Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer
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Diese dynamische Transformation der Völkerrechtsordnung lässt sich allein mit dem Koordinationscharakter des Völkerrechts und seiner daraus folgenden Relativität nur mehr bedingt erklären und beschreiben. Vielmehr spielen Prozesse der Wert- und Normbildung eine Rolle, die mit dem Modell rein konsensualer Rechtserzeugung durch Staaten nur unbefriedigend abgebildet werden können. Ungeachtet dessen hat sich das Völkerrecht von seinen überkommenen Merkmalen aber nicht grundsätzlich gelöst.
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Der mithin prinzipiell fortbestehende Koordinationscharakter des Völkerrechts wird weiterhin bei der Durchsetzung des Rechts besonders deutlich. Es gibt – im Gegensatz zum nationalen Recht – grundsätzlich keine obligatorische Gerichtsbarkeit. Vielmehr bedarf die Zuständigkeit völkerrechtlicher Gerichte, wie zB des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag (IGH), der ausdrücklichen Anerkennung durch die Streitparteien.
Beispiel:
Im Rahmen eines Streits zwischen Griechenland und der Türkei über die Ausdehnung des Festlandsockels in der Ägäis rief Griechenland 1976 den IGH an. Beide Staaten hatten in der Genfer Generalakte über die friedliche Streiterledigung von 1928 die Zuständigkeit des IGH (iVm Art. 37 des Status des Internationalen Gerichtshofs [StIGH]) für Streitfälle anerkannt, an welchen sie als Streitpartei beteiligt sind. Griechenland hatte allerdings den – erlaubten – Vorbehalt angemeldet, dass sich die Zuständigkeit nicht auf Streitigkeiten über den territorialen Status Griechenlands beziehe. Auf Grund des Gegenseitigkeitsprinzips des Art. 36 Abs. 2 StIGH gilt dieser Vorbehalt auch zu Gunsten der Türkei. Diese konnte sich also auch darauf berufen, dass sich die Streitigkeit auf den territorialen Status der Türkei bezog und dass daher die Zuständigkeit des IGH für diesen Fall nicht gegeben sei. Da der IGH die Ausdehnung des Festlandsockels als eine Frage des „territorialen Status“ qualifizierte, hat er seine Zuständigkeit verneint (IGH, Aegean Sea Continental Shelf, Judgment, ICJ Reports 1978, S. 3, Rz 48 ff; vgl Oellers-Frahm, in: Encyclopedia, Bd. I, S. 48 ff).
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Da die Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht zudem noch daran leidet, dass es grundsätzlich keine Exekutionsorgane gibt, die – vergleichbar den Polizei- oder Vollstreckungsorganen im nationalen Bereich – die Einhaltung von Rechtsnormen und Urteilen erzwingen können, sind die Völkerrechtssubjekte auch heute noch teilweise darauf angewiesen, das Recht selbst durchzusetzen. Man spricht insofern vom dezentralisierten Charakter des Völkerrechts. In der Praxis greifen die Völkerrechtssubjekte dabei zu den Instrumenten der Retorsion (= ein unfreundlicher, aber nicht völkerrechtswidriger Akt: zB die Sperre von Wirtschafts-, Entwicklungs- oder Militärhilfe) oder Repressalie (= ein völkerrechtswidriger Akt als Reaktion auf einen völkerrechtswidrigen Akt der Gegenseite, begrenzt durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: zB Einfrieren der iranischen Bankkonten in den USA nach der Geiselnahme amerikanischer Diplomaten in der US-Botschaft in Teheran 1979). Eine Grenze der eigenständigen Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht ist nach allgemeiner Meinung ferner das Gewaltverbot des Art. 2 Ziff. 4 SVN.
Beispiele:
(1) In Art. 51 der Anlage zur Resolution der Generalversammlung der VN Nr 56/83 vom 12. Dezember 2001: „Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen“ (sog. ILC-Artikel über Staatenverantwortlichkeit; Sartorius II, Nr 6) heißt es: „Verhältnismäßigkeit. Gegenmaßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen, wobei die Schwere der völkerrechtswidrigen Handlung und die betreffenden Rechte zu berücksichtigen sind.“ Art. 50 ergänzt: „1. Gegenmaßnahmen lassen folgende Verpflichtungen unberührt: a) die in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Verpflichtung, die Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen;“.
(2) In der Erklärung der Generalversammlung der VN über völkerrechtliche Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Sinne der Charta der Vereinten Nationen (sog. Friendly Relations Declaration) vom 24. Oktober 1970 (Sartorius II, Nr 4) heißt es in Abs. 6 des ersten Grundsatzes: „Die Staaten haben die Pflicht, Vergeltungsmaßnahmen, welche die Anwendung von Gewalt einschließen, zu unterlassen.“
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Darüber hinaus bestehen weitere Grenzen für die eigenständige Rechtsdurchsetzung, zB die Beachtung jedenfalls der grundlegenden Menschenrechte (näher Art. 50 bis Art. 53 ILC-Artikel über Staatenverantwortlichkeit).
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Lösung Fall 1 (Rn 9):
An dem Ölkonzessionsvertrag waren ein Völkerrechtssubjekt und eine juristische Person des britischen Rechts beteiligt. Da letztere an sich kein Völkerrechtssubjekt ist, kann der Vertrag grundsätzlich kein völkerrechtlicher Vertrag sein. Auch eine ausdrückliche Verweisung auf das Völkerrecht enthielt der Vertrag laut Sachverhalt nicht. Daher musste der Schiedsrichter zu dem Ergebnis kommen, dass er seine Entscheidung jedenfalls nicht auf der Basis des Völkerrechts treffen konnte (vgl ILR 1951, S. 144 ff).
§ 1 Begriffsbestimmung › A. Völkerrecht › II. Der Begriff des Völkerrechts im GG und in den Länderverfassungen
II. Der Begriff des Völkerrechts im GG und in den Länderverfassungen
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Das GG verwendet den Begriff des Völkerrechts in Art. 16a Abs. 5 (= völkerrechtliche Verträge betr Prüfung von Asylbegehren), Art. 25 Satz 1 (= allgemeine Regeln des Völkerrechts), Art. 59 Abs. 1 Satz 1 (= völkerrechtliche Vertretung), Art. 79 Abs. 1 Satz 2 (= völkerrechtliche Verträge betr Friedensschluss ua), Art. 100 Abs. 2 (= Regel des Völkerrechts iSd Art. 25), Art. 104a Abs. 6 Satz 1 (= Kostenverteilung bei Völkerrechtsverletzungen) und Art. 115 Abs. 5 Satz 1 (völkerrechtliche Erklärung betr Verteidiungsfall). Dabei wird der Begriff des Völkerrechts ohne weiteres vorausgesetzt. Dasselbe gilt für die seltenen Fälle, in denen der Begriff des Völkerrechts in den Länderverfassungen auftaucht (Bayern: Art. 84, Art. 99; Bremen: Art. 122; Hessen: Art. 67, Art. 68).
§ 1 Begriffsbestimmung › A. Völkerrecht › III. Zusammenhängende Begriffe
III. Zusammenhängende Begriffe
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Vom Begriff des Völkerrechts sind einige mit diesem zusammenhängende Begriffe abzugrenzen. Als Völkercourtoisie (Völkersitte, comitas gentium) bezeichnet man Verhaltensstandards in den internationalen Beziehungen, die zwar in aller Regel beachtet werden, die aber nicht völkerrechtlich vorgeschrieben sind (zB das diplomatische Zeremoniell).
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Das interne Organisationsrecht