Stumme Schreie. Martin Flesch
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XVI.Intermezzo – Appelle an die Menschheit I
XVII.Kasuistik 6: Widerstand (Maryam) – Bosnien
XVIII.Plattform – TRAUMA II: Fassen des Unfasslichen
XIX.Intermezzo – Appelle an die Menschheit II
XX.Kasuistik 7: Nur eine Nummer (Fathma) – Somalia
XXI.Plattform – TRAUMA III: Posttraumatische Störung
XXII.EPILOG – Die seelischen Leiden durch Migration
Statt eines Nachwortes: Interview
Vorwort
Das vorliegende Buch will den vielfachen seelischen und teils kaum zu ermessenden Leidensstrukturen der im Zusammenhang mit unserem psychiatrischen Versorgungsangebot gesehenen Migranten, Flüchtenden und Asylsuchenden eine Stimme geben und aus ärztlich-psychiatrischer Sicht auf diese politisch und gesellschaftlich immer noch viel zu wenig beachteten und mitunter dramatisch-existenziell auftretenden Phänomene hinweisen.
Namenloses Leid und „stumme“, also lautlose Schreie, begegnen uns vielfach in Statistiken und übersichtsartigen Berichtsstilen aus einer weit entfernten Vogelperspektive.
In dem Augenblick jedoch, indem diese Leidensgeschichten, Verletzungen, Kämpfe, persönlichen Niederlagen und Bewältigungsversuche eine Stimme und ein Gesicht erhalten, werden sie für uns alle erfahrbar. Die Möglichkeit eines Mitleidens bleibt dann nicht mehr auf den diffusen und ungefähren Raum begrenzt. Jetzt haben wir die Gelegenheit, Empathie ganz konkret wirksam werden zu lassen, im Gegenüber, durch ärztliche, pflegerische, heilpädagogische und sonstige jedwede ehrenamtliche Hilfe und Zuwendung.
Im November 2014, zum damaligen Zeitpunkt als selbstständiger forensisch-psychiatrischer Gutachter in Gerichts- und Prognoseverfahren in eigener Gutachtenpraxis tätig, beschloss ich, in Zusammenarbeit mit dem Team Migrantenmedizin des Missionsärztlichen Instituts Würzburg in einer größeren Gemeinschaftsunterkunft für Migranten in Würzburg auf ehrenamtlicher Basis eine wöchentliche (sogenannte) akutpsychiatrische Sprechstunde zur Akutversorgung psychiatrischer Erkrankungen bei Asylsuchenden anzubieten.
Zu Beginn dieses Projektes konnte man zunächst nur erahnen, dass dieses Angebot von den Betroffenen hochfrequentiert wahrgenommen werden würde.
Im Laufe der zurückliegenden sechs Jahre entwickelte sich aus einer einfach strukturierten ärztlichen Sprechstunde eine sich mittlerweile stetig vergrößernde Struktur einer Sozialpsychiatrischen Migrationsambulanz.
Im Rahmen der stetigen Veränderungen von Qualitätsanforderungen an ärztliche Zeugnisse, Atteste und Gutachten im Asylrecht entwickelte sich die immer spezifischer eingeforderte psychiatrische Beurteilung von psychischen Erkrankungen im Sinne von kurzfristig erstellten und einfach strukturierten ärztlichen Attesten über psychiatrische Kurzgutachten hin zu einer nun regelmäßiger vorgenommenen psychiatrischen Gutachtertätigkeit im Asylrechtsverfahren.
Die Inhalte dieser psychiatrischen Gutachten verliehen den betroffenen Migrantinnen und Migranten eine konkrete individuelle Stimme und Sprache ihrer seelischen Leiden. In diesem Kontext kam somit nicht nur die Genese ihres Störungsbildes zum Ausdruck, sondern auch ihre ganz persönliche Entwicklung und Biografie, somit also die strukturellen und phänomenologischen Ursachen, die zu diesen Krankheitsbildern geführt hatten. Das immense psychische und seelische Leidenspotenzial, welches bei den Asylsuchenden im Zusammenhang mit ihrer Migrations- und Fluchtgeschichte ausgelöst wurde, fortbestand und zum Untersuchungszeitpunkt immer noch andauerte, wurde somit transparent, erfahrbar und bekam letztlich einen Namen.
In den zurückliegenden sechs Jahren habe ich in Zusammenarbeit sowohl mit meinem eigenen Praxisteam als auch mit den Mitgliedern des Teams Migrantenmedizin des Missionsärztlichen Instituts Würzburg in der Gemeinschaftsunterkunft über 500 Patienten und Patientinnen mit Migrationshintergrund aus über 30 Ländern ärztlich gesprochen, untersucht und in den jeweils indizierten Fällen psychiatrisch begutachtet3.
Das Buch berichtet von insgesamt sieben Menschen, konkreten Kasuistiken, die – stellvertretend für die vielen übrigen Tausend – sieben Lebens-, Flucht- und Krankheitsbilder zum Ausdruck bringen und dem seelischen Leiden einen Namen geben (Kapitel „Kasuistiken“). Selbstverständlich wurden die zutreffenden Namen abgeändert. Im Einverständnis mit den betroffenen Patienten und Patientinnen habe ich mich jedoch bemüht, die Leidens- und Fluchtgeschichten der Migranten nach deren inhaltlicher Vorgabe und Strukturierung, teils auch wörtlich, wiederzugeben. Sämtliche Darstellungen haben sich tatsächlich so ereignet. Hinter sämtlichen biografischen Erzählungen steht ein konkretes Gesicht.
Die den Kasuistiken folgenden „Plattform-Kapitel“ widmen sich besonders im Fokus stehenden asylrechtlichen Themenfeldern sowie den Grundlagen und Entstehungsbedingungen der durch die Migrationsbewegung hervorgerufenen psychischen Störungsbilder. Dagegen schlagen die einen Sinnabschnitt beschließenden „Intermezzi“ inhaltliche Brücken zu gesellschaftspolitischen und religiösen Bezugspunkten und plädieren vor allem für die Umsetzung der Menschenrechte auf der Basis einer empathisch-barmherzigen Grundhaltung. In diesen, den biografischen Darstellungen nachfolgenden Kapiteln, werden inhaltliche Bögen zu bisher ungelösten asylrechtlichen Problemfeldern gespannt und Zusammenhänge zur Entstehung und Verursachung psychischer Erkrankungen aufgezeigt.
Die mit hochgestellten Ziffern versehenen Begriffe sind unter der Rubrik „Literatur und Anmerkungen“ im Anhang hinsichtlich Quellenangaben und Literaturhinweisen näher erläutert.
Dank
Vorab danke ich sämtlichen professionell und ehrenamtlich tätigen Menschen, ohne die das vorgenannte Projekt des Aufbaus und der Führung einer Sozialpsychiatrischen Migrationsambulanz nicht möglich gewesen wäre.
Mein Dank geht hier selbstverständlich an das Team Migrantenmedizin des Missionsärztlichen Instituts in Würzburg (insbesondere an Herrn Prof. August Stich), an mein eigenes Praxisteam meiner psychiatrischen Gutachtenpraxis, hier insbesondere an Frau Renate Bethge, an die Mitglieder des Ökumenischen Asylkreises der Stadt Würzburg, an den Würzburger Flüchtlingsrat (dem ich als Beirat angehören darf), an die Asylberatung von Amnesty International im Bezirk Würzburg (insbesondere an Herrn Jürgen Heß aus dem Augustinerkloster in Würzburg) sowie