BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann
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Gem. § 271a Abs. 1 S. 1 ist eine Vereinbarung, wonach die Entgeltforderung (vgl § 286 Abs. 3 S. 1) erst nach mehr als 60 Tagen nach Empfang der Gegenleistung fällig ist, nur wirksam, wenn sie ausdrücklich (also nicht konkludent) getroffen und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist. Bei der Bestimmung der groben Unbilligkeit sind die Nachteile der Entgeltgläubiger ebenso zu berücksichtigen wie die legitimen Interessen der Entgeltschuldner an einer längeren Frist.[17] Stellen wir uns vor, die Zahlungsansprüche eines kleinen Herstellers von Dachziegeln gegenüber einem Bauunternehmer sollen ausweislich der vertraglichen Einigung erst 90 Tage nach Übergabe der Ziegel fällig werden: In diesem Fall sind keine billigenswerten Interessen erkennbar, die es rechtfertigen, die vom Gesetz genannte Periode von 30 Tagen zu überschreiten, insbesondere dürften Fehler an der Ware bereits nach wenigen Tagen oder spätestens Wochen auffallen. Eine solche Vereinbarung wäre daher als Verstoß gegen § 271a Abs. 3 unwirksam. Wenn der Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung (zu den Begriffen „Rechnung“, „Empfang der Gegenleistung“ und „Zahlungsaufstellung“ s. § 286 Abs. 3) erhält, ist für die Fristberechnung nicht der Empfangszeitpunkt maßgeblich, sondern der Zeitpunkt, zu dem diese Rechnung (oder Zahlungsaufstellung) zugeht (§ 271a Abs. 1 S. 2). Dagegen bleibt es beim Empfang der Gegenleistung als maßgeblichem Zeitpunkt, wenn eine Rechnung (oder gleichwertige Zahlungsaufstellung) schon vor dem Empfang der Gegenleistung zugeht.
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In § 271a Abs. 2 wird die Regelung des § 271a Abs. 1 noch verschärft, wenn öffentliche Auftraggeber die Zahlung schulden: Dann sind Fristen von über 60 Tagen von vornherein unwirksam (§ 271a Abs. 2 Nr 2) und schon Fristen von über 30 Tagen nur wirksam, wenn die Vereinbarung ausdrücklich getroffen und aufgrund der besonderen Natur oder der Merkmale des Schuldverhältnisses sachlich gerechtfertigt ist (§ 271a Abs. 2 Nr 1).
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§ 271a Abs. 3 betrifft den Fall, dass eine Entgeltforderung erst nach Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung fällig ist. In diesen Fällen ist eine Vereinbarung, nach der die Überprüfungszeit oder die Zeit für die Abnahme mehr als 30 Tage nach Empfang der Gegenleistung beträgt, nur wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist.
4. Lösung Fall 22
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A könnte gegen die B-GmbH einen Anspruch auf Absendung des Gaming Laptops am 23.9. aus § 433 Abs. 1 S. 1 haben.
I. A und die B-GmbH haben einen Kaufvertrag über den Gaming Laptop geschlossen. A kann Absendung schon am 23.9. aber nur dann verlangen, wenn der Anspruch fällig ist.
1. Gem. § 271 Abs. 1 wird die Fälligkeit vorrangig durch Parteivereinbarung bestimmt. Eine solche Vereinbarung haben A und die B-GmbH aber nicht getroffen. Auch aus den Umständen ergibt sich der Fälligkeitszeitpunkt nicht. Die Leistung ist daher nach der Zweifelsregel des § 271 Abs. 1 sofort fällig. „Sofort“ bedeutet nicht „auf der Stelle“; vielmehr kann gem. §§ 133, 157, 242 auch eine gewisse Zeitspanne abzuwarten sein. Wegen des Krankenstands vieler Mitarbeiter spricht viel dafür, dass A schon in Anwendung des § 271 Abs. 1 nicht verlangen kann, dass der Laptop noch am 23.9. abgeschickt wird.
2. § 271 könnte jedoch ohnehin von § 475 Abs. 1 verdrängt sein. § 475 Abs. 1 ist anwendbar, weil ein Verbrauchsgüterkauf iSd § 474 Abs. 1 S. 1 vorliegt. § 271 ist daher verdrängt, die Fälligkeit richtet sich allein nach § 475 Abs. 1. Die Lieferung hat danach lediglich unverzüglich zu erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern (vgl § 121). Die Absendung erst am Folgetag der Bestellung ist kein schuldhaftes Zögern, da die Kapazitäten der B-GmbH wegen der vielen Erkrankungen beschränkt sind und die B-GmbH fair handelt, wenn sie die Bestellungen nach zeitlicher Priorität abarbeitet. Der Anspruch ist daher nicht schon am 23.9. fällig.
Ergebnis: A hat gegen die B-GmbH keinen Anspruch auf Absendung des Gaming Laptops am 23.9.
Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 6 Modalitäten der Leistungserbringung › II. Leistungsort (§ 269)
II. Leistungsort (§ 269)
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Fall 25:
A kauft bei B zwei Kaninchen und bezahlt diese sofort.
1. Variante: Beide vereinbaren, dass B die Kaninchen dem A bringen soll.
2. Variante: Beide vereinbaren, dass B die Kaninchen dem A schicken soll.
3. Variante: Beide vereinbaren gar nichts.
Frage: Was muss B jeweils tun, um seiner Verpflichtung aus dem Kaufvertrag nachzukommen?
Fall 26 (nach OLG Hamm, NJW-RR 2016, 177): A hat bei der Privatperson B ein Auto in Coesfeld gekauft. Da B allerdings in den Fahrzeugpapieren absichtlich eine zu geringe Laufleistung angegeben hat, erklärt A umgehend den Rücktritt vom Kaufvertrag, als er dies zuhause in Detmold herausfindet. Er fordert B auf, ihm den Kaufpreis in Detmold zurückzuzahlen – Zug um Zug gegen Rückgabe des Autos. Kann B die Rückzahlung des Kaufpreises in Detmold verlangen? Lösung Rn 313
1. Begriff des Leistungsorts
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Mit „Leistungsort“ iSd § 269 ist der Ort der Leistungshandlung gemeint, also der Ort, an dem der Schuldner seine letzte Handlung zur Erfüllung seiner Pflicht vornehmen muss. Dieser Ort wird in den §§ 447 Abs. 1, 448 Abs. 1 und 644 Abs. 2 auch als „Erfüllungsort“ bezeichnet. Nur, wenn der Schuldner seine Leistung am richtigen Ort erbringt, kann er von seiner Leistungspflicht frei werden. Wenn der Schuldner seine Leistung an einem anderen Ort anbietet, kann der Gläubiger sie zurückweisen, ohne in Annahmeverzug (§§ 293 ff) zu geraten. Der Erfüllungsort ist auch für den Schuldnerverzug[18] und für die Konkretisierung von Gattungsschulden gem. § 243 Abs. 2[19] relevant.
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§ 269 Abs. 1 ist auf alle Schuldverhältnisse anzuwenden. Bis heute umstritten ist das für den Erfüllungsort der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers aus §§ 437 Nr 1, 439. Für die gelebte Praxis des Rechts hat der BGH diesen Streit aber inzwischen weitgehend geklärt: Auch für die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ist § 269 der maßgebliche Regelungsort.[20]
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