Der Tod setzt Segel. Robin Stevens

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Der Tod setzt Segel - Robin Stevens Ein Fall für Wells & Wong

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aus saftigen Früchten und Blätterteiggebäck auf dem Oberdeck, begleitet von winzigen Tassen mit schwarzem Kaffee. Ich beschloss, einen zu trinken, um erwachsen zu wirken, musste ihn aber angeekelt wegstellen, weil er so bitter und stark war.

      Wieder schipperten wir an niedrigen grünen Palmen und hohen gelben Bergen vorüber, während der breite Fluss um uns ruhig und dunkelblau dalag. Feluken glitten mit geblähten Segeln vorbei, Enten paddelten im Wasser und am Ufer jagte ein Mann in einer weißen Dschallabija seine Esel, die sich losgerissen hatten. Als wir die Esna-Schleuse passierten, ging ein Großteil unserer Reisegruppe an Deck, um zuzusehen, wie das Schiff prächtig in die Höhe schwebte. Rhiannon Bartleby spazierte vorüber und suchte händeringend nach ihrer Brille (die auf ihrem Kopf saß), weswegen sie von Theodora angekeift wurde. Heppy war schwer damit beschäftigt, für die anderen des Hauch-des-Lebens Sachen zu holen und zu tragen. Sie wirkte müde, wie ich fand, und tat mir umso mehr leid.

      Dann fuhren wir weiter. May beugte sich über die Reling und versuchte, Dinge in das sich drehende Schaufelrad zu werfen. Pik An, die recht grün um die Nase wirkte (im Zug hatte sie Salat gegessen, der ihr nicht gut bekommen war), zerrte sie fort.

      Am Nachmittag, als die Sonne schwer und heiß im Westen stand, ging das Schiff vor einer staubigen kleinen Stadt vor Anker und in einer Prozession von Pferden und Karren ratterten wir von dannen zu einem anderen Tempel. Pik An kam nicht mit – sie war wegen ihrer Lebensmittelvergiftung so grün wie nie und musste die Kabine hüten.

      Die trockene Hitze Ägyptens schillerte und die grellen, in der Sonne strahlenden Wände und Säulen überwältigten mich. Wohin ich auch blickte, gab es noch einen Pharao, der seine Feinde niederschmetterte, noch einen Gott mit einem Krokodil- oder Schakal- oder Löwengesicht. Dieser Tempel hatte eine Decke und die Räume waren dunkel. Mit der Zeit stellte sich in meinem Magen ein mehr als mulmiges Gefühl ein. Zugegeben kann ich nicht sagen, ob ich mir dieses Gefühl rückblickend nur einbilde – wegen dem, was später passierte –, aber ich erinnere mich wirklich daran, wie ich unter einem gewaltigen Fries stand und so aufgewühlt war, dass ich beinahe zitterte.

      »Schau«, sagte Amina mit vor Begeisterung funkelnden Augen zu Daisy. Sie hatte selbstverständlich keine Angst. »Das ist Osiris. Er wurde von seinem Bruder Seth umgebracht –«

      »Welches Motiv?«, unterbrach Daisy sie.

      »Ach, Eifersucht, schätze ich«, antwortete Amina schulterzuckend. »Jedenfalls zerschnitt Seth Osiris in vierzehn Teile und verstreute sie im Nil. Doch die Frau von Osiris, Isis, ist den Nil auf und ab geflogen, bis sie alle gefunden hatte und Osiris wieder zusammensetzen konnte. Anschließend trugen beide ihrem Sohn Horus auf, nach Seth zu suchen, um Rache dafür zu üben, dass er seinen Vater zerstückelt hatte. Siehst du, das da ist Horus. Er hat Seth gefesselt.«

      »Ist das nicht famos?!«, flüsterte Daisy mir ins Ohr. »Sogar die Alten Ägypter hatten es mit Mordfällen zu tun! Glaubst du, Isis war die erste Detektivin?«

      »Sie war keine Detektivin«, sagte Amina und sah Daisy ein bisschen seltsam an. »Sie war eine Göttin.«

      »Ja, ja, natürlich«, sagte Daisy. »Komm, Hazel, da drüben steht ein Mann, der sagt, er kann mir eine mumifizierte Schlange verkaufen!«

      Und dann dämmerte es. Wieder war es Abendessenszeit (das war wirklich herrlich an der Hatschepsut, wie ungeheuer viel Essen es immer gab) und Theodora erhob sich, um zu verkünden, dass sie an diesem Abend im Salon ein Ritual abhalten wollte.

      Typisch für Theodora Miller sagte sie es selbstverständlich sehr barsch.

      »Ich möchte, dass Sie alle den Salon heute Abend räumen, verstanden?«, sagte sie zu Mr Mansour. »Ich will ein Ritual abhalten.«

      »Aber Madam, die anderen Gäste –«

      »Die anderen Gäste spielen keine Rolle«, unterbrach Mrs Miller ihn, und ich merkte, wie Vater neben mir zu brodeln begann. »Das Ritual zum Abwägen des Herzens duldet keinen Aufschub, verstanden?«

      Mr DeWitt, Heppy und Miss Bartleby strahlten – doch Daniel warf verärgert die Hände in die Luft und Miss Doggett presste mit bebenden Nasenflügeln die Lippen zusammen.

      »Theodora«, sagte sie. »Auf ein Wort?«

      »Nicht jetzt, Ida«, entgegnete Theodora Miller. »Das Ritual wird um zehn Uhr abends im Salon stattfinden. Da wir OHNE unsere heiligen Gegenstände sind, weil EINER VON UNS sie in Alexandria im Zollhaus gelassen hat«, hierbei sah sie vorwurfsvoll Heppy an, die mit glänzenden Augen rot wurde, »müssen wir eben improvisieren. Wir brauchen eine Waage, eine Feder, ein Messer und – selbstverständlich – den Kelch des Lebens. Rhiannon, wenn du dich darum kümmern würdest, alles zu besorgen?«

      »Das kann ich doch tun, Mu– Theodora«, bot Heppy hoffnungsvoll an.

      »Nein, Heppy«, widersprach Theodora. »Du verschusselst es nur, wie das letzte Mal.«

      Heppy ließ die Schultern hängen.

      »Theo, wenn ich dich kurz unter vier Augen sprechen könnte!«, versuchte es Miss Doggett erneut.

      »WAS?«, fuhr Theodora sie an und wandte sich angriffslustig zu Ida um.

      Sie tuschelten – neben mir reckte Daisy sich wie eine Schlingpflanze, um zu lauschen, doch leider stand unser Tisch zu weit entfernt. Wir sahen nur, wie Mrs Miller entschieden den Kopf schüttelte, Miss Doggett die Augen zu Schlitzen verzog und anschließend aufsprang, um aus dem Zimmer zu stolzieren.

      Alle waren einen Moment lang wie versteinert, unsicher, wie sie so tun könnten, als hätten sie diese Szene eben nicht miterlebt – bis Miss Bartleby in die Hände klatschte und gut gelaunt fragte: »Also, wer hilft mir dabei, ein Messer zu organisieren?« Damit schien der Bann gebrochen.

      »Oh, was hat sie nur gesagt?!«, hauchte Daisy mir zu.

      »Ich hab’s gehört«, ertönte eine Stimme zu unseren Füßen – und als wir nach unten blickten, sahen wir meine kleine Schwester May, außer Puste und reichlich zerknittert. »Ich hab mich unter dem Tisch versteckt«, verriet sie uns, während sie sich die Haare aus den Augen schob. Schon wieder hatte sich ihr Zopf gelockert.

      »Wie kommst du denn auf so was?!«, rief ich.

      »Ich übe, weil ich mal Spionin werden will«, erklärte May. »Wollt ihr wissen, was ich belauscht habe? Die dürre weiße Frau –«

      »Miss Doggett«, übersetzte ich für Daisy.

      »Die also. Sie sagte zu der grässlichen weißen Frau –«

      »Mrs Miller.«

      »Ja, DIE. Jetzt tu nicht so erwachsen, sondern hör zu! Also sie sagte, dass es kein guter Zeitpunkt für das Ritual ist und sie die Götter zum Gespött der Leute macht und dass sie sie dafür … niederstricken würden. Das Wort kenne ich nicht – was heißt das?« May redete nun wieder auf Kantonesisch, was sie immer tat, wenn sie sich ärgerte oder verwirrt war.

      »Meinst du niederstrecken?«, fragte ich auf Englisch.

      »Kann sein – Englisch ist eine doofe Sprache. Was bedeutet es?«

      »Es bedeutet töten«, sagte ich und dachte an die Tempelwände. »Könige machen das, wenn sie sich über andere ärgern.«

      »Oooh«,

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