Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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eine wesentlich stärker gleichberechtigte Anwendung eigenen und fremden Rechts als die unter der Statutenlehre geübte hoheitliche Orientierung am Geltungsanspruch der eigenen – naturgemäß als angemessen empfundenen – Gesetze.

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      4. Nicht entschieden war damit die bis heute jede Reform des IPR am heftigsten bewegende Frage, wo das einzelne Rechtsverhältnis seinen Sitz hat, welche Rechtsordnung ihm am angemessensten ist. Während Story und v. Savigny den Schwerpunkt – vor allem personen- und familienrechtlicher Verhältnisse – am Domizil des Betroffenen sahen, entwickelte Mancini 1851 den Gedanken der Nationalität als Grundlage des Völkerrechts, den er später auch auf das IPR übertrug. Er wurde damit zum Begründer des Staatsangehörigkeitsprinzips, das mit vielen modernen, an kollisionsrechtlichen Interessenwertungen orientierten Einschränkungen das IPR in Mittel-, Süd- und Osteuropa sowie in weiten Teilen Lateinamerikas beherrscht. Die Gegenströmung, das Domizilprinzip, hat sich vor allem im angelsächsischen Rechtskreis erhalten. Die gegenwärtige Diskussion der geeigneten Anknüpfung des jeweiligen Rechtsverhältnisses wird jenseits dieser Grundprinzipien stark geprägt durch die Gewichtung der beteiligten Interessen (vgl Rn 46 ff) und verfassungsrechtliche Notwendigkeiten. Beides führt zunehmend zu einer Lockerung des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes. Hinzu kommen in jüngster Zeit europarechtliche Entwicklungen, die weniger von Prinzipien als von der Suche nach erträglichen Kompromissen geprägt sind.

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      Beispiele verfassungsrechtlicher Impulse finden sich in der deutschen Reform des Internationalen Familienrechts 1986, die aus Gründen der Gleichberechtigung von Mann und Frau für alle familienrechtlichen Sachverhalte Hilfsanknüpfungen für den Fall verschiedener Staatsangehörigkeiten der Ehegatten schuf. Interessenwertungen stehen im Vordergrund, wenn im Internationalen Kindschaftsrecht die Staatsangehörigkeit weitgehend dem gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungskriterium weicht (Art. 19 bis 21 idF des Kindschaftsrechtsreformgesetzes seit 1.7.1998 sowie die im KSÜ 1996 (dazu Rn 97) verwirklichte Streichung von Art. 3 Haager Minderjährigenschutzabkommen).

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      1. Das IPR nimmt seit der Kodifikation in den italienischen preleggi al codice civile des Jahres 1865, die zugleich die erste Umsetzung der Lehre Mancinis bedeuten, an der das 19. Jahrhundert prägenden Tendenz zu nationalen Kodifikationen teil. Die Nationalisierung des IPR war nicht in gleicher Weise selbstverständliche Konsequenz der nationalstaatlichen Entwicklung, wie dies für das Privatrecht im Übrigen gilt. Gerade Mancini, der Begründer des Staatsangehörigkeitsprinzips, sah nicht im nationalen IPR, sondern im staatsvertraglichen IPR die eine ideale, einheitliche Rechtsanwendung sichernde Lösung. So fällt auch in denselben Zeitraum der Beginn der Bemühungen um eine völkervertragliche Vereinheitlichung des IPR, die seit der ersten Haager Konferenz für IPR (1893) bis heute andauern (vgl Rn 96 ff).

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      2. Die erste Kodifikationswelle steht in engem Zusammenhang mit den großen Zivilrechtskodifikationen des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Österreich, dessen ABGB bereits 1811 verabschiedet wurde, an dieser ersten Kodifikationswelle nicht teilnahm und das französische IPR im geschriebenen Recht lange Zeit nur die der Statutenlehre verhaftete Kollisionsnorm des Art. 3 code civil kannte. Berühmte IPR-Kodifikationen dieser Phase schufen neben den genannten italienischen preleggi der spanische código civil von 1889, das deutsche EGBGB von 1896 und das schweizerische Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter von 1891.

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      Ein hervorstechendes Beispiel rechtsvergleichender IPR-Diskussion ist die erstmals im österreichischen IPR-Gesetz von 1978 verwirklichte Idee einer „Anknüpfungskaskade“ im Eherecht, die das jugoslawische, deutsche und italienische IPR beeinflusst hat. Der schon Ende des 19. Jahrhunderts in Haager Übereinkommen verwendete, im Haager Minderjährigenschutzabkommen von 1956 zum zentralen Anknüpfungsmerkmal fortentwickelte Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ hat seither einen Siegeszug als Alternativanknüpfung in nationalen Kodifikationen angetreten.

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      Mit Ausnahme der Schweiz folgen die mittel-, ost- und südeuropäischen Gesetze im Grundsatz dem Staatsangehörigkeitsprinzip Mancinis; die von v. Savigny eingeleitete Entwicklung zu Kollisionsnormen für bestimmte Lebenssachverhalte (Personenrecht, Ehegüterrecht, Erbrecht etc) ist für alle genannten Kodifikationen selbstverständlich. Teilweise werden in neueren Kodifikationen Südosteuropas (Rumänien, SFRJ-Nachfolger) auch Tendenzen des EU-IPR zum gewöhnlichen Aufenthalt aufgegriffen. Die skandinavischen Staaten und die Reformwelle in den baltischen Staaten tendieren dagegen weiter zum Wohnsitzgrundsatz.

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      4. Im angelsächsischen Raum hat das Kollisionsrecht eine eigenständige Entwicklung genommen, die seit Joseph Story zwar nicht mehr – wie in England bis weit in das 18. Jahrhundert hinein – gänzlich der Anwendung fremden Rechts ablehnend gegenübersteht, jedoch weit weniger zur Anwendung ausländischen Rechts führt, als dies in Zentraleuropa unter dem Einfluss v. Savignys,

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