungsprozessrecht. Mike Wienbracke
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II. Förmliche Rechtsbehelfe
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Die förmlichen (ordentlichen) Rechtsbehelfe, welche grundsätzlich form- und fristgebunden sind und eine materielle Beschwer voraussetzen, zielen regelmäßig nicht nur auf die Sicherung der objektiven Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ab, sondern dienen zusätzlich auch dem Schutz der subjektiven Rechte des Einzelnen. Bei Erfüllung der entsprechenden Zulässigkeitsvoraussetzungen hat dieser ein Recht auf Entscheidung in der Sache und nicht bloß auf Bescheidung seines Rechtsbehelfs. Entschieden wird über förmliche Rechtsbehelfe durch die Verwaltung selbst (Widerspruch) oder durch die Gerichte (Klage, Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes etc.). Eine Untergruppe der förmlichen Rechtsbehelfe bilden die Rechtsmittel (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO),[9] d.h. in der VwGO die Berufung (§§ 124 ff. VwGO), die Revision (§§ 132 ff. VwGO) und die Beschwerde (§§ 146 ff. VwGO). Grundsätzlich hemmen diese Rechtsmittel den Eintritt der formellen Rechtskraft der mit ihnen angefochtenen gerichtlichen Entscheidung (Suspensiveffekt; Rn. 500) und begründen die Entscheidungsbefugnis der jeweils höheren Instanz (Devolutiveffekt).[10] Während bei der Berufung und bei der Beschwerde die angefochtene Entscheidung – innerhalb des betreffenden Rechtsmittelantrags – in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, d.h. umfassend, kontrolliert wird (vgl. § 128 f. bzw. § 148 VwGO), findet bei der Revision grundsätzlich nur eine Überprüfung von Rechtsfragen statt, vgl. § 137 Abs. 2 VwGO.
Anmerkungen
Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 1 f., 7.
Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 5 Rn. 69; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 799.
Hierzu sowie zum gesamten Folgenden siehe Hufen Verwaltungsprozessrecht § 5 Rn. 1; Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 1084, 1086, 1090; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 2 ff.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 5 ff.
Im Rahmen der Rechtsaufsicht wird die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme geprüft.
Im Rahmen der Fachaufsicht wird die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme geprüft.
Nachweise zum Meinungsstreit bei Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 1144.
Zudem siehe Art. 24, 227 AEUV, Art. 44 EU-GrCh sowie etwa Art. 115 Abs. 1 Bay. Verf.
Nachweise zum Meinungsstreit bei Jarass in: ders./Pieroth, GG Art. 17 Rn. 9.
Diese sind weniger klausurrelevant und werden hier daher nicht weiter behandelt.
Die Beschwerde, bei welcher der Devolutiveffekt nur im Fall der Nichtabhilfe eintritt (§ 148 Abs. 1 Hs. 2 VwGO), hat lediglich in den § 149 VwGO genannten Fällen aufschiebende Wirkung. Zum gesamten Vorstehenden siehe Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 5 Rn. 169; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 7, 1122 ff., 1150; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 717, 728, 733.
1. Teil Einleitung › B. Rechtsschutzgarantie
B. Rechtsschutzgarantie
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Dass dem Einzelnen, der durch die (vollziehende) öffentliche Gewalt, d.h. die Regierung oder die Verwaltung[1], in seinen subjektiven Rechten des öffentlichen (Rn. 255 ff.) oder des privaten Rechts (möglicherweise; Rn. 274 ff.) verletzt wird, der Rechtsweg offensteht, ist verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG garantiert. Diese Bestimmung geht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden allgemeinen Justizgewährungsanspruch als lex specialis vor und ergänzt Art. 14 Abs. 3 S. 4 sowie Art. 34 S. 3 GG.[2] Dieses Grundrecht verlangt grundsätzlich nach einem lückenlosen, umfassenden und effektiven (Primär-)Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt, d.h. nach einer wirksamen Kontrolle der Verwaltung durch die staatlichen Gerichte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (siehe aber Rn. 415 ff., 429 ff.). M.a.W.: Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG dient dazu, „die ,Selbstherrlichkeit‚ der vollziehenden Gewalt gegenüber dem Bürger zu beseitigen.“[3]
Hinweis
Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG setzt die Existenz eines subjektiven Rechts voraus, begründet dieses aber nicht.[4] Vielmehr kann sich ein solches nur „aus einem anderen Grundrecht oder einer grundrechtsgleichen Gewährleistung ergeben, aber auch durch [einfaches] Gesetz begründet sein“[5] oder durch Vertrag oder Verwaltungsakt (Rn. 258).
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Darüber hinaus bedeutet „wirksamer Rechtsschutz“ i.S.v. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auch Rechtsschutz, d.h. eine verbindliche gerichtliche Entscheidung, innerhalb angemessener Zeit, vgl. ferner Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 S. 1 und Art. 13 EMRK sowie Art. 47 Abs. 2 S. 1 EU-GrCh. Um dies sicherzustellen, hat der Gesetzgeber nicht nur Vorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz (Rn. 487 ff.), sondern mit Wirkung vom 3.12.2011 zudem § 198 GVG erlassen. Dieser gibt i.V.m. § 173 S. 2 VwGO den Verfahrensbeteiligten im Fall einer unangemessenen (Gesamt-)Dauer eines Gerichtsverfahrens „von der Einleitung