Im Bann des Eichelhechts. Axel Hacke

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Im Bann des Eichelhechts - Axel Hacke

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der traditionellen Mathematik sind die geraden Zahlen jene, die ohne Rest durch zwei teilbar sind, alle anderen Zahlen nennt man ungerade. 2 und 4 und 6 und 8 sind zum Beispiel gerade, 1 und 3 und 5 und 7 ungerade. In Sprachland aber werden die Zahlen nach anderen Kategorien geordnet, gerade und gebogen eben.

      Eine 1 zum Beispiel ist eine kerzengerade Zahl, auch eine 4 und eine 11.

      Aber es überwiegen ganz klar die gebogenen Zahlen, schon die 0 ist ja komplett gebogen, auch die 3 und die 8, herrlich gebogen sind sie.

      Bei der 2 und der 7 könnte man sagen: Es sind Mischformen, teils bestehen sie aus geraden Strichen, teils aus gebogenen Linien. Ob es aber solche Mischformen wirklich gibt, also quasi geradegebogene Zahlen – ich weiß es nicht, dazu kenne ich mich noch nicht gut genug aus. Ich müsste den Sohn meines Lesers W., fragen, der ist ja inzwischen auch älter und größer.

      Vielleicht weiß er nun noch mehr?

      Einmal ist es mir gelungen (auf dem Bahnhof von Andernach war das), eine komplette Zuglieferung gebogener Zahlen zu fotografieren, sie kamen gerade aus der Nullenfabrik, vermute ich. Wohin es mit ihnen gehen sollte, konnte ich nie in Erfahrung bringen. Vielleicht zur Zentralbank?

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       Vokabeln

       TEHATA

      Ich hatte in Nienburg an der Weser zu tun, im Theater, um genau zu sein, stieg am Bahnhof in ein Taxi und nannte mein Ziel.

      Isskla, Scheff, Tehata, sagte der Fahrer, der ganz klar ein Sprachländer war.

      Ja, genau, zum Theaaaaterrrr also, sagte ich, damit er mich nicht falsch verstünde.

      Isskla, Scheff, Tehata.

      Und so fuhren wir denn.

      Und kamen auch an. Ich bezahlte, bekam meine Quittung. Auf der stand, handgeschrieben, Bahnhof – Tehata, also die Fahrtstrecke.

      Dieses Wort Tehata habe ich seitdem in meinen Sprachschatz übernommen, es klingt einfach so schön. Man muss es ein bisschen hauchen, die beiden letzten Silben einfach nur aus dem vorderen Mundraum heraussprechen, dann klingt es am besten.

      Sprechen Sie mir nach!

       Mach doch nicht so ein Te-hata!

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      Ich habe später nachgeschaut und entdeckt, dass es im indischen Bundesstaat Westbengalen eine Stadt namens Tehatta gibt, die manchmal auch Tehata geschrieben wird. Sie hat (Stand allerdings 2011) 21.093 Einwohner, vier Schulen und ein Government College. Ich konnte nicht herausfinden, ob es in Tehatta ein Tehata gibt, aber ich versichere Ihnen: Nienburg an der Weser hat eines.

       ESSEN

      Eines Tages fiel mir beim Stöbern in der Post vieler Jahre das Bild einer Speisekarte in die Hand, darauf das Gericht Nummer 29 mit dem Titel Der Konzernüberschuss »Meunière«.

      Das fand ich interessant.

      Ich glaube, dass in den besten Restaurants der Welt schon einige Konzernüberschüsse verfressen worden sind. Andererseits muss man wohl sagen: Die Überschüsse vieler Konzerne waren in den vergangenen Jahrzehnten oft so hoch, dass sie selbst von den gierigsten Schlünden kaum in einem Restaurant aufzuzehren waren.

      Was mich faszinierte, war aber nun, dass der Überschuss als solcher auf der Karte stand – und zwar à la Meunière, also nach Müllerinart, in Mehl gewendet, in Butter gebraten, mit Zitrone, Petersilie und brauner Mandelbutter serviert. Wie ist es möglich, dass etwas eigentlich Abstraktes wie ein Überschuss derart konkret und fein zubereitet werden kann?

      Zunächst muss man sagen: Das Gericht heißt im Englischen »Meunière« Grouper steak, das ist ganz einfach ein Zackenbarschsteak auf Müllerinart. Nun liegt der Gedanke nahe, dass sich hier beim Übersetzen ein Fehler eingeschlichen haben könnte, das englische group ist ja tatsächlich im Deutschen der Konzern. Aber der Überschuss ist in der Vokabel steak beim besten Willen nicht zu entdecken.

      Es bleibt ein Rätsel.

      Es sei denn …

      Es sei denn, man entschlösse sich, es als Tatsache zu nehmen, dass hier tatsächlich einfach Konzernüberschüsse gebraten beziehungsweise verbraten werden.

      Dann wäre alles klar.

      Und so wollen wir es halten.

      Zumal ich von vielen anderen Speisekarten in dieser Haltung bestätigt worden bin. Zum Beispiel trage ich seit vielen Jahren eine Karte des Restaurants Fontana d’Oro in Como mit mir herum. Jemand steckte sie mir einst nach einer Lesung zu, und ich halte sie stets gerne in meiner Tasche bereit, um darin zu lesen und daraus zu zitieren. Sie ist kleinformatig und in vier Sprachen gehalten: Italienisch (das ist die Ausgangssprache), Englisch, Französisch – und, ja, also: Deutsch.

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      Über den Speisen steht im Italienischen Proposta Menù, im Englischen Menü Proposal, im Französischen Proposition de Menue (alles nicht so ganz richtig, aber darum geht es hier nicht).

      Und im Deutschen?

       Menüantrag.

      Was mir sehr gefällt!

      Dass nämlich der Übersetzer bei seiner Tätigkeit nicht nur einfach übersetzt hat, sondern versuchte, auch gleich noch den jeweiligen Nationalcharakter mit zu erfassen – das mag ich. In allen Sprachen wird ja dem Gast ein Vorschlag gemacht, una proposta, a proposal, une proposition.

      Nur im Deutschen muss er einen Antrag stellen.

      Unter den zu beantragenden Gerichten findet sich nun zum Beispiel eines, das heißt: Kleine Kopffüßer ertranken.

      Im Italienischen sind das, so steht es auf der Karte, Moscardini affogati. Moscardini sind tatsächlich kleine Tintenfischlein, sie gehören zur zoologischen Klasse der Kopffüßer. Und affogato ist das italienische Wort für ertrunken. Korrekt übersetzt müsste das Gericht also Ertrunkene kleine Kopffüßer heißen, aber Kleine Kopffüßer ertranken klingt irgendwie dramatischer. Es macht neugieriger. Das war dem Wirt wohl wichtig.

      Im Übrigen: Moscardini affogati, das ist ein ziemlich bekanntes Gericht in Italien. Die kleinen Kraken schmurgeln in einer Tomatensauce. Das ertrunken ist sprachbildlich gemeint, ein Affogato al caffè ist zum Beispiel ein Espresso mit einer Kugel Vanilleeis drin, der man beim Ertrinken zusehen kann, wenn man so was mag.

      Eigentlich ist es ja praktisch eine Klimakatastrophe in der Tasse.

      Schwieriger wird es, wenn wir in der Fontana d’Oro das Gericht »Penne« mit Befestigung klammermasse entdecken, im Italienischen: Penne alla polpa di granchio, das sind eigentlich

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