Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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das IPR lediglich formal irgendeine Anknüpfung zu finden hat. Ziel ist die Suche nach der richtigen Rechtsordnung, die – auch in Hinblick auf die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Einbettung der von der jeweiligen Rechtsbeziehung am stärksten berührten Beteiligten – auf den Sachverhalt zugeschnitten ist.

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      Staatliche Ordnungsinteressen an der Durchsetzung des eigenen Rechts sind bei dieser Auswahl nicht bedeutsam.

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      Im IPR geht es um die Gestaltung und Entscheidung privatrechtlicher Verhältnisse, auf die staatliche Ordnungsprinzipien nur ausnahmsweise – in zwingenden Normen – durchgreifen. Daher ist ein grundsätzliches Interesse des Staates an der Anwendung des eigenen Rechts nicht anzuerkennen. Wo zwingende Wertungen bestehen und in unabdingbaren Normen oder sozial-, gesellschafts- oder wirtschaftspolitischen Ordnungsnormen Niederschlag gefunden haben, können diese nur durch Sonderanknüpfungen gegen ein „eigentlich“ anwendbares fremdes Recht durchgreifen (vgl Art. 9 Rom I-VO). Auch Art. 6 schützt deutsche Grundrechtsprinzipien nicht nur im individuellen Interesse. Hingegen dienen Art. 17a EGBGB bzw Art. 3 Abs. 3, 6 Abs. 2 S. 2, 8 Abs. 1 Rom I-VO überwiegend dem Schutz von Individualinteressen, obgleich der Schutz „Schwächerer“ immer auch sozialpolitisch motiviert ist.

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      Die Anwendung deutschen Rechts mag praktisch für Gerichte und Behörden sein, weil die Ermittlung des ausländischen Rechts oft aufwendig ist. Das damit verbundene „Heimwärtsstreben“ (Kegel) ist verständlich, wird gelegentlich auch vom IPR gefördert (vgl Art. 4 Abs. 1 S. 2, Art. 5 Abs. 1 S. 2), führt aber, wie vor allem Art. 5 Abs. 1 S. 2 zeigt, nicht immer zu den IPR-gerechtesten Ergebnissen. Dieses Streben findet eine Entsprechung in jüngeren Tendenzen des EuIPR, wo sowohl im Scheidungsstatut (Art. 8 lit. a Rom III-VO) als auch im Erbstatut (Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO) die gesetzliche Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt auch mit der Harmonisierung von Internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht, also mit der Anwendung der lex fori, begründet wird.

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      1. Ein Idealziel des IPR, das schon v. Savigny genannt hat, ist die Sicherung des Entscheidungseinklangs, der in zwei Richtungen gefordert sein kann.

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      Einerseits soll die Entscheidung eines gleichartigen oder desselben Sachverhalts nicht von der Zufälligkeit des Gerichtsstandes abhängen. Bei Fällen mit Auslandsbezug, für deren Entscheidung eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht, muss damit gerechnet werden, dass auch eines oder mehrere ausländische Gerichte eine internationale Zuständigkeit annehmen. Ziel ist hier der internationale Entscheidungseinklang. Es geht dabei um die Vermeidung widersprechender Entscheidungen, sei es im selben, sei es in vergleichbaren Fällen, die von den Rechtssuchenden und in der Öffentlichkeit als ungerecht empfunden würden.

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      2. Andererseits ist der interne Entscheidungseinklang zu suchen. Angestrebt ist dabei eine harmonische Behandlung derselben Rechtsfrage durch alle damit befassten deutschen Gerichte und Behörden.

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      Beispielsweise ist die Wirksamkeit einer Eheschließung nicht nur für rein eherechtliche Fragen bedeutsam, sondern beeinflusst ggf den Ehenamen (Passbehörden), Sozialhilfeansprüche (Sozialbehörden und -gerichte), Zeugnisverweigerungsrechte (alle Verfahrensordnungen) und die Erbfolge (Nachlassgericht). Wenn verschiedene Statute auf diese Fragen anwendbar sind, könnte es geschehen, dass die Ehe einmal als wirksam, einmal als unwirksam angesehen wird. Niemand könnte verstehen, wenn ein Ehepaar von einer deutschen Behörde als verheiratet, von einer anderen als unverheiratet angesehen wird.

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      3. Entscheidungseinklang kann nie vollständig verwirklicht werden.

      a) Den größten Beitrag zum internationalen Entscheidungseinklang kann die IPR-Gesetzgebung durch international vereinheitlichtes (völkervertragliches oder europarechtliches) IPR leisten; aber auch die Wissenschaft ist – in ihrer beratenden Funktion für die Gesetzgebung – aufgerufen, durch Kollisionsrechts-Vergleichung die Basis für zumindest ähnliche Kollisionsnormen in unterschiedlichen nationalen Kodifikationen zu schaffen.

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      b) Wenig förderlich für den Entscheidungseinklang ist hingegen die an sich dem Entscheidungseinklang gewidmete Methode der Rückverweisung (Art. 4 Abs. 1, dazu Rn 348 ff). Haben zwei Staaten in einem Fall spiegelbildliche Anknüpfungen und folgen beide der Rückverweisung, so wenden sie – höchst disharmonisch – jeweils eigenes Recht an. In völkervertraglichen- und europarechtlichen Instrumenten würde diese Methode die Vereinheitlichung und damit den Entscheidungseinklang wieder auflösen und wird daher nicht angewendet.

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      c) In Anwendung der Kollisionsnormen sind die Möglichkeiten, internationalen Entscheidungseinklang zu erreichen, beschränkt. Ist die Verweisung objektiv bestimmt, so kann der Rechtsanwender das Ergebnis nicht korrigieren, selbst wenn er erkennt, dass die verwiesene Rechtsordnung oder ein anderer berührter Staat abweichend entscheiden würde. Ist jedoch die Verweisung flexibel, hat insbesondere der Richter eine engste Verbindung zu ermitteln, so kann er bei seiner Abwägung auch berücksichtigen, wo eine beteiligte Rechtsordnung den Schwerpunkt des Sachverhalts sieht. Dies führt umso mehr zu Entscheidungseinklang, als solche Schwerpunktanknüpfungen regelmäßig nicht in fremdes IPR, sondern direkt in fremdes materielles Recht verweisen, also Sachnormverweisungen sind (dazu Rn 358 ff). Auch die fakultative Berücksichtigung zwingenden Rechts einer an sich nicht berufenen Rechtsordnung (Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO) dient dem internationalen Entscheidungseinklang.

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      d) Selten erlaubt auch das nach deutschem IPR anwendbare materielle Recht,

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