Christlich-soziale Signaturen. Группа авторов

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in demokratische Diskurse einzubeziehen. Ein wesentlicher Beitrag der christlichen Werte besteht deshalb im Dialog mit christlichen Gemeinschaften, Gemeinden und Kirchen.

      Christliche Werte können aber auch von jenen eingebracht werden, die den christlichen Glauben nicht teilen und keiner Glaubensgemeinschaft angehören. Theologisch setzt dies aber den Dialog mit den Trägern des christlichen Glaubens voraus sowie die Anerkennung der normativen Grundlagen des Christentums, zumindest der biblischen Tradition und der Verpflichtung zu deren vernünftiger Interpretation.

      Zusätzlich eröffnet die Demokratie als zugleich säkularer und pluraler wie auf Argumente setzender Diskursraum die Möglichkeit, jene Christinnen und Christen, die ihre eigene Glaubenstradition nicht kennen oder leben, an ihr eigenes Ethos zu erinnern und zu dessen Verwirklichung anzuregen, indem theologisch qualifiziert auf christliche Werte verwiesen wird. Auch dies können und dürfen Menschen tun, die sich nicht als Teil der Glaubensgemeinschaft verstehen.

      Unmöglich ist es jedoch, christliche Werte als kulturelle Identitätsmarker zu verwenden, die die Homogenität der Gesellschaft sichern und zur Ab- oder Ausgrenzung dienen sollen. Desgleichen verbietet sich aufgrund demokratischer Werte und theologischer Gründe eine Verbindung mit Durchsetzungs- und Machtansprüchen im Sinne einer allgemeinverbindlichen Leitkultur, der sich alle Bürgerinnen und Bürger unterzuordnen haben. Diesbezügliche „unheilige Allianzen“26 mit Parteien, die christliche Werte in diesem Sinn benutzen, sind aus theologischer Sicht keine Option. In einer Demokratie kann der Rekurs auf christliche Werte im Sinne eines Motivationshorizonts nur in Form von pluralen Beiträgen im öffentlichen und politischen Diskurs stattfinden. Als solcher aber ist er nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll.

      Bibeltheologische Perspektiven – drei Beispiele

      Anhand dreier demokratischer Werte soll abschließend der Beitrag christlicher Werte zur Demokratie exemplarisch dargestellt werden:

       Würde

      Die Würde des einzelnen Menschen – seine Einzigartigkeit, seine Einmaligkeit sowie das Verbot, Menschen für Zwecke jedweder Art zu benützen und die damit verbundenen Grund- und Menschenrechte auf ein menschenwürdiges Leben – gehört zu den „Core Values“ der liberalen Demokratie wie auch des christlichen Glaubens.

      Die Bibel begründet im Buch Genesis diese Würde mit der Schöpfung des Menschen durch Gott. Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes. Das Wort „Abbild“ ist eine Übersetzung der hebräischen „Gottesstatue“, die in der altorientalischen Vorstellung die Wirklichkeit Gottes in der Welt repräsentiert. Während im Alten Orient aber nur der oberste politische Gottkönig („Pharao“) Gott repräsentiert, erklärt die Genesis alle Menschen in gleicher Weise zu Gottes Repräsentanzen in der Wirklichkeit. Damit einher gehen Rechte, insbesondere für die marginalisierten, schwachen Mitglieder der Gesellschaft („Witwen, Waisen, Fremde“; „Arme“), deren Ursprung nun nicht mehr im Belieben eines irdischen Herrschers liegt, sondern die von Gott selbst verliehen werden. Wer die Rechte der Armen verletzt, vergeht sich an Gott selbst.

      Übersetzt in eine säkulare Sprache bedeutet dies, dass die Würde des Menschen mit Rechten verbunden sein muss, die der willkürlichen menschlichen und politischen Verfügbarkeit entzogen sein müssen, um garantiert werden zu können. Die biblische Sicht auf den Menschen betrachtet diesen außerdem als einem transzendenten Geheimnis entstammend. Dies schützt ihn davor, ökonomisch auf eine Arbeitskraft oder Humanressource, biologisch und chemisch auf eine Ansammlung von Genen, Hormonen und Atomen, politisch auf Machtfaktoren, sozial- und kulturwissenschaftlich auf ein Resultat sozialpsychologischer Gesetzmäßigkeiten oder kultureller Identitätsdiskurse reduziert und festgelegt zu werden. Dadurch wird der Einzelne davor bewahrt, eine namenlose Nummer zu werden. Seine Freiheit entzieht sich überdies auf diese Weise jeglichem totalitären Zugriff.

      Diese Würde eignet jedem Menschen vor aller Leistung und trotz aller Schuld. So kann denn auch niemand, der christliche Werte vertritt, das Recht der Armen auf Würde – und sei die Armut selbst verschuldet – von deren Leistung abhängig machen.

       Pluralität

      Die Anerkennung von Pluralität gehört zum Wesen der Demokratie. Für die biblische Tradition bildet sie Ausgangslage und Normalität der Wirklichkeit. Im Schöpfungsakt Gottes entsteht eine plurale Welt. Auch der Mensch wird erst zu zweit – als Mann und Frau, im Dialog, plural – zum Abbild Gottes. Pluralität beschreibt also weder eine Materialaussage noch einen objektiven Sachverhalt, sondern den konstitutiven Beziehungs- und Dialogcharakter der Schöpfung. Alles Geschaffene steht miteinander und mit Gott in Beziehung: Belebte und nicht belebte Wesen, Tiere und Pflanzen, Menschen, der ganze Kosmos ist Beziehung und verwirklicht sich als Dialog. Die Pluralität der Menschen gründet vor aller ethnischen Zugehörigkeit in ihrer Einzigartigkeit. Die Störung dieser Art von Beziehungs-Einheit heißt biblisch „Sünde“.

      Diese Sichtweise kann der Demokratie dabei helfen, sich Pluralität nicht als Summe sozial, kulturell und religiös verschiedener Gruppen oder als materielle Entitäten vorzustellen, die politisch gemanagt werden müssen, sondern ermutigt dazu, dass zwischen den Verschiedenen – Individuen wie Gruppen – Prozesse des Dialogs und der Kommunikation gefördert werden können, die Beziehung ermöglichen und Gesellschaft gestalten.

      Diese Pluralität ist freilich auch aus biblischer Sicht keine friedliche, harmonische Idylle. Davon erzählt die Geschichte vom Turmbau zu Babel (Gen 11).27 Nach der Sintflut wieder zu einer Menschheit aus vielfältigen Menschen und Völkern geworden, wollen die Menschen mittels dieses Turmbaus aus eigener Kraft untereinander Einheit herstellen. Alle haben sich diesem Projekt zu unterwerfen. Aber indem Gott dieses Projekt beendet und die Sprachen vervielfältigt, verhindert er, dass solche Uniformierungsprojekte ewigen Bestand haben können. Die Verschiedenheit der Sprachen und Kulturen wird zur Normalität. Sie ist schmerzhaft, aber schützt den Einzelnen zugleich vor Vereinnahmung. Sie macht Kommunikation und das Lernen von wechselseitigem Verständnis erforderlich. Einheit unter den Menschen wird als Prozess dialogisch-kommunikativer Einigung verstanden und kann nur von Gott selbst hergestellt werden.28 Laut biblischem Zeugnis scheitern langfristig alle menschlichen Projekte, die Einheit mit Macht und Gewalt herstellen wollen. Die gesamte Bibel kann auch gelesen werden als Lernprozess, wie die Pluralität der Menschheit gestaltet werden und Letztere in ihrer Verschiedenheit eine werden kann.

      Pluralität demokratisch gestalten bedeutet daher auch, darauf zu verzichten, Einheit durch die gewaltförmige Schaffung uniformierender Großprojekte oder die Durchsetzung von Mehrheiten auf Kosten von Minderheiten schaffen zu wollen, sondern auf der Basis von argumentierendem Dialog und Partizipation (Konflikte inklusive) auf die Gestaltung der allen gemeinsamen, einen Welt durch Kommunikation vertrauen zu dürfen.

       Gerechtigkeit

      Weil grenzenlose Pluralität aufgrund der menschlichen Neigung zur Rivalität zu gefährlichen Machtkämpfen und lebenszerstörerischer Gewalt führen kann, bedarf sie der gesellschaftlichen Ordnung durch das Recht. Dieses spielt daher in der Bibel eine vor allem im progressiven Christentum gerne übersehene, aber zentrale Rolle. Nicht ohne Grund verortet der Ägyptologe Jan Assmann29 die Erfindung der Demokratie daher nicht in Griechenland, wo diese ja nur der freien, männlichen Oberschicht zugänglich war, sondern im Volk Israel. Durch den Bundesschluss am Berg Sinai werden alle aus der Fremdherrschaft geflohenen Hebräer zum Volk Gottes, das sich nicht ethnisch, sondern über seine Verpflichtung auf die Thora – Recht, Gesetz und Weisung Gottes – definiert. Denn zur Gestaltung der Pluralität bedarf es auch entsprechender Institutionen, wie zum Beispiel Recht, Amt und Verfahrensweisen, deren Formen bereits im Alten Testament heftig diskutiert

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