BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann

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BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil - Harm Peter Westermann Schwerpunkte Pflichtfach

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href="#u0c72f7fe-ea32-563f-9248-4d5f2f1d2359">Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 5 Schuldarten › III. Wahlschuld (§§ 262-265) und Ersetzungsbefugnis

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      Fall 19:

      K, die seit einigen Tagen in Berlin wohnt, möchte sich ein Fahrrad zulegen. Da der Umzug sehr kostspielig war, möchte sie gerne ein gebrauchtes Fahrrad kaufen. Nach einiger Recherche findet sie den Anbieter V, der ihr telefonisch anbietet, dass sie eines der drei Fahrräder, die V noch übrig hat, für 50 Euro kaufen kann. Welches von den dreien K haben möchte, könne sie sich vor Ort aussuchen. K guckt sich die drei verschiedenen Fahrräder im Internet an und erklärt sich einverstanden. Als K am nächsten Tag bei V vorbeischaut, erklärt ihr V, dass er eines der Fahrräder gestern bereits verkauft und übereignet hat. Somit habe K nur noch die Wahl zwischen den anderen beiden Fahrrädern. K ist empört, da ihr genau das Fahrrad, welches der V verkauft hat, besonders gefiel. Sie möchte daher nichts mehr vom Vertrag wissen. V dagegen verlangt Kaufpreiszahlung. Zu Recht? Lösung Rn 236

1. Wahlschuld (§§ 262-265)

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      Eine Wahlschuld liegt vor, wenn mehrere verschiedene Leistungen geschuldet sind, von denen der Schuldner nur die eine oder eine andere erbringen muss und die – in Abgrenzung zur Gattungsschuld nach § 243 – nicht einer Gattung angehören. Eine Wahlschuld kann durch Rechtsgeschäft oder durch Gesetz begründet werden. Ein Beispiel für eine rechtsgeschäftliche Wahlschuld bietet etwa ein Mittagsmenü in zwei Variationen (vegetarisch oder Fisch): Wenn Gast G und Restaurantinhaberin R vereinbaren, dass R den Gast mit einem Mittagsmenü ihrer Wahl bedienen soll, kann R wählen, ob sie das vegetarische Menü oder das Menü mit Fisch auftischt. Ein Beispiel für eine gesetzliche Wahlschuld bietet § 2154 (Wahlvermächtnis): Der Erblasser kann anordnen, dass der Bedachte als Vermächtnis einen von mehreren Gegenständen erhalten soll (beispielsweise ein Gemälde aus seiner Sammlung).

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      Wenn eine Wahlschuld vorliegt, stellen sich vor allem Fragen, die auf das Wahlrecht bezogen sind: Wem steht das Wahlrecht zu? Welche Konsequenzen hat seine Ausübung? Letztere Frage ist in § 263 Abs. 2 beantwortet: Mit Ausübung der Wahl gilt die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete. Die erste Frage (nach der Inhaberschaft des Wahlrechts) ist in § 262 geregelt. Die Norm beinhaltet eine Auslegungsregel, wonach im Zweifel der Schuldner Inhaber des Wahlrechts ist. Die Regel gilt aber nur im Zweifel. Vorrangig ist – wie stets bei Auslegungsregeln – die Parteivereinbarung. Dabei sind die konkreten Fallumstände und vor allem auch der Vertragszweck zu berücksichtigen. Die Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung des Vertragszwecks (§§ 133, 157) wird häufig dazu führen, dass entgegen der Zweifelregel aus § 262 dem Gläubiger das Wahlrecht zusteht. Das Gläubigerwahlrecht wird oft interessengerechter sein. So liegt eine konkludente Vereinbarung zu Gunsten des Gläubigers etwa in dem Mittagsmenü-Beispiel nahe, auch wenn nichts Ausdrückliches vereinbart ist. Regelmäßig entspricht es den beiderseitigen Interessen am besten, wenn der Gast das konkret zu servierende Mittagsmenü auswählen darf.

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      Das Wahlrecht ist als Gestaltungsrecht ausgestaltet, wie sich aus § 263 Abs. 1 ergibt. Es ist also eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam wird (§ 130 Abs. 1).

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      § 264 Abs. 1 und 2 befassen sich mit Verzögerungen bei der Ausübung des Wahlrechts. Die Regelung unterscheidet zwischen den Fällen, in denen der Gläubiger Wahlrechtsinhaber ist, und den Fällen, in denen der Schuldner Wahlrechtsinhaber ist.

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      Wenn der Gläubiger Wahlrechtsinhaber ist, kann ihm der Schuldner bei Verzug mit der Ausübung des Wahlrechts eine angemessene Frist zur Vornahme der Wahl setzen. Dadurch kann der Schuldner erreichen, dass das Wahlrecht auf ihn übergeht: Denn ebendies ordnet § 264 Abs. 2 S. 1 für den Fall an, dass der Gläubiger die Wahl nicht rechtzeitig vornimmt. Wenn dagegen der Schuldner Wahlrechtsinhaber ist, sieht das Gesetz einen solchen Übergang nicht vor. Der Schuldner bleibt also Wahlrechtsinhaber. Wenn er vom Gläubiger auf Vornahme der Leistung verklagt wird, wird der Schuldner zur Leistung des einen oder des anderen Gegenstands nach seiner (des Schuldners!) Wahl verurteilt. § 264 Abs. 1 setzt an diese Situation an und bevorzugt den Gläubiger bei der Zwangsvollstreckung: Der Gläubiger kann, wenn der Schuldner die Wahl nicht vor Beginn der Zwangsvollstreckung vornimmt, gem. § 264 Abs. 1 1. HS die Zwangsvollstreckung nach seiner Wahl auf die eine oder auf die andere Leistung richten. Das Wahlrecht des Schuldners wirkt sich aber auch in dieser Situation noch zu Gunsten des Schuldners aus. Auch während der laufenden Zwangsvollstreckung kann sich der Schuldner, solange der Gläubiger die gewählte Leistung noch nicht empfangen hat, durch eine der übrigen Leistungen von seiner Verbindlichkeit befreien.

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      Für die Leistungspflicht des Schuldners ist wichtig, unter welchen Voraussetzungen er nach § 275 von seiner Leistungspflicht befreit wird. Unmöglichkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn sämtliche Leistungen, auf die sich das Wahlrecht bezieht, unmöglich sind. Schwieriger wird es, wenn nur eine der Leistungen unmöglich wird. Dann verbleibt es gem. § 265 S. 1 bei der Leistungspflicht des Schuldners bezüglich der anderen, nicht unmöglich gewordenen Leistung oder Leistungen. Etwas anderes gilt gem. § 265 S. 2, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat: Seine Leistungspflicht wird dann nicht ausgeschlossen. Er muss also entweder die noch mögliche Leistung erbringen (also etwa einen nicht untergegangenen Gegenstand liefern) oder aber gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 bzw § 311a Abs. 2 Schadensersatz leisten. Darüber hinaus kommen Ansprüche auf Aufwendungsersatz (§ 284) oder Surrogatsherausgabe (§ 285) in Betracht.

2. Ersetzungsbefugnis

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      Anders als die Wahlschuld ist die Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) nicht gesetzlich geregelt. Sie ist aber in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, weil ein praktisches Bedürfnis für sie besteht. In ihrer dogmatischen Konstruktion unterscheidet sie sich von der Wahlschuld dadurch, dass die Leistungspflicht zunächst auf eine bestimmte Leistung beschränkt ist. Allerdings kann der Schuldner anstelle dieser bestimmten Leistung auch eine andere Leistung erbringen. Auf die Ersetzungsbefugnis sind die §§ 262-265 nicht anwendbar.

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