Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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des Zweiten Kapitels des EGBGB verweist, findet sich deutsches IPR nicht nur im EGBGB, sondern auch in Spezialgesetzen sowie in Richter- und Gewohnheitsrecht.

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      Über das beschriebene Verständnis des IPR hinaus wird teilweise als „Internationales Privatrecht im weiteren Sinn“ die Gesamtheit aller Normen bezeichnet, die privatrechtliche Sachverhalte mit einem Auslandsbezug regeln. Hierzu gehören neben dem IPR (im engeren Sinn) auch die privatrechtlichen Normen des Fremdenrechts; dies sind Bestimmungen, welche materiell privatrechtliche Sachverhalte abweichend regeln, sofern an ihnen ein Ausländer beteiligt ist.

      Privatrechtliche Normen des Fremdenrechts haben neben den öffentlich-rechtlichen (Aufenthaltsgenehmigung, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, Arbeitserlaubnis) geringere Verbreitung. Insbesondere gelten in Deutschland keine Beschränkungen gegenüber Ausländern beim Erwerb von Grundstücken (vgl Art. 86); der Schutz von Immaterialgüterrechten ist für Ausländer eingeschränkt (§§ 121 ff UrhG). Wichtige fremdenrechtliche Normen finden sich auch im Zivilverfahrensrecht (§ 110 ZPO: Ausländersicherheit).

      Hierzu zählen auch privatrechtliche Vorschriften, deren Tatbestand einen Auslandsbezug enthält, zB § 1944 Abs. 3 BGB (Ausschlagungsfrist bei letztem Wohnsitz des Erblassers im Ausland), § 1954 Abs. 3 BGB (Anfechtungsfrist bei Wohnsitz des Erblassers oder Aufenthalt des Erben im Ausland) oder § 2251 BGB (Seetestament auf deutschem Schiff außerhalb eines inländischen Hafens). Dies können auch Normen international vereinheitlichten Privatrechts sein; so ist zB das Einheitliche UN-Kaufrecht (CISG von 1980) ein auf internationale Sachverhalte, nämlich grenzüberschreitende Kaufverträge, anwendbares Recht. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte man solche Normen nicht als „IPR im weiteren Sinn“, sondern als „Privatrecht für Sachverhalte mit Auslandsbezug“ bezeichnen.

      Teil I IPR: Grundlagen§ 1 Einführung und Abgrenzung › B. IPR und andere Rechtskollisionen

B. IPR und andere Rechtskollisionen I. Interlokale Rechtsspaltung

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      In zahlreichen Staaten gilt kein einheitliches (kodifiziertes oder unkodifiziertes) Privatrecht. Von interlokaler Rechtsspaltung oder interlokalen Mehrrechtsstaaten spricht man, wenn in geographisch unterschiedlichen Gebieten eines Staates verschiedenes Privatrecht gilt. In solchen Staaten existieren im geschriebenen Recht, im Richterrecht oder im Gewohnheitsrecht Kollisionsregeln, welche über die Zuordnung eines Sachverhaltes zu einer jeweiligen Teilrechtsordnung entscheiden. Die Gesamtheit dieser Normen ist das Interlokale Privatrecht des jeweiligen Mehrrechtsstaates.

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      Ursache für die Entstehung solcher Staaten waren auf dem europäischen Kontinent in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem Grenzverschiebungen und Ausdehnungen von Staaten, sowie zentralistische Staatenbildungen, die sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts zum Teil durch Dismembration wieder aufgelöst haben.

      So galt zB in Teilen Ungarns das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, in anderen Teilen alt-ungarisches Gewohnheitsrecht. Insbesondere die Gebietsverschiebungen im Zuge der Friedensverträge zur Beendigung des Ersten Weltkriegs führten zu einer starken Regionalisierung des geltenden Rechts auf dem Balkan.

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      Solche interlokalen Rechtsspaltungen beziehen sich häufig nicht auf das gesamte Privatrecht, sondern umfassen nur bestimmte Rechtsgebiete. Es tritt dann Rechtseinheit in Teilen des Privatrechts neben Rechtsspaltung in anderen Bereichen.

      In Spanien gilt das gemeinspanische Recht des Código Civil in einigen autonomen Provinzen nur mit Einschränkungen, die sich teils auf das Familienrecht, aber auch auf sachenrechtliche und schuldrechtliche Einzelfragen erstrecken (sog leyes forales – Foralrechte). Den Republiken der ehemaligen Sowjetunion war im Familien- und Erbrecht partielle Gesetzgebungshoheit eingeräumt, um die wachsenden ethnischen Spannungen zu beherrschen. Im früheren Jugoslawien (SFRJ) wurde sogar erst im Zuge von Unabhängigkeitsbestrebungen in den 70er Jahren eine solche Rechtsspaltung geschaffen. Infolge der Staaten-Auflösungen (Dismembration) in Osteuropa im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurden viele dieser interlokalen Teilrechtsgebiete zu souveränen Staaten. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage, die von der staatlichen Einheit im bis zum 2.10.1990 geteilten Deutschland ausging, wurde auch die durch die Teilung und die nachfolgende Gesetzgebung der DDR, insbesondere das Inkrafttreten eines DDR-ZGB zum 1.1.1976, geschaffene Rechtsspaltung im Kollisionsrecht ganz überwiegend als eine interlokale Rechtsspaltung verstanden. Die DDR verstand das Verhältnis zur Bundesrepublik freilich auch kollisionsrechtlich als einen normalen Fall der IPR-Anwendung. Die Ausdehnung des BGB auf das Beitrittsgebiet zum 3.10.1990 hat mit wenigen Ausnahmen (Art. 230 Abs. 1 aF) die interlokale Rechtsspaltung durch Überleitung (Art. 231 ff) überwunden.

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      Außerhalb Europas finden sich zahlreiche Staaten, die aufgrund ihres historischen Zusammenschlusses aus mehreren Einzelstaaten und Beibehaltung eigenständiger Gesetzgebungshoheit im Bereich des Zivilrechts zu interlokalen Mehrrechtsstaaten geworden sind.

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      In den USA besteht in weiten Bereichen des Privatrechts Rechtsautonomie der einzelnen Bundesstaaten, wobei nicht nur zwischen den Gruppen der vormals englischen, französischen und spanischen Staaten Unterschiede bestehen, sondern trotz starkem Einfluss des Common Law auch von Staat zu Staat Rechtsunterschiede in Einzelfragen Bedeutung haben. Ähnliches gilt in Canada, Australien und Neuseeland. Auch in Mexico hat jeder Teilstaat einen eigenen Código Civil.

      Literatur:

      Länderberichte in Staudinger/Hausmann (2013) Anhang 1 ff zu Art. 4 EGBGB.

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      Rechtsordnungen, die nach Bevölkerungsgruppen unterscheiden, finden sich zahlreich in Asien und Afrika. Solche interpersonalen Rechtsspaltungen beziehen sich durchgehend nur auf das Personen-, Familien- und Erbrecht (sog „Personalstatut“, dazu Rn 190 ff). Unterscheidungskriterium ist häufig die Religionszugehörigkeit, im südlichen Afrika die Stammeszugehörigkeit. Die sich hieraus ergebenden Kollisionen werden durch interpersonales Kollisionsrecht gelöst, wobei dessen Prinzipien bei Religions- oder Stammesverschiedenheit häufig auf den Vorrang eines Familienoberhauptes abstellen.

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