Parlamentsrecht. Philipp Austermann
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Vgl. etwa auch Hesse, S. 150 ff., 159 ff.; Dreier, in: Dreier, Art. 20 (Demokratie) Rn. 76.
Frühe Herausstellung der Bezogenheit auf und Integration in die Demokratiekonzeption des Grundgesetzes am Bsp. der Parteien bei Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (17 und passim).
Insges. Schönberger, Unionsbürger, 2005.
BVerfGE 8, 51 (68 f.) [1958]; Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 243.
BVerfGE 102, 224 (238) [2000] im Zusammenhang mit sog. Funktionszulagen: „Die Gleichheit aller Staatsbürger in der freien Ausübung ihres Wahlrechts findet im Parlament ihren Ausdruck in dem freien Mandat.“; in Verbindung mit dem Repräsentationsprinzip Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 45.
§ 2 Geschichte der Parlamente und des Parlamentsrechts
§ 2 Geschichte der Parlamente und des Parlamentsrechts
Inhaltsverzeichnis
I. Vorparlamentarische Institutionen, insb. Ständeversammlungen
II. Volksvertretungen in der konstitutionellen Monarchie
III. Parlamentarische Demokratie
IV. Scheinparlamente
V. Parlamentarische Selbstdarstellung und Antiparlamentarismus
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Um das heutige Parlamentsrecht besser zu verstehen, ist es wichtig, die Anfänge und Entwicklungslinien zu kennen.
Die Parlamentsgeschichte beginnt nicht im antiken Athen (5. Jh. v. Chr). Athen (oder Griechenland) wird zwar oftmals als „Wiege der Demokratie“ bezeichnet. Ein Parlament als eine aus gewählten Abgeordneten bestehende Vertretungskörperschaft existierte aber nicht. Die Volksversammlung wurde nicht gewählt, sondern setzte sich aus den gerade anwesenden Männern zusammen. Sie mussten das athenische Bürgerrecht besitzen. Teilnahmeberechtigt waren daher nur ca. 30.000 Männer von etwa 300.000 Einwohnern. Frauen, Auswärtige und Sklaven besaßen das Bürgerrecht nicht. Athen ist also nicht die Wiege des Parlamentarismus und nur eingeschränkt ein Vorbild für die heutige demokratische Ordnung.
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Die Leitidee des Parlaments als Verständigungsort der Volksvertreter ist, historisch gesehen, jung. Sie ist ein Ergebnis der Verfassungsrevolutionen in den Vereinigten Staaten (seit 1776) und in Frankreich (seit 1789). Erst seit der vollen Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts im 20. Jh. besteht das parlamentarische System mit allgemeinem Wahlrecht, das alle Staatsbürger und damit einen Großteil der Einwohnerschaft erfasst. „Mutterland des Parlamentarismus“ ist England (ab 1707: Großbritannien), das als erstes den Weg zur Parlamentssouveränität beschritt und viele wichtige Strukturelemente des modernen Parlamentarismus hervorbrachte – wie politische Parteien sowie den Schutz parlamentarischer Minderheiten und der Opposition –[1], allerdings kaum als Vorbild für Kontinentaleuropa wirksam werden konnte.[2]
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Die Entwicklung verlief bis heute in den verschiedenen Staaten im Detail unterschiedlich. Jedes Parlament hat seine eigene Geschichte. Bestimmte historische Grundlinien sind aber allen gemeinsam.
Man kann drei (grobe) Phasen der Parlamentsgeschichte unterscheiden[3]:
1. | Vorparlamentarische Institutionen, insb. Ständeversammlungen (13. bis ausgehendes 18. Jh.), |
2. | Volksvertretungen in der konstitutionellen Monarchie des „langen“ 19. Jh. mit einem Dualismus von Monarch und Parlament (teilweise bis 1918), |
3. | Parlamentarische Demokratie mit allgemeinem Wahlrecht („Massendemokratie“). |
Als eine 4. Phase lässt sich der supranationale Parlamentarismus auf EU-Ebene ansehen. Das Europäische Parlament hat seit seiner Gründung im Jahr 1952 deutlich an Kompetenzen gewonnen, zuletzt durch den Vertrag von Lissabon. Seit dem Jahr 1979 werden seine Mitglieder alle fünf Jahre in allgemeinen, unmittelbaren, freien und geheimen (aber nicht gleichen) Wahlen bestimmt (Art. 14 Abs. 3 EUV). Jeder Mitgliedstaat entsendet ein bestimmtes Abgeordnetenkontingent. Wer zu diesem Kontingent gehört, wird in jedem Staat aufgrund des nationalen Wahlrechts ermittelt.
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Die parlamentarischen Versammlungen der NATO, der OSZE und des Europarates sind reine Diskussionsforen ohne Rechtssetzungskompetenz für die Bürger der Mitgliedstaaten. Ihre Mitglieder werden zudem nicht vom Volk gewählt, sondern von den Parlamenten der Mitgliedstaaten entsandt.
§ 2 Geschichte der Parlamente und des Parlamentsrechts › I. Vorparlamentarische Institutionen, insb. Ständeversammlungen
I. Vorparlamentarische Institutionen, insb. Ständeversammlungen
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Vorläufer parlamentarischer Institutionen gab es in Europa seit dem frühen 13. Jh. Der Ausgangspunkt ist die Beratung mittelalterlicher Herrscher durch ihre Lehnsträger/Vasallen; entsprechende Gremien gehen zum Teil ins frühe Mittelalter zurück (angelsächsischer witenagemot, isländischer althingi, fränkischer Hoftag). Aus diesen Gremien erwuchsen Ständeversammlungen, ein spezifisch europäisches Phänomen[4]. Der Monarch berief sie, um Rat und tatkräftige Hilfe zu erhalten, vor allem in großer Not und mit dem Ziel, Steuern zu bewilligen oder Heere auszurüsten. Zunächst wurden die Großen des Reiches (Klerus und hoher Adel), später dann auch der niedere Adel (Ritter) und Städte beteiligt. Die Mitbestimmung der Stände war der Preis für ihre Hilfe. Keine der Ständeversammlungen besaß aber ein voll ausgebildetes Gesetzgebungsrecht. Aus dem römischen Recht war der Grundsatz „quod omnes tangit, ab omnibus approbetur“ („was alle angeht, soll von allen beschlossen werden“) überliefert. Vor allem Steuern konnten ohne Zustimmung der Stände regelmäßig nicht erhoben werden.
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