Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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Literatur:
zu Kollisionsnormen im deutschen Recht: Staudinger/F.Sturm/G.Sturm (2012) Einl. 388-397 zum IPR; eine ein- bis zweijährlich überarbeitete Sammlung praktisch relevanter völkerrechtlicher Abkommen zu IPR und IZPR findet sich in Jayme/Hausmann Internationales Privat- und Verfahrensrecht (18. Aufl., 2016); eine chronologische Auflistung aller aktuellen Haager Abkommen/Übereinkommen mit Details zu Geltung und Vorbehalten: www.hcch.net.
Teil I IPR: Grundlagen › § 1 Einführung und Abgrenzung › F. Die Funktion des IZPR/EuZPR
I. IZPR: Begriff
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Das Internationale Zivilprozessrecht (IZPR) ist der Teil des deutschen Zivilprozessrechts, der sich mit den prozessrechtlichen Fragen in Zivilprozessen mit Auslandsberührung befasst. Internationales Zivilverfahrensrecht (IZVR) reicht weiter und umfasst neben dem IZPR auch das Verfahren mit Auslandsberührung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Internationale Insolvenzrecht. Zum IZVR im weiten Sinn rechnet auch das Recht der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.
II. EuZPR: Begriff
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EU-einheitliches Europäisches Zivilprozessrecht (EuZPR)[88] bestand bis zum Amsterdamer EG-Vertrag nur aus dem völkervertraglichen Brüsseler EWG-Übereinkommen (EuGVÜ) und wird seit einigen Jahren als sekundäres Europarecht in zahlreichen EG-Verordnungen[89] geregelt, die teilweise nur Verfahrensrecht enthalten, teilweise ein Sachgebiet regeln und daher Verfahrensrecht und IPR (vgl Rn 91) enthalten. Zuständigkeit, Beachtung der Rechtshängigkeit, Anerkennung und Vollstreckung betreffen die Brüssel Ia-VO (VO EU 1215/2012, ABl. EU 2012 L 351/1),[90] Brüssel IIa-VO[91] (VO EG 2201/2003, ABl. EU 2003 L 338/1), EG-VollstrTitelVO (VO EG 805/2004, ABl. EU 2004 L 143/15), EG-UntVO[92] (VO EG 4/2009, ABl. EU 2009 L 7/1), EU-ErbVO (VO EU 650/2012, ABl. EU 2012 L 201/107), sowie ab 29.1.2019 die in Verstärkter Zusammenarbeit erlassenen EU-EheGüterVO (VO EU 2016/1103, ABl. EU 2016 L 183/1) und EU-ELPGüterVO (VO EU 2016/1104, ABl. EU 2016 L 183/30).
Rechtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten regeln die EG-ZustellVO 2007[93] (VO EG 1393/2007, ABl. EU L 324/79) und die EG-BeweisVO (VO EG 1206/2001, ABl. EG 2001 L 174). Vereinfachte Erkenntnisverfahren samt Vollstreckungsregeln für Mahnsachen und geringwertige Sachen schaffen EG-MahnVO (VO EG 1896/2006, ABl. EU 2006 L 399/1) und EG-BagatellVO (VO EG 861/2007, ABl. EU 2007 L 199/1).
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Eine Konzentration des EuZPR in einem möglichst systematisch geordneten Rechtsinstrument[94] täte Not, da der Überblick für gelegentlich mit dem EuZPR befasste Praktiker kaum noch zu wahren ist und weitere Verordnungspläne die äußere Vielfalt, vor allem aber die Querbezüge zwischen den Rechtsinstrumenten weiter vermehren.
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Erhebliche Bedeutung hat bei verfahrensrechtlichen Verordnungen die Bestimmung des Kreises der Mitgliedstaaten, weil hiervon teils die Anwendung des Zuständigkeitsrechts, jedenfalls aber die Anwendung der Rechtshängigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln abhängt. Einerseits nehmen grundsätzlich Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich an den Verordnungen zum EuIPR und EuZPR nicht teil.[95] Irland und UK haben jedoch eine Opt-in-Möglichkeit[96] die zu allen Verordnungen mit Ausnahme der EU-ErbVO ausgeübt wurde. Gegenüber Dänemark, das bis zum Vertrag von Lissabon kein Opt-in ausüben konnte,[97] galt das EuGVÜ zunächst weiter. Aufgrund eines Anwendungsübereinkommens[98] ist seit dem 1.7.2007 die Brüssel I-VO anwendbar. Der Brüssel Ia-VO konnte sich Dänemark auf dieser Grundlage ebenfalls anschließen.[99] Im Übrigen ist Dänemark, soweit nicht einzelne Anwendungsübereinkommen[100] geschlossen werden, Drittstaat iSd VOen des EuZPR und EuIPR. Für die in Verstärkter Zusammenarbeit erlassenen Verordnungen bestimmt sich der Kreis der Mitgliedstaaten nur positiv durch die sich der Zusammenarbeiten anschließenden EU-Mitglieder. Auskunft über den Stand bei Erlass geben die jeder Verordnung vorangestellten Erwägungsgründe.[101]
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Das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 16.9.1988 (BGBl. 1994 II 519) wurde als „Parallelabkommen“ zum EuGVÜ für die EFTA und die EU entwickelt und gilt aus deutscher Sicht im Verhältnis zu Vertragsstaaten, die nicht EU-Mitglieder sind. Am 1.1.2010 ist für die EU das an die Brüssel I-VO angepasste Luganer Übereinkommen 2007[102] in Kraft getreten. Außerhalb der EU-Mitgliedsstaaten sind für das IZPR völkervertragliche (Haager) Übereinkommen bedeutsam.
III. IZPR: Themen
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1. Die zentralen Themen des IZPR sind die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, sowie die Beachtung der Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes vor ausländischen Gerichten. Das EuZPR (Brüssel I-VO, Brüssel Ia-VO, Brüssel IIa-VO, EG-VollstrTitelVO, EU-UntVO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO, EU-ELPGüterVO, EG-MahnVO, EG-BagatellVO) regelt diese Fragen zwischen den Mitgliedsstaaten weithin (abhängig vom sachlichen Anwendungsbereich) vereinheitlicht, jedoch nach im Einzelnen sehr verschiedenen Modellen.
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Wann hingegen ausländische Gerichte international zuständig sind, ist außerhalb des Anwendungsbereichs von EuZPR und Völkerverträgen Sache des IZPR des jeweiligen Staates. Aus deutscher Sicht interessiert diese Frage nur, wenn die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen in Deutschland zu prüfen ist (und wird dann nach deutschen Maßstäben geprüft: vgl § 328 Abs. 1 Nr 1 ZPO; § 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG). Einer deutschen Zuständigkeit steht dagegen eine autonome (selbst eine dort ausschließliche) ausländische Zuständigkeit nicht entgegen. Ein zuständiges deutsches Gericht kann sich auch nicht (als forum non conveniens) für unzuständig erklären, wenn es meint, ein zuständiges ausländisches Gericht könne den Streit besser entscheiden. Ebenfalls nur höchst ausnahmsweise hat die Frage, ob ein deutsches Urteil in einem anderen Staat anerkannt wird, für eine deutsche Entscheidung Bedeutung (vgl § 98 Abs. 1 Nr 4 FamFG).
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2. Daneben befasst sich das IZPR mit Fragen der Rechtshilfe im Ausland, vor allem der Zustellung und der Beweisaufnahme. Die Zustellung innerhalb der EU bestimmt sich nach der EG-ZustellVO, die Beweisaufnahme nach der EG-BeweisVO. Im Übrigen gehen häufig die von zahlreichen Staaten ratifizierten Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 15.11.1965[103] und über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 18.3.1970[104] dem deutschen IZPR vor.
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