Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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zentrale Stellenwert der traditionellen, publizistischen Massenmedien hängt aber v. a. auch damit zusammen, dass sie sich von anderen Organisationen, die ebenfalls Themen für die öffentliche Kommunikation bereitstellen (wie politische Akteure, Kulturorganisationen, Unternehmen oder auch Corporate-Publishing-Produkte) elementar unterscheiden: Sie können sich „glaubwürdig als Intermediäre ausflaggen“, weil sie „eine gesellschaftlich vermittelnde Funktion wahrnehmen“ (Jarren 2009: 3). Gerade als Intermediäre erbringen publizistische Medien elementare Vermittlungsleistungen zwischen Staat und Gesellschaft44: „sie bieten sich als Organisationen für das Zeitgespräch an, sie organisieren und moderieren Foren und sie laden zum Dialog ein“ (ebd.). Publizistische Medien, die so agieren, kann man daher als „intersystemische Organisationen“ (Jarren 2008: 342) begreifen, weil sie „eine hochgradig institutionalisierte Vermittlungsrolle für alle Akteure der Gesellschaft“ (ebd.) übernehmen.

      Damit tun sie aber genau das, was den zersplitterten, durch eine Unzahl von jeweiligen Spezialinteressen zusammengehaltenen Zufallsgruppen auf diversen Social-Media-Plattformen abgeht: Sie richten den Blick aufs Ganze, indem sie verschiedene (auch widersprüchliche) Momente gesellschaftlicher Entwicklungen recherchieren, selektieren und kommentieren und so die „Unterstellung universeller Informiertheit“ (Luhmann 1981: 314) erzeugen. Das Wissen um ihre hohen Reichweiten führt beim Rezeptionsprozess außerdem dazu, dass man das „Bekanntsein des Bekanntseins“ (Luhmann 1996: 43) voraussetzen kann, d. h., jede·r Einzelne kann davon ausgehen, dass er·sie die publizierten Themen auch bei allen (jedenfalls: bei sehr vielen) anderen als bekannt unterstellen kann. Das verschafft den publizistischen Medien (insb. den Leitmedien) eine herausragende Stellung, die dazu führt, dass man in sozial unsicheren Situationen zu ihnen wechselt und ihnen auch bei der Überprüfung von Informationen besondere Beachtung schenkt (Jarren 2008: 335). Insgesamt ermöglichen die publizistischen Medien durch diese „Bereitstellungsleistungen eine gesamtgesellschaftliche Koordinierung. Das ist zwar nicht ihr Ziel, wohl aber das nicht intendierte Ergebnis der Medienleistungen – und darauf sind die einzelnen Gesellschaftsmitglieder angewiesen“ (Jarren 2009: 1, vgl. auch: Altmeppen/Donges/Künzler [u. a.] 2015).

      Alles in allem wird deutlich, dass der Prozess der Massenkommunikation, wie er vorhin (Kap. 5.1) ausführlich besprochen und definiert worden ist, auch zu Beginn des dritten Jahrtausends noch nicht ausgedient hat. Erst wenn sich die Diffusion von Information in unseren Gesellschaften so sehr gewandelt haben sollte, dass publizistische Medien obsolet geworden sind, erst dann wird auch von Massenkommunikation nicht mehr sinnvoll die Rede sein können.

      Auch wenn dafür bislang, wie gezeigt werden konnte, sowohl empirische Hinweise als auch angemessene Argumente fehlen, so bedeutet dies freilich nicht, dass medial vermittelte, öffentliche Kommunikation auch in Zukunft vorrangig als Massenkommunikation im traditionellen Sinn in Erscheinung treten wird. Neuberger (2017) hat darauf hingewiesen, dass sich neue Variationen im Internet längst anbahnen: Neben dem dispersen Publikum der Massenmedien nennt er additive und kopräsente Kollektive als zwei neue Typen von unorganisierten Kollektivphänomenen im Internet, bei denen die Interaktion einer Vielzahl von Akteuren möglich ist. Darauf wird weiter unten (Kap. 7.8) noch näher eingegangen.

      In den nächsten beiden Kapiteln dieses Buches soll jedenfalls die Bedeutung von Massenkommunikation aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive auf Basis bisher vorliegender, relevanter (kommunikations-)wissenschaftlicher Befunde zum Thema gemacht werden.

      –Im Kapitel 6 geht es um die Frage der Wirkung jener Aussagen, die über Massenkommunikation an eine unübersehbar große Zahl von Menschen vermittelt werden.

      –Im Kapitel 7 stehen sodann die Strukturen der modernen Kommunikationsgesellschaft im Mittelpunkt.

      Freilich wird dies alles abermals – soweit, wie möglich – mit Blick auf die Ausbreitung des Internets und die damit verbundenen kommunikationstechnischen Innovationen geschehen, denn eines steht fest: Sowohl interpersonale als auch massenmediale Kommunikationsprozesse können heute und in Zukunft ohne die Existenz der wohl bald den gesamten Globus umspannenden, internetbasierten Infrastruktur nicht mehr angemessen betrachtet und analysiert werden.

      1Die Zahl der Radio- und TV-Sender (insb. privatwirtschaftlich organisierter) hat sich vervielfacht, über Kabel und Satellit sowie online sind rund um die Uhr diverse Spartenkanäle zu empfangen und auch im Printbereich ist eine unermessliche Fülle an Special-Interest-Produkten entstanden.

      2Als Urheber gelten der Radiopionier und Gründer der National Broadcasting Company (NBC) David Sarnoff (Peters/Simonson 2004: 9), aber auch Harry P. Davis, damals Vice President des Elektrokonzerns Westinghouse, der die Wortkombination 1930 in einem Buch über das Radio (Davis 1930) verwendete.

      3Überdies ist das Publizieren heute längst nicht mehr den altbekannten Gatekeepern (in Print-, Radio- und TV-Redaktionen) vorbehalten – wenngleich Behauptungen wie „Wir alle sind zu Publizisten geworden“ (Humborg/Nguyen 2018: 1) doch mehr als gewagt erscheinen (zur Gatekeeper-Forschung vgl. näher Kap. 7.3).

      4Interaktion ist – wie weiter oben (Kap. 2.3) gezeigt wurde – ein schillernder Terminus. Im vorliegenden Kontext sei darauf hingewiesen, dass Interaktion hier (im Anschluss an Neuberger 2007a) als Prozess und Interaktivität „als Potenzial von Einzelmedien und Kommunikationssituationen“ (ebd.: 42) begriffen wird. Zur Differenzierung derartiger Interaktivitätspotenziale (auch: Interaktivitätslevels) siehe außerdem: Goertz 1995, Rössler 2003.

      5Rusch (2003) hat diese Idee (allerdings ohne expliziten Bezug auf Kob) sogar noch radikalisiert: Er plädiert angesichts neuer Verständigungsverhältnisse in der Mediengesellschaft überhaupt für eine Entkoppelung von Kommunikation und Rezeption und schließlich sogar (ein wenig vom Konstruktivismus inspiriert – vgl. dazu Kap. 7.6) für eine Revision bzw. „Dekomposition des Kommunikationsbegriffs“ (ebd.: 153).

      6Zur Differenzierung von „situationsbezogenem“ und „inhaltsbezogenem“ Interesse kommunikativen Handelns vgl. oben Kap. 2.

      7Publizität gilt als eines von vier Gattungsmerkmalen der Zeitung neben Periodizität (regelmäßiger Erscheinungsrhythmus), Aktualität (Bezug zu gegenwärtigen Ereignissen) und Universalität (kein Thema ist ausgenommen) (Wilke 2009: 50 f.). Näher dazu, auch kritisch: Averbeck 1999, Merten 1973, 1999. Vgl. dazu auch Luhmann (1981: 320), der die „Beteiligung aller an einer gemeinsamen Realität“ bzw. die „Erzeugung einer solchen Unterstellung“ (ebd.) als eine zentrale Funktion von Massenkommunikation begreift.

      8Davon zeugt eindrucksvoll, dass Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) nicht nur ein boomendes Berufsfeld, sondern auch eine kommunikationswissenschaftliche Teildisziplin geworden ist (vgl. dazu stellvertretend: Röttger/Kobusch/Preusse 2018).

      9Unter einer „Maxime“ versteht Kant das jeweils subjektive Prinzip des Handelns.

      10Zu publizistischen Medien siehe ausführlich weiter oben (Kap. 2.4.2).

      11Der Begriff Publizistik als Bezeichnung für „jegliche Art der Veröffentlichung“ geht auf Karl Jäger (1926: 67) zurück (näher dazu: Pürer 2014: 37 f.).

      12Insb. in Teil III seiner penibel edierten Aufsatzsammlung kontrastiert Wolfgang Duchkowitsch (2014: 117 ff.) die publizistischen Repressionen im Absolutismus mit Aktivitäten emigrierter Publizisten in der Metternich-Ära des 19. Jhdts. Teil IV (ebd.: 249 ff.) gewährt dann beispielhafte Einsichten in das Korsett der Medienpolitik des Austrofaschismus

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