Aus Liebe zu den Pflanzen. Stefano Mancuso

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Aus Liebe zu den Pflanzen - Stefano Mancuso

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      Seit 1929 ächzt die Sowjetunion unter Josef Stalins Knute. Dem neuen russischen Führer mangelt es an jeglicher wissenschaftlichen Kenntnis; für Wawilow hegt er keinerlei Sympathien. Unter dem Einfluss seines Hof-Pseudowissenschaftlers Trofim Lyssenko ist Stalin der Meinung, die Ernteerträge ließen sich ausschließlich durch neue Techniken steigern. Er will nicht auf Wawilows Ergebnisse warten. Man hat ihm eingeflüstert, es gäbe keine Gene, was zähle, sei allein das Umfeld einer Pflanze. Diese Vorstellung passt erheblich besser in die marxistische Ideologie, für die die Abstammung bedeutungslos ist.

      Schon bald wird die Genetik zu einer Erfindung der »westlichen bürgerlichen Propaganda« erklärt. Bedeutende sowjetische Genetiker verschwinden plötzlich von der Bildfläche.

      In jenen Jahren zwingen mehrere katastrophale Ernten die Sowjetunion in die Knie. Stalin braucht einen Sündenbock. Wawilow, ein ungeliebter Konkurrent mit beneidenswerten wissenschaftlichen Erfolgen, wird von Lyssenko und seinen Mitarbeitern mehrfach denunziert. Bei einem Empfang im Kreml im März 1939 äußert Lyssenko gegenüber Stalin und Beria, dass seine eigene Arbeit zum Nutzen der sozialistischen Wirtschaft durch Wawilow behindert werde, und fordert entsprechende Konsequenzen. Damit ist Wawilows Schicksal besiegelt. Am 10. August 1940 wird er von Stalins Geheimpolizei NKWD in den Bergen der Ukraine, wo er gerade nach neuen Pflanzen sucht, verhaftet. Dasselbe Schicksal ereilt in den darauffolgenden Tagen seine engsten Mitarbeiter, die Wissenschaftler Karapatschenko, Lewitzki, Goworow und Kowalew.

      Nach elf Monaten Untersuchungshaft und 1700 Stunden brutaler Verhörmethoden – mit mehr als 400 Verhören von teils über 13 Stunden – wird Wawilow im Juli 1941 vor dem Militärkolleg des Obersten Gerichtshofs angeklagt. Der Prozess dauert nur wenige Minuten und endet mit der Höchststrafe, dem Todesurteil, da Wawilow sich der »Beteiligung an einer rechten Verschwörung, der Spionage zugunsten Großbritanniens, der Sabotage der Landwirtschaft und der Beziehung zu weißrussischen Emigranten« schuldig gemacht habe. Die Todesstrafe wird später in zwanzig Jahre Haft umgewandelt, doch die Haftbedingungen im Gefängnis von Saratow sind unmenschlich: Ein Jahr lang darf Wawilow seine winzige Zelle ohne Waschgelegenheit nicht verlassen. Es gibt keine Toilette, er ist unterernährt.

      Während Wawilow im Gefängnis um sein Leben kämpft, gerät auch sein wichtigstes Werk, die Samengutbank, in höchste Gefahr. Nach Hitlers Überfall auf Russland – dem sogenannten »Unternehmen Barbarossa« – wird Leningrad 1941 eingekesselt. Die riesige Sammlung wird zur begehrten Beute: für nationalsozialistische Vererbungsforscher wie Heinz Brücher, aber auch für die hungernde russische Bevölkerung. Noch ehe Hitlers Truppen die Stadt erreichen, ordnet Stalin die Auslagerung der Kunstsammlung aus der Ermitage und dem Winterpalast und von allem an, was er sonst in Leningrad für wertvoll hält. Die Samengutbank von Wawilow gehört nicht dazu. Sie gilt als Liebhaberei der »bürgerlichen Wissenschaften«.

      Stalin mag den Wert der Samen nicht begreifen, die Deutschen kennen ihn aber sehr wohl. Die Frage der Lebensmittelautarkie beschäftigt Nazideutschland auf obsessive Weise, Wawilows Sammlung wäre eine wichtige Kriegsbeute. Die Eroberung der russischen Forschungszentren wurde schon vor Hitlers Russlandfeldzug von Wissenschaftlern des Kaiser-Wilhelm-Instituts, dem Vorläufer des jetzigen Max-Planck-Instituts, minutiös geplant. Die Botaniker folgen den vorrückenden Soldaten auf dem Fuße, und Anfang 1943 plündern deutsche Wissenschaftler ungefähr zweihundert Versuchsstationen in Russland und der Ukraine und bringen die Sammlungen nach Deutschland. Doch Wawilows Hauptsammlung sollte ihnen nicht in die Hände fallen. Dank des Heldenmuts von Wawilows wissenschaftlichen Mitarbeitern ist sie während der neunhundert Tage dauernden Belagerung Leningrads hinter den Institutsmauern sicher verwahrt.

      Das Institut beherbergte damals Samen von ungefähr zweihunderttausend Pflanzensorten, viele davon für Menschen genießbar. Doch niemand rührte die Samen an. Die neun verbliebenen Forscher des Wawilow-Instituts – wie es nach der Rehabilitierung seines Gründers 1956 erneut hieß – verhungerten lieber, als von den kostbaren Samen zu essen, die man ihnen anvertraut hatte. Mithilfe der Samen, davon waren sie felsenfest überzeugt, könnte man, wenn dem zerstörerischen Wüten Hitlers erst einmal ein Ende gesetzt wäre, neue Pflanzen züchten und den Hunger endgültig besiegen.

      Und niemand kann heimlich schummeln. Die Kontrollen sind streng: Kein Mitarbeiter darf sich allein in den Räumen der Sammlung aufhalten, die Schlüssel sind im Tresor eines Institutsleiters verwahrt, und der Inhalt der Samenbehälter wird wöchentlich kontrolliert. Aber wie die beiden einzigen Überlebenden, dank derer wir von dieser Heldentat wissen, erzählt haben, hätte sowieso keiner auch nur im Traum daran gedacht, sich an den Samen zu vergreifen.

      Als Erstes stirbt im Januar 1942 der Erdnussexperte Alexander Schukin, an seinem Schreibtisch. Es folgen der Pflanzenmediziner Georgi Krijer, der Chef der Reissammlung Dimitri Iwanow und später Lilija Rodina, M. Steheglow, G. Kowaleski, N. Leontjewski, A. Malygina und A. Korzum. Als Leningrad am 18. Januar 1944 endlich befreit wird, liegt der Großteil der Sammlung längst an einem sicheren Ort im Uralgebirge, der nur nach einem langen, beschwerlichen Fußmarsch entlang eines freien Korridors über den zugefrorenen Ladogasee zu erreichen ist, über die »Straße des Lebens«.

      Die Samen werden gerettet, nicht jedoch Wawilow. Der Mann, der die Sowjetunion mit aller Kraft und Leidenschaft vor dem Hunger bewahren wollte, stirbt nach langen, quälenden Monaten am 26. Januar 1943 im Stalin-Gefängnis von Saratow den Hungertod und wird in einem Massengrab verscharrt.

      Und mit ihm stirbt die großartige Schule der russischen Genetik.

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