Völkerrecht. Bernhard Kempen
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V. Diplomatische Beziehungen zwischen Staaten und Internationalen Organisationen
Lit.:
W. Bolewski, Diplomatischer Kurier – Völkerrechtliches Instrument und Gefahren seines Missbrauchs, AVR 43 (2005), 537; W.-M. Choi, Diplomatic and Consular Law in the Internet Age, SYBIL 10 (2006), 117; B. Faßbender, Diplomatische Immunität und Staatennachfolge, NStZ 1998, 144; M. Herdegen, The Abuse of Diplomatic Privileges and Countermeasures not Covered by the Vienna Convention on Diplomatic Relations, ZaöRV 46 (1986), 734; W. Lang, Das Wiener Übereinkommen über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen universellen Charakters, ZaöRV 37 (1977), 43; K. Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, 2009; I. Klepper, Diplomatisches Asyl, 2009; M. Quarch, Die völkerrechtliche Immunität der Sondermissionen, 1991; U. Seidenberger, Die diplomatischen und konsularischen Immunitäten und Privilegien, 1994; J. Wolf, Die völkerrechtliche Immunität des ad hoc- Diplomaten, EuGRZ 1983, 401.
I. Allgemeines
Der Aufbau und die Aufrechterhaltung von diplomatischen Beziehungen zwischen Staaten sind von elementarer Bedeutung für ihr friedliches Zusammenleben. Ein wesentlicher Beitrag zu ihrer Förderung wird durch die wechselseitige Entsendung von Repräsentanten im Rahmen von diplomatischen Missionen geleistet, deren Aufgaben vor allem in der Unterhaltung einer ständigen Kommunikation zwischen Entsende- und Empfangsstaat, der Information des Entsendestaates über die politischen Verhältnisse im Empfangsstaat sowie im Schutz der Staatsangehörigen des Entsendestaates im Empfangsstaat liegen (s. auch unter II.2.). Die Erfüllung dieser Aufgaben hilft, Lösungswege bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staaten aufzuzeigen und bereits im Vorfeld Konfliktpotentiale zu verringern.
Aufgrund seiner großen Bedeutung für die Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen gehört das Diplomatenrecht seit der Antike, zunächst rudimentär in der Form von Vorschriften über den Schutz von Gesandten, zum festen Bestand der Völkerrechtsordnung (→ Völkerrechtsgeschichte). In der Folge entwickelte sich das Diplomatenrecht vorrangig durch bilaterale völkerrechtliche Verträge weiter. Mit dem Abschluss des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) von 1961 (Sart. II, Nr. 325) gelang es erstmals, die grundlegenden Vorschriften über den Status diplomatischer Missionen und ihren Schutz in einem multilateralen völkerrechtlichen Vertrag zu kodifizieren. Das WÜD wurde mittlerweile von über 180 Staaten ratifiziert und zählt aufgrund dieses hohen Ratifikationsstandes nach der Ansicht von weiten Teilen der Völkerrechtslehre zum → Völkergewohnheitsrecht. Die Regelungen des WÜD werden durch Normen des Völkergewohnheitsrechts ergänzt, soweit sich aus den bilateralen Verträgen eine hinreichend verfestigte Staatenpraxis und entsprechende Rechtsüberzeugung ergibt (s. auch Abs. 5 der Präambel zum WÜD). Abzugrenzen sind die Regelungen des Diplomatenrechts von denjenigen des → Konsularrechts.
Die herausgehobene Stellung des Diplomatenrechts in der Völkerrechtsordnung wurde auch vom → IGH in seiner Entscheidung zum Teheraner Geiselfall (Urt. v. 24.5.1980, ICJ Rep. 1980, 3 Rn. 86 f. – Case Concerning U.S. Diplomatic and Consular Staff in Tehran) betont. Darin entschied das Gericht, das Diplomatenrecht bilde ein in sich geschlossenes System (→ self-contained régime), daher seien die im WÜD vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten auf eine Verletzung der diplomatenrechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend. Auf allgemeine völkerrechtliche Reaktionsmöglichkeiten (→ Gegenmaßnahmen) kann nicht zurückgegriffen werden. Über Ausnahmen von diesem Grundsatz bei einem extremen Missbrauch der diplomatischen Vorrechte wird in der völkerrechtlichen Lehre kontrovers diskutiert (s. insb. unter III.1.b.).
II. Der Status der diplomatischen Mission
Das WÜD enthält an verschiedenen Stellen Regelungen über die Zusammensetzung einer diplomatischen Mission sowie über die Voraussetzungen, unter denen eine diplomatische Mission errichtet und beendet werden kann. Zu beachten ist aber, dass das Völkerrecht keinen Anspruch auf die Unterhaltung einer diplomatischen Mission in einem anderen Staat gewährt. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen erfolgt vielmehr freiwillig im Einvernehmen der beteiligten Staaten auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, Art. 2 WÜD.
1. Begriff und Mitgliederbestand der diplomatischen Mission
Unter einer diplomatischen Mission versteht man in der Regel eine Gruppe von Personen, die diplomatische Funktionen für den Entsendestaat im Empfangsstaat wahrnimmt. In Ausnahmefällen kann es sich allerdings auch nur um eine einzelne Person handeln. Zu den Mitgliedern einer Mission zählen der Missionschef und das Personal der Mission, Art. 1 lit. b WÜD, nicht dagegen z. B. die Familienangehörigen der Diplomaten. Das Personal der Mission besteht aus den Mitgliedern des diplomatischen Personals auf der einen Seite und dem Verwaltungs- und technischen Personal sowie dem dienstlichen Hauspersonal auf der anderen Seite, Art. 1 lit. c WÜD. Die Unterscheidung zwischen Missionsmitgliedern mit diplomatischer Funktion und Mitarbeitern, die mit anderen Aufgaben betraut sind, ist von wesentlicher Bedeutung, da das WÜD für die Mitglieder mit diplomatischem Status einen deutlich größeren Umfang an Vorrechten und Immunitäten vorsieht (s. unten, III.3.).
Die Mitglieder mit diplomatischer Funktion sind in drei Klassen eingeordnet, Art. 14 Abs. 1 WÜD. An der Spitze stehen die Botschafter oder Nuntien (die Bezeichnung Nuntius wird für den Vertreter des → Heiligen Stuhls verwendet), Art. 14 Abs. 1 lit. a WÜD. Im Rang darunter befinden sich die Gesandten, Minister oder Internuntien, Art. 14 Abs. 1 lit. b WÜD. Beide Gruppen müssen vom Staatsoberhaupt des Entsendestaates beglaubigt werden. Die dritte Klasse bilden die Geschäftsträger (Attachés, Botschaftsräte und Botschaftssekretäre), bei denen eine Beglaubigung durch den Außenminister genügt, Art. 14 Abs. 1 lit. c WÜD. Da der Austausch von Diplomaten immer auf der Grundlage der → Reziprozität erfolgt, müssen beide beteiligten Staaten immer Vertreter desselben Rangs austauschen.
Die Position des Vorsitzenden (Doyen) des diplomatischen Corps (die Gesamtheit der diplomatischen Missionen in einem Empfangsstaat) übernimmt entweder der am längsten im Empfangsstaat tätige Botschafter, Art. 16 Abs. 1 WÜD, oder der Vertreter des Heiligen Stuhls, soweit eine entsprechende Übung in dem Empfangsstaat besteht, Art. 16 Abs. 3 WÜD. Der Doyen nimmt Handlungen im Namen des diplomatischen Korps vor und kann z. B. bei einem Verstoß des Empfangsstaates gegen seine diplomatischen Pflichten offiziell Protest beim Empfangsstaat einlegen.
2. Aufgaben der diplomatischen Mission
Die Aufgaben der diplomatischen Missionen werden, nicht abschließend, in Art. 3 WÜD genannt. Sie umfassen