BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann
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Der Gläubiger kann die Teilleistung allerdings auch annehmen, denn § 266 begründet nur ein Recht, nicht aber eine Pflicht zur Annahmeverweigerung. Nimmt er die Teilleistung an, kann er vom ganzen Vertrag nur dann zurücktreten (bzw Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen), wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat (§§ 323 Abs. 5 S. 1, 281 Abs. 1 S. 2).[43] Diese Grenzen gelten freilich nicht für den ausgebliebenen Leistungsteil; insoweit kann der Gläubiger schlicht eine Frist setzen und nach deren Ablauf aus § 323 Abs. 1 bzw §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 1. Alt. vorgehen.
5. Ausnahmen von der fehlenden Teilleistungsberechtigung
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Der Schuldner kann – entgegen der Regel des § 266 – auch zu Teilleistungen berechtigt sein. § 266 ist dispositives Recht; Parteivereinbarungen sind vorrangig. Eine Teilleistungsberechtigung besteht also ohne Weiteres, wenn sie von den Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbart ist.[44] Eine Teilleistungsvereinbarung besteht etwa, wenn Ratenzahlung vereinbart ist. Dann ist die Schuld ja nicht etwa am Stück, sondern eben in einzelnen Raten zu zahlen. Jede einzelne der vereinbarten Raten ist dann zum jeweiligen Leistungstermin die ganze zu diesem Termin geschuldete Leistung. Der Gläubiger kann sie nicht zurückweisen, ohne insoweit in Annahmeverzug zu kommen. Ebenso liegt es beim Sukzessivlieferungsvertrag. Auch bei ihm gilt § 266 nicht für die gesamte Leistung, sondern nur jeweils für die einzelnen Teillieferungen. Auch bei wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen – wie etwa der Zahlung des Mietzinses – liegt in der Zahlung der jeweils fälligen Miete eine vollständige Leistung.
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Besondere Regeln bestehen für das Rücktrittsrecht und die Schadensersatzansprüche des Gläubigers bei Teilunmöglichkeit, also für den Fall, dass die geschuldete Leistung nur zum Teil unmöglich ist (vgl Fall 29 Variante 2). Gem. § 323 Abs. 5 S. 1 und §§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 2 setzen die Gläubigerrechte voraus, dass der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse hat. Dagegen bestehen sie bei qualitativer Teilunmöglichkeit (also vor allem bei mangelhafter Lieferung) nur dann nicht, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2).[45]
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Eine Teilleistungsberechtigung des Schuldners kann sich auch aus besonderen Bestimmungen ergeben. Dazu gehören § 39 Abs. 2 Wechselgesetz und § 43 Abs. 2 Scheckgesetz. Auch § 497 Abs. 3 S. 2 gewährt eine Teilleistungsberechtigung. § 266 gilt, wie sich aus § 389 ergibt („soweit“), nicht für die Aufrechnung: Der Schuldner kann also auch mit einer geringfügigeren Forderung teilweise aufrechnen.
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Die Zurückweisung einer Teilleistung nach § 266 kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) verstoßen. So liegt es beispielsweise, wenn eine ganz geringfügige Mankolieferung vorliegt, deren Zurückweisung auch unter Berücksichtigung des Gläubigerinteresses am Erhalt der gesamten Leistung treuwidrig wäre. Ein Beispiel bietet die Lieferung des Weinlieferanten, der die hundertste der 100 geschuldeten Kisten Wein vergessen und nur 99 Kisten angeliefert hat. Eine Annahmepflicht kann den Gläubiger auch dann treffen, wenn der Schuldner annehmen darf, er schulde gar nicht mehr als das Geleistete oder auch dann, wenn er gar nicht vollständig leisten kann.[46]
6. Lösung Fall 29
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A könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der Fütterungskosten aus § 304 haben.
I. B muss sich dazu im Annahmeverzug (§§ 293, 294) befinden, der durch ein tatsächliches Angebot gemäß § 294 ausgelöst werden kann.
1. A hat B drei Kaninchen angeboten, obwohl im Kaufvertrag die Lieferung von fünf Kaninchen aus dem zuvor bestimmten Wurf vereinbart worden waren. Gemäß § 266 ist der Schuldner nicht zu einer Teilleistung berechtigt. Teilleistungen kann der Gläubiger zurückweisen, ohne in Annahmeverzug zu geraten, weil die Leistung dann gerade nicht in der geschuldeten Form angeboten wird.
2. Ausnahmsweise kann jedoch ein Recht zur Teilleistung bestehen:
Zu Fallvariante a): Hier kann sich eine Teilleistungsberechtigung aus einer Parteivereinbarung ergeben: A und B haben vereinbart, dass A eine geringere Anzahl an Kaninchen liefern darf, wenn bestimmte Kaninchen von der Tochter des A als besonders süß empfunden werden und sie die Kaninchen behalten möchte. Die Tochter fand zwei Kaninchen süß, so dass A dazu berechtigt war, nur drei Kaninchen zu liefern.
Zu Fallvariante b): Eine Teilleistung kann ferner nicht zurückgewiesen werden, wenn nur noch die Lieferung eines Teils der Leistung möglich ist. Das setzt Unmöglichkeit des anderen Teils gem. § 275 Abs. 1 voraus. Die Leistungspflicht beschränkt sich dann auf den nunmehr möglichen Teil. Der Gläubiger ist dadurch nicht schutzlos: Wenn er kein Interesse an der Teilleistung hat, kann er gem. § 323 Abs. 5 S. 1 vom gesamten Vertrag zurücktreten. Die Lieferpflicht des A war auf die fünf Kaninchen des vorher bestimmten Wurfs beschränkt. Nur drei Kaninchen kamen lebend zur Welt. Die Lieferung der weiteren zwei Kaninchen ist daher objektiv unmöglich (§ 275 Abs. 1). Daher bestand kein Zurückweisungsrecht des B. B hat auch weder ausdrücklich noch konkludent den Rücktritt erklärt; er bestand vielmehr auf Lieferung. A war also zur Lieferung der drei Kaninchen berechtigt.
3. B hatte daher in beiden Fallvarianten kein Zurückweisungsrecht und ist in Gläubigerverzug geraten.
II. Bei den Fütterungskosten handelt es sich auch um freiwillige Vermögensopfer, also Aufwendungen. Die Aufwendungen sind zudem infolge des erfolglosen Angebots angefallen und sie dienten auch dazu, die geschuldeten Kaninchen zu pflegen, sie also zu erhalten.
Ergebnis: A hat gegen B in beiden Fallvarianten einen Anspruch auf Ersatz der Fütterungskosten aus § 304.
Anmerkungen
MünchKomm/Krüger, BGB8, § 271 Rn 2.
Einzelheiten zum Annahmeverzug unten Rn 797 ff.
BGH NJW 1971, 979.
BGH DNotZ 2005, 375, 376.
BGH NJW 2017, 104.