DS-GVO/BDSG. David Klein

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DS-GVO/BDSG - David  Klein Heidelberger Kommentar

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Letztlich will die Art.-29-Datenschutzgruppe wohl ein „Rosinenpicken“ verhindern, indem eine Datenverarbeitung nachträglich durch einen anderen Zulässigkeitstatbestand des Art. 6 Abs. 1 als „back-up“ legitimiert werden soll. Insofern sollen anscheinend insbesondere Fallkonstellationen ausgeschlossen werden, in denen eine Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a unwirksam ist, die Datenverarbeitung aber dann über Art. 6 Abs. 1 lit. f im Rahmen einer Interessenabwägung legitimiert werden soll. Diese Auffassung ist allerdings weder mit der DS-GVO vereinbar noch steht sie im Einklang mit früheren Aussagen der Art.-29-Datenschutzgruppe: Denn zum einen erklärt Art. 6 Abs. 1 eine Datenverarbeitung ausdrücklich für zulässig, wenn „mindestens“ einer der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist und geht dadurch offensichtlich davon aus, dass eine Datenverarbeitung aufgrund mehrerer Zulässigkeitstatbestände rechtmäßig sein kann. Auch Art. 6 Abs. 1 lit. a postuliert explizit, dass eine Einwilligung für mehrere Zwecke erteilt werden kann und nicht auf eine Datenverarbeitung zu nur einem Zweck beschränkt ist. Insofern findet die Ansicht der Art.-29-Datenschutzgruppe keine Stütze im Wortlaut der Verordnung. Hinzu tritt, dass nach Art. 17 Abs. 1 lit. b im Falle des Widerrufs einer Einwilligung ein Löschanspruch der betroffenen Person nur dann besteht, wenn es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Daraus folgt, dass der Verordnungsgeber die Möglichkeit des Verantwortlichen neben der Einwilligung auch einen anderen Erlaubnistatbestand (z.B. Art. 6 Abs. 1 lit. f) heranzuziehen, ausdrücklich vorgesehen hat. Ferner räumt die Art.-29-Datenschutzgruppe durch ihre Sichtweise dem Einwilligungstatbestand im Verhältnis zu den anderen Zulässigkeitstatbeständen des Art. 6 Abs. 1 praktisch einen Vorrang ein und setzt sich damit in Widerspruch zu ihrem WP 217[260] indem sie feststellt, dass „keine rechtliche Unterscheidung (…) vorgenommen und nicht vom Bestehen einer Rangfolge“[261] zwischen den Erlaubnistatbeständen ausgegangen werden kann. Denn es gebe „keinen Hinweis darauf, dass [die Interessenabwägung] nur in Ausnahmefällen angewendet werden sollte, und dem Text ist auch sonst nicht zu entnehmen, dass die spezielle Reihenfolge der sechs rechtlichen Voraussetzungen irgendeine rechtserhebliche Wirkung hat.“[262] Zudem nennt die Art.-29-Datenschutzgruppe als die „wichtigste Erkenntnis [der] Stellungnahme, dass die Einwilligung nicht die Hauptgrundlage, sondern nur eine von mehreren Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt.“[263] Zwar bezieht sich das WP 217 auf Art. 7 Abs. 1 lit. f DSRL, gleichwohl entspricht die Vorschrift im Wesentlichen dem heutigen Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO[264], so dass die Aussagen des WP 217 übertragbar sind und entsprechende Geltung beanspruchen. Das Gleiche gilt in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch für Art. 6 Abs. 1 lit. f.[265] So kann der Verantwortliche z.B. transparent darstellen, dass er seine Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 lit. f stützt sowie zusätzlich nach seiner Auffassung ein Erlaubnistatbestand z.B. nach Art. 6 Abs. 1 lit. b in Frage kommt. Wesentlich ist allerdings, dass die betroffene Person gem. Art. 13 Abs. 1 lit. c und d transparent über den jeweiligen Erlaubnistatbestand bzw. über die Einschlägigkeit mehrerer Erlaubnistatbestände und den Umstand informiert wird, warum ein Verantwortlicher der Überzeugung ist, dass seine Verarbeitung nach diesem Erlaubnistatbestand rechtmäßig ist. Insofern ist eine Legitimierung einer Datenverarbeitung durch mehrere Erlaubnistatbestände nur dann möglich, wenn der Verantwortliche über diese bereits im Rahmen der Information hinreichend transparent aufgeklärt hat. Nicht zulässig dürfte es sein, dass sich ein Verantwortlicher zur Rechtfertigung einer Datenverarbeitung etwa auf die Einwilligung beruft, im Falle ihres Widerrufs oder ihrer Unwirksamkeit dann aber einen anderen Erlaubnistatbestand (etwa Art. 6 Abs. 1 lit. f) „nachschiebt“.

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      Fraglich ist allerdings in der Praxis, inwieweit sich eine widerrufene Einwilligung auf die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f und somit auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung auswirkt. Art. 17 Abs. 1 lit. b enthält insofern die Aussage, dass sofern eine betroffene Person ihre Einwilligung widerruft, dieser entgegenstehende Wille im Rahmen der Interessenabwägung zwar zu berücksichtigen ist, dies aber nicht zwangsläufig zu einem Überwiegen der Betroffeneninteressen führt, sondern vielmehr eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Widerrufs notwendig ist. Hierbei ist es theoretisch möglich, dass die Interessen des Verantwortlichen die Interessen der betroffenen Person, trotz widerrufener Einwilligung, überwiegen und so die Datenverarbeitung rechtfertigen.

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      Als Anwendungsbeispiel ließe sich etwa an folgende Fallkonstellation denken: Verarbeitet etwa ein Anbieter von eLearning-Seminaren durch Aufzeichnung des Seminars die Daten der Teilnehmer, so kann der Anbieter als verantwortliche Stelle die Datenverarbeitung etwa auf Art. 6 Abs. 1 lit. a, b und f stützen. Eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 lit. b endet mit Vertragserfüllung. Sofern eine betroffene Person nunmehr ihre Einwilligung widerruft, folgt daraus nach Art. 6 Abs. 1 lit. b noch keine Löschverpflichtung des Anbieters, sofern dieser seine Datenverarbeitung bereits von Anfang an auch auf Art. 6 Abs. 1 lit. f gestützt hat. Vielmehr sind die Voraussetzungen einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f unter Berücksichtigung der Tatsache des Widerrufs und der sonstigen Interessenlage zu prüfen. Unter Umständen bleibt so nach der Systematik der DS-GVO der Widerruf der Einwilligung hinsichtlich der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung und einer bestehenden Löschverpflichtung aufgrund des Widerrufs im Ergebnis ohne Bedeutung, weil eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f möglich bleibt. Nach Art. 17 Abs. 1 lit. b führt also der Widerruf der Einwilligung nicht zwangsläufig zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Person im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 lit. f. Diese Fallkonstellation ist freilich nur denkbar, sofern die verantwortliche Stelle bereits bei Erhebung der personenbezogenen Daten sowohl Art. 6 Abs. 1 lit. a als auch lit. b und insbesondere lit. f ausdrücklich als Erlaubnistatbestand benannt und darüber informiert hat.

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      Die beiden Interessen, die im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 lit. f abzuwägen sind, sind auf der einen Seite das berechtigte Interesse des Verantwortlichen und auf der anderen Seite das diesem entgegenstehende überwiegende Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person.

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