Beweisantragsrecht. Winfried Hassemer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Beweisantragsrecht - Winfried Hassemer страница 8

Beweisantragsrecht - Winfried Hassemer Praxis der Strafverteidigung

Скачать книгу

formulieren die Vorschriften zum Beweisantragsrecht negativ: Sie sagen nicht, was ein Beweisantrag ist, wer ihn wann und wie stellen darf, sondern nur, unter welchen Voraussetzungen ein Beweisantrag abgelehnt werden muss, darf oder kann. Diese Vorschriften gehen also offensichtlich davon aus, dass es das Phänomen von Beweisanträgen jenseits gesetzlicher Regelung bereits „gibt“, dass ausdrücklicher rechtlicher Regelung bedürftig nur das Ablehnungsverfahren sei.[2]

      3

      Dass die Wahrheitsfindung im Strafverfahren überhaupt von „Anträgen“ der Verfahrensbeteiligten abhängen soll, wäre in der Tat systemwidrig, wenn die folgenden wichtigen Grundsätze des Strafverfahrens wirklich ohne Einschränkung anerkannt wären:

      Das Strafverfahren ist eine Veranstaltung im öffentlichen Interesse, nicht im Interesse von Verfahrensbeteiligten, auch nicht des Verbrechensopfers. Der Idee nach kann der Beschuldigte das Verfahren nicht – auch nicht durch ein Geständnis – abwenden oder abkürzen. Das Opfer ist regelmäßig in eine Zeugenrolle abgedrängt. Klageerzwingung, Privatklage und Nebenklage sind nur – teilweise – Ausnahmen, welche diese Regel bestätigen. Nicht die Parteien, sondern der Staat beginnt das Verfahren, führt es durch und bringt es zu einem Ende.

      Außerdem ist das Strafverfahren dem Prinzip der materiellen Wahrheit verpflichtet. Diese „Wahrheit“ kann kein Gegenstand von „Verhandlung“ sein oder von „Anträgen“ abhängen, sie ist ein objektiv gegebenes Datum und muss mit objektiven Methoden gefunden, sie muss „erkannt“ werden.

      Eine solche Sicht kann das Beweisantragsrecht nur schwach begründen; es wäre nicht viel mehr als ein Anhängsel der Amtsaufklärungspflicht. Freilich ist sie nicht überzeugend: Sowohl die historische Entwicklung des Beweisantragsrechts als auch seine systematische Verankerung im richterlichen Erkenntnisverfahren legen eine andere Einschätzung nahe.

      Anmerkungen

       [1]

      Mit zu beachten ist § 245 Abs. 2 StPO; vgl. weiterhin §§ 163a Abs. 2, 166, 219 StPO.

       [2]

      Dass es auch anders geht, zeigen die Vorschriften der §§ 163a Abs. 2, 166, 219 StPO.

       [3]

      Vgl. etwa Wessels JuS 1969, 3; Julius NStZ 1986, 62.

       [4]

      Vgl. zum Verhältnis von Amtsaufklärungspflicht und Beweisantragsrecht: Schulenburg Das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Strafprozess, S. 28 m.w.N.; Tenorth-Sperschneider Zur strukturellen Korrespondenz, S. 16/17.

      Teil 1 Theoretische Grundlagen › II. Die Etablierung des Beweisantragsrechts in der Geschichte der StPO

      4

      Historisch und in längeren Zeiträumen betrachtet, ist die Geschichte des Beweisantragsrechts die seiner Verstärkung. Einschränkungen dieses Rechts, die es erst in jüngster Zeit gegeben hat, beruhen auf ökonomischen und justizpolitischen Gründen:

      5

      

      Das Beweisantragsrecht verdankt sich, wie viele andere Grundsätze unseres heutigen Strafverfahrens (etwa das Prinzip der Öffentlichkeit), dem Gedankengut der Aufklärung. In das reine Inquisitionsverfahren des gemeinen Rechts hätten Beweisanträge der Verfahrensbeteiligten nicht gepasst. Gestaltung und Fortgang des Verfahrens lagen in den Händen des Inquirenten, der Beschuldigte hatte kein Recht auf Intervention und Mitgestaltung des Verfahrens. Der gemeinrechtliche Inquisitionsprozess versprach sich die Aufklärung des Sachverhalts von einer regelgeleiteten Suche nach Wahrheit. Das Strafverfahren war eine Veranstaltung unter Fachleuten mit dem Beschuldigten als Objekt der Ausforschung. Dabei hätten die Öffentlichkeit, die Beteiligung von Laien und ein Beweisantragsrecht nur stören können.

      6

      

      Dies war das Ende des reinen Inquisitionsprozesses. Das Recht des Beschuldigten, sich an der Wahrheitssuche zu beteiligen, hatte zwar nur eine unterstützende Funktion, weil Methoden und Grenzen dieser Suche der Beurteilung des Gerichts unterlagen. Die Verfahrensordnungen gingen aber nicht mehr davon aus, dass das Wissen um den richtigen Weg zur Wahrheit ausschließlich beim Gericht liegt. Die aktive Beteiligung des Beschuldigten konnte die Erkenntnismittel zumindest dadurch verbessern, dass sie sie vervollständigte.

      7

      § 243

       (1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

       (2) Es bedarf eines Gerichtsbeschlusses, wenn ein Beweisantrag abgelehnt werden soll, oder wenn die Vornahme einer Beweishandlung eine Aussetzung der Hauptverhandlung erforderlich macht.

       (3) Das Gericht kann auf Antrag und von Amts wegen die Ladung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Herbeischaffung anderer Beweismittel anordnen.

      § 244

       (1) Die Beweisaufnahme ist auf die sämtlichen vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die anderen herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken.

Скачать книгу