Öffentliches Recht im Überblick. Volker M. Haug

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Normenhierarchie

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      Die große Vielfalt an Normen und Normgebern schlägt sich in einer fein ziselierten Rangordnung nieder, wobei eine höherrangige Norm eine niederrangige im Regelfall verdrängt (s.u., Rn. 210 f.) oder sogar unwirksam werden lässt.

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      Innerhalb des Unionsrechts, des Bundesrechts und des Landesrechts ist zusätzlich jeweils eine dreistufige Binnenhierarchie zu beachten.

Ganz oben steht dabei in allen drei Fällen das Verfassungsrecht, das in der EU „Primärrecht“ (s.u., Rn. 170 ff.) genannt wird. Auf Bundesebene handelt es sich um das Grundgesetz und in den Ländern um die jeweilige Landesverfassung.

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Auf der zweiten Stufe folgt das von den Gesetzgebungsorganen im dafür vorgesehenen Verfahren erlassene Gesetzesrecht. Im Unionsrecht nennt man dieses Recht „Sekundärrecht“ (s.u., Rn. 191 ff.), das durch die im Primärrecht geschaffenen und mit Kompetenzen ausgestatteten Gesetzgebungsorgane der EU erlassen wird und v.a. Richtlinien und Verordnungen umfasst. Im Bundes- und Landesrecht spricht man vom „formellen Gesetzesrecht“ oder – weil es von den Parlamenten verabschiedet wird – auch von „Parlamentsgesetzen“ (s.u., Rn. 498 ff.). Eine Besonderheit stellen im Bundesrecht die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ dar, die als Bestandteil des Bundesrechts angesehen werden und im Rang den formellen Bundesgesetzen vorgehen (Art. 25 GG).

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Darunter folgt das von der Exekutive erlassene Aus- und Durchführungsrecht. Auf EU-Ebene handelt es sich um das Tertiärrecht (s.u., Rn. 205 ff.), das die EU-Kommission nach näheren Vorgaben des Sekundärrechts in Kraft setzt (Art. 290 AEUV). Auf Bundes- und Landesebene spricht man von Rechtsverordnungen, die ebenfalls einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen. Darin müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß für die Rechtsverordnung vorgegeben werden, wodurch der formelle Gesetzgeber den Verordnungsgeber an einer „kurzen Leine“ hält (Art. 80 I 2 GG, 61 I 2 LV BW). Auf Bundesebene können auf diesem Weg die Bundesregierung, einzelne Bundesministerien und die Landesregierungen ermächtigt werden (Art. 80 I 1 GG), während auf Landesebene neben der Landesregierung und den einzelnen Landesministerien auch untergeordnete Behörden (z.B. Regierungspräsidien, Landratsämter, Kommunen) mit dem Erlass einer Rechtsverordnung betraut werden können (z.B. Art. 61 I LV BW). In allen Fällen ist damit eine (begrenzte) Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes verbunden, weil danach eigentlich nur die Legislative für die Rechtssetzung zuständig wäre. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass nachgeordnete Details aufgrund tatsächlicher Veränderungen häufig auch rechtlich kurzfristig geändert werden müssen, wofür das formelle Gesetzgebungsverfahren zu schwerfällig und zeitraubend wäre. Außerdem dient das Delegationsinstrument der Entlastung der Gesetzgebungsorgane von weniger bedeutender Detailarbeit, damit sie sich auf die wesentlichen Fragen konzentrieren können.

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Die unterste Stufe bildet schließlich das autonome Recht. Dabei handelt es sich um Normen rechtlich eigenständiger, dem Staat aber unter- und eingeordneter Rechtsträger wie v.a. die Kommunen, aber auch Hochschulen oder Industrie- und Handelskammern. Diese Vorschriften werden als Satzungsrecht erlassen und umfassen beispielsweise Bebauungspläne oder Prüfungsordnungen.

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      Folgende Grafik soll diese insgesamt elf Rangstufen des Normenhierarchiesystems zusammenfassen und verdeutlichen:

      Abbildung 3:

      Normenhierarchie

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      Anmerkungen

       [1]

      Ich weiß, es gibt natürlich auch Jura-Anfängerinnen und Nichtjuristinnen. Dennoch hoffe ich auf Nachsicht und Verständnis bei meinen Leserinnen dafür, dass ich keine uneingeschränkt „gegenderte“ Sprache verwende. Wo es sinnvoll möglich ist, versuche ich geschlechtsneutrale Begriffe („Studierende“, „Person“) zu verwenden. Ansonsten aber hänge ich noch der alten Schule an, wonach das „generische Maskulinum“ beide Geschlechter meint. Die Alternative der sogenannten „Paarformeln“, also die Nennung sowohl der männlichen als auch der weiblichen Form, macht die fachlich schon genug anspruchsvollen Texte nur noch unübersichtlicher und schwerer lesbar. Leider setzt sich diese sprachliche Verkomplizierung auch in der Gesetzgebung zunehmend durch, so z.B. bei Art. 34 der schleswig-holsteinischen Landesverfassung, der das Ende der Amtszeit von Regierungsmitgliedern regelt:

       (1) Das Amt der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten und der Landesministerinnen und Landesminister endet mit dem Zusammentritt eines neuen Landtages, das Amt der Landesministerinnen und Landesminister auch mit dem Rücktritt oder jeder anderen Erledigung des Amtes der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten.

       (2) Endet das Amt der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten, so sind sie oder er und mit ihr oder ihm die anderen Mitglieder der Landesregierung verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt der Nachfolgerinnen oder der Nachfolger weiterzuführen. Auf Ersuchen der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten hat eine Landesministerin oder ein Landesminister die Geschäfte bis zur Ernennung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers weiterzuführen.

       [2]

      Beispielsweise durch die große Schuldrechtsreform von 2002, die ganz wesentlich auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) zurückgeht, oder durch diverse Verbraucherschutzrichtlinien (z.B. RL 2011/83/EU).

      

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