Der Tod setzt Segel. Robin Stevens

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Der Tod setzt Segel - Robin Stevens Ein Fall für Wells & Wong

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nicht! Es ist immer noch ein Land, genau wie England. Es ist wie in Hongkong, Daisy: Es gibt Regeln, auch wenn es andere sind, als die, die du gewohnt bist. Genau das ist es, was Mrs Miller und der Hauch-des-Lebens nicht begreifen.«

      »Ich weiß.« Daisy seufzte. »Ich habe nur Spaß gemacht. Aber aufregend ist es doch. Auf dieser Reise wird noch einiges Merkwürdiges geschehen, wart’s nur ab!«

      Ihre Augen funkelten – trotzdem glaube ich nicht, dass sie auch nur im Geringsten ahnte, wie merkwürdig es werden sollte. Ich für meinen Teil habe es gewiss nicht. Wenn ich mich jetzt an diesen Augenblick zurückerinnere – als noch nichts vorgefallen war, als wir noch glücklich waren und gemeinsam mit unseren Freunden unter der Sonne über den bunten Fluss schipperten – tut es mir im Herzen weh.

      Es war Sonntag, der 13. Dezember, und Theodora Miller hatte noch einen Tag zu leben.

      Und Daisy Wells hatte zwei.

      • TEIL ZWEI •

      DER TOD WARTET

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      1

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      Bis zum Abend würden wir in Luxor bleiben, daher schwankten wir nach dem Mittagessen (noch mehr von dem süßen dunkelroten Getränk – das Amina uns als Hibiskussaft vorstellte –, juwelenartige Salate aus Obst, Fleisch und Kräutern auf großzügigen Tabletts, gefolgt von Tellern mit winzigen Küchlein, die nach Datteln, Zimt und Mandeln schmeckten) über den Landungssteg wieder an Land und wurden in einer staubigen Kette aus Kutschen zum Karnak-Tempel gefahren.

      Als wir dort ankamen, war ich etwas unsicher, was ich erwartet hatte. Das Alte Ägypten ist für mich ein Ort, das in meinen Büchern existiert. Ich hatte mir seine Ruinen nur von den Ausmaßen der größeren Gebäude in Hongkong vorgestellt, weil ich mir etwas Gewaltigeres nicht ausmalen konnte. Doch ein einziger Blick auf die Steilhänge über mir genügte, um zu begreifen, dass ich bisher gar nichts begriffen hatte. Diese Ruinen waren nicht für Menschen erbaut, nicht mit menschengroßen Fenstern und Türen. Sie waren erschaffen für Götter und Menschen sollten vor ihnen in Ehrfurcht erstarren.

      »Dies ist Karnak!«, verkündete unser Führer. »Siebenundzwanzig Herrscher haben über zweitausend Jahre lang daran gebaut. Das Herzstück ist die Große Säulenhalle, in der es einhundertundsechsunddreißig wunderschöne Säulen gibt. Ladys und Gentlemen, folgen Sie mir und staunen Sie!«

      Ich schaute und schaute und schaute. Die Höhe der Dinge, die offenen, starrenden Gesichter der halb verfallenen Statuen, die tiefen Schatten und die grell leuchtenden Wände raubten mir den Atem. Dann tauchten wir in den Schatten der großen Säulen selbst. Es war, wie in kaltes Wasser zu steigen oder einen Wald bei Zwielicht zu betreten – plötzlich war alles still, ruhig und geheimnisvoll.

      Der Führer erzählte weiter, vom Gott Amun-Re und dessen Frau und Sohn, immer leiser, während ich wie verzaubert durch die Säulen in eine andere Richtung driftete. Der Himmel war blau und weit entfernt. Die Sonne malte lebhafte Streifen auf die obersten Enden der Säulen. Ich betrachtete die eingemeißelten Bilder auf meiner Augenhöhe – Menschen mit scharfen Gesichtszügen, geschwungene Symbole, seltsame Tiere – und kam mir klein wie ein Fingernagel vor, so vergänglich. Dies hier existierte seit mehr als dreitausend Jahren. Ich versuchte mir vorzustellen, wie jemand wie ich diese Biene meißelte, diese Gans in den Stein hieb, so wie ich unsere Abenteuer in meinen Fallbüchern festhielt, und scheiterte. Der Gedanke daran, dass meine Worte Jahre nach meinem Tod weiterexistieren sollten, machte meine Beine ganz schwach, sodass ich ihn abschütteln musste.

      Daisy blieb vor einem halb verdeckten Fries von einem Gott mit einem Anch in der ausgestreckten Hand stehen, das er wie ein Geschenk oder auch wie eine Waffe hielt. Dabei hatte sie selbst große Ähnlichkeit mit einem Gemälde – und als ich zu meiner Linken blickte, fiel mir auf, dass auch Amina sie beobachtete. Ich fragte mich, ob ihr wohl ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf ging.

      »Ich weiß nicht, ob mir das hier gefällt«, sagte George, der plötzlich neben mir auftauchte. Verwundert drehte ich mich ihm zu. »Warum auch!«, sagte er schulterzuckend. »Wir betrachten Tempel, die angeblich von Königen für Götter errichtet wurden – dabei wurde die wahre Arbeit von einer Menge Menschen erledigt, die dafür niemals Anerkennung bekommen haben. Alles dreht sich um die Pharaonen, nicht wahr, obwohl die niemals einen Finger krumm gemacht haben, um all das zu erschaffen?«

      Darüber ärgerte ich mich zur Hälfte. Zur anderen Hälfte fühlte ich – nun, so wie ich mich bei George immer fühle: als hätte er meinen Horizont in eine Richtung erweitert, für die ich nicht unbedingt dankbar war.

      »Trotzdem können wir noch immer sehen, was sie geschaffen haben«, sagte ich. »Geht es nicht darum? Das alles ist so schön und es hat überdauert.«

      »Nur weil es schön ist, ist es nicht automatisch gut«, meinte George – und blickte ebenfalls zu Daisy hinüber. »Einige schöne Dinge sind gut, was allerdings nicht bedeutet, dass sie es auch bleiben.«

      »George, jetzt krieg dich wieder ein!«, sagte Alexander, der um eine Säule herumkam und ihn mit dem Ellbogen in die Rippen stieß. »Kannst du es nicht einfach genießen? Wir sind in Ägypten!«

      »Sind wir«, sagte George. »Und zwar genau aus diesem Grund, nicht? Um uns ägyptische Ruinen anzusehen …?« Dabei blickte er Alexander direkt an, dann mich, und ich spürte, wie mir die Hitze in den Kopf schoss. »Also ich gehe jetzt da rüber und studiere diese hochinteressante Wand. Viel Spaß, ihr zwei.«

      Alexander und ich blieben allein zurück.

      Beide starrten wir stur geradeaus auf die Bildhauerei – und obwohl ich ihn nicht ansah, spürte ich ihn neben mir, als hätte ich auf einmal so eine Art zweites Gesicht.

      »Ich, äh, ich finde es hübsch«, sagte Alexander nach einer Weile.

      »Oh, ich auch!« Ich wandte ihm den Kopf zu, genau im selben Moment als er sich zu mir drehte.

      Irgendwie war das sogar noch schlimmer, unerträglich sogar, und wir wandten uns schnell wieder ab.

      »Bisher finde ich Ägypten toll«, sagte ich dämlich, als wäre ich so alt wie May.

      Die Stille zwischen uns schien wie ein entzündeter Faden zu brennen und sich hinzuziehen. Und plötzlich tauchte hinter einer Säule ein Mann mit Turban auf und sagte: »Lady! Ich kann Ihnen einen Mumienfinger verkaufen. Ein echter Finger! Zum besten Preis! Hier, Junge, kauf ihn für dein Mädchen! Vielleicht liebt sie dich dann!«

      »Nein, danke!«, rief ich entsetzt.

      Im nächsten Moment war natürlich Daisy da und fragte: »Ein echter Finger? Darf ich mal sehen? Was für eine Mumie? Was genau ist mit ihr passiert?« Ich musste sie fortzerren. Es dauerte lange, bis meine Wangen nicht mehr rot waren – bis wir wieder auf dem Schiff waren und Daisy und ich Seite an Seite auf dem Oberdeck saßen, zusahen, wie die Sonne dem entfernten Horizont entgegeneilte und den Himmel in blutiges Orange tauchte.

      »Weißt du«, sagte Daisy und lehnte sich an mich, »im Tempel habe ich etwas gehört, von dem ich dir noch gar nicht erzählt habe. Es war kurz bevor dieser Mann uns den Finger verkaufen wollte – den du mich im Übrigen wirklich hättest kaufen lassen sollen,

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