Parlamentsrecht. Philipp Austermann
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Parlamente in Deutschland sind der Deutsche Bundestag und die 16 Landesparlamente der Bundesländer. Sie heißen in 13 Bundesländern „Landtag“. In den Stadtstaaten Bremen und Hamburg werden sie „Bürgerschaft“ und in Berlin „Abgeordnetenhaus“ genannt. Das Europäische Parlament ist die Volksvertretung der Unionsbürger (Art. 14 Abs. 2 S. 1 EUV). Es wird allerdings nicht nach einem gleichen Wahlrecht gewählt (Grundsatz der degressiven Proportionalität, Art. 14 Abs. 2 S. 3, 4 EUV). Dadurch soll die unterschiedliche Größe der Mitgliedstaaten ausgeglichen werden. Außerdem sind die Befugnisse des Europäischen Parlaments innerhalb des Gefüges der Unionsorgane geringer, als die Kompetenzen, welche die mitgliedstaatlichen Parlamente unter den jeweiligen nationalen Staatsorganen einnehmen. Bspw. besitzt das Europäische Parlament nicht das Gesetzesinitiativrecht (vgl. Art. 289, 294 AEUV) und kann auch nicht über die Einnahmen der Union maßgeblich bestimmen.
§ 1 Einführung › II. Parlamentarisches Regierungssystem
II. Parlamentarisches Regierungssystem
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Innerhalb der Staatsform der Demokratie sind drei Regierungssysteme denkbar: das Präsidialsystem, ein System mit kollegialer Staatsspitze und das parlamentarische System. Das Präsidialsystem ist beispielhaft – bei Unterschieden in der Gestaltung – in den USA und Frankreich ausgebildet. Das Kollegialsystem findet sich in der Schweiz. Parlamentarische Demokratien sind bspw. alle Staaten der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Israel, Kanada, Australien und Neuseeland.
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Die präsidentielle Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die Exekutive – insb. der vom Volk gewählte Präsident – nicht durch das Parlament abgesetzt werden darf.[5] Präsident/Exekutive und Parlament stehen einander gegenüber und sind nicht personell verschränkt: Regierungsamt und Parlamentsmandat sind in der Regel unvereinbar.[6] Die Gewaltenteilung ist strikt durchgeführt.
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Das parlamentarische Regierungssystem wird häufig wie folgt definiert: Das Parlament bringt die Regierung hervor, kontrolliert sie und darf sie abberufen.[7] Nimmt man das deutsche Regierungssystem des Grundgesetzes als Maßstab, trifft diese Definition zu. Andere westliche Demokratien kennen ebenfalls ein machtvolles Parlament. Aber die Ernennung des Regierungschefs ist in diesen Staaten allein dem Staatsoberhaupt überlassen. Gleichwohl sind diese Staaten parlamentarische Demokratien. Beispiele sind Österreich und Italien.
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Daher erscheint es sinnvoller, die Definition des parlamentarischen Regierungssystems enger zu fassen. Das parlamentarische Regierungssystem wird demnach dadurch bestimmt, dass das Parlament die Regierung stürzen kann. Nichts anderes meint die in manchen Verfassungen zu findende Formulierung, der Regierungschef oder die Regierung bedürften des „Vertrauens“ des Parlaments (z.B. Art. 53 S. 1 WRV) oder sie seien dem Parlament gegenüber „verantwortlich“. Vertrauen und Verantwortlichkeit bedeuten Abhängigkeit.
§ 1 Einführung › III. Parlamentsrecht
III. Parlamentsrecht
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Der Topos „Parlamentsrecht“ kann als Oberbegriff das gesamte Recht des Parlaments, seiner Mitglieder und seines Zustandekommens durch Wahlen umfassen.[8] Man kann auch sagen: Parlamentsrecht sind die Rechtsnormen, die sich auf ein staatliches, aus gewählten Abgeordneten des Volkes bestehendes Gesetzgebungsorgan beziehen.[9] Oder, etwas enger: Das Parlamentsrecht besteht aus den Rechtssätzen, die das Parlament, seine Organisation und seine Tätigkeit betreffen.[10] In der Abgrenzung zum Abgeordneten- und Wahlrecht – also in einem noch engeren Sinne – lässt sich das Parlamentsrecht als Organisations- und Verfahrensrecht eines Parlaments und der Zusammenschlüsse seiner vom Volk unmittelbar gewählten Mitglieder (Fraktionen und Gruppen) beschreiben.
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Somit gehören zum Parlamentsrecht (egal, ob man es weiter oder enger definiert) nicht:
• | die Normen der kommunalen Vertretungsorgane (Gemeinderat, Kreistag), da diese keine Parlamente sind (Rn. 641), |
• | die Normen der kirchlichen Organe (wie z.B. Synoden der EKD), da diese keine Parlamente und nicht staatlich sind, |
• | die Normen, die den Bundesrat betreffen[11], da dieser nicht aus vom Volk unmittelbar gewählten Mitgliedern, sondern aus Vertretern der Landesregierungen besteht und damit kein Parlament ist. |
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Das Parlamentsrecht gehört zum Staatsrecht, da es sich auf ein staatliches Organ bezieht, und zum materiellen Verfassungsrecht.[12] Soweit seine Regelungen unmittelbar in der Verfassung niedergelegt sind, gehört es (auch) zum formellen Verfassungsrecht. Es existiert jeweils ein Parlamentsrecht des Bundes, eines jeden Bundeslandes und der EU. In vorliegender Darstellung geht es im Wesentlichen um das Parlamentsrecht des Bundes. Das Landes- und das Unionsrecht werden nur einbezogen, sofern sie Besonderheiten aufweisen. In § 14 (Rn. 631 ff.) wird auf Parlamente oder parlamentsähnliche Institutionen im Überblick eingegangen.
§ 1 Einführung › IV. Abgeordnetenrecht
IV. Abgeordnetenrecht
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Das Abgeordnetenrecht bestimmt die Rechtsstellung (den Status) der Mitglieder eines Parlaments, also den Erwerb und Verlust eines Mandats sowie die Rechte und Pflichten aus dem Mandat. Es gehört zum Parlamentsrecht im weiteren Sinne. Auf Bundesebene sind Art. 38-48 GG, das Abgeordnetengesetz, §§ 45 ff. BWahlG, die Verhaltensregeln (als Anlage 1 zur GO-BT) sowie die zum Abgeordnetengesetz und zu den Verhaltensregeln ergangenen Ausführungsbestimmungen maßgeblich. In den 16 Bundesländern bestehen entsprechende Vorschriften im Landesverfassungsrecht, in den Landesabgeordneten- und Landeswahlgesetzen sowie in den Verhaltensregeln (die zum Teil im jeweiligen Landesabgeordnetengesetz und zum Teil in der jeweiligen Geschäftsordnung normiert sind). Art. 223 Abs. 2 AEUV legt fest, dass das Recht der Mitglieder des Europäischen Parlaments vom Parlament zu regeln ist. Die Details sind im EUAbgSt und den DB-EUAbgSt sowie in nationalen Gesetzen (z.B. dem EUAbgG) ausformuliert.
§ 1 Einführung › V. Parlamentsrecht als Teil der Demokratieverfassung des Grundgesetzes