Stumme Schreie. Martin Flesch
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Ein Buchprojekt als Spendenplattform
Noch eine wegweisende Anmerkung vorab:
Im Rahmen meiner vielfältigen ärztlich-kurativen und gutachterlichen Tätigkeit für Migranten gab es auch stetige Schnittmengen meiner Aufgabenbereiche mit den Tätigkeitsfeldern des Missionsärztlichen Instituts Würzburg sowie der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen e. V., Träger des Friedensnobelpreises.
Das vorliegende Buchprojekt ist somit nicht nur diesen Organisationen gewidmet, sondern darüber hinaus Bestandteil eines Spendenprojektes für diese weltweit segensreich tätigen Organisationen.
Der Unterzeichner verzichtet somit auf sämtliche am Vertrieb und Verkauf des Buches anfallenden Honoraranteile und stellt diese uneingeschränkt und in voller Höhe dem Missionsärztlichen Institut in Würzburg sowie den Médecins Sans Frontières in Form von Spenden zur Verfügung.
Würzburg, im Februar 2021
Dr. med. Martin Flesch
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Schwerpunkt Forensische Psychiatrie
Sozialpsychiatrische Migrationsambulanz und Begutachtungsstelle für Transkulturelle psychiatrische Fragestellungen im Asylrecht
Breathing under water – „Unter Wasser atmen“
Ich habe mein Haus am Meer gebaut.
Nicht auf Sand, wohlgemerkt,
nicht auf Treibsand.
Ich habe es aus Stein gebaut.
Ein starkes Haus
an einem starken Meer.
Und wir haben uns aneinander gewöhnt,
das Meer und ich.
Gute Nachbarn.
Nicht dass wir viel gesprochen hätten.
Wir trafen uns schweigend.
Respektvoll, auf Abstand bedacht,
aber mit Blick auf unsere Gedanken
durch den Zaun aus Sand.
Stets mit dem Zaun aus Sand als Grenze,
stets den Sand zwischen uns.
Aber eines Tages,
und ich weiß immer noch nicht, wie es geschah,
da kam das Meer.
Ohne Warnung.
Auch ohne Einladung.
Nicht plötzlich und schnell,
sondern eher wie Wein
sich durch den Sand einen Weg bahnend,
weniger wie Wasser fließt
es wie ein Strömen von Blut.
Langsam, aber stetig.
Langsam, aber Strömen wie eine offene Wunde.
Und ich dachte an Flucht und an Ertrinken
und an den Tod.
Und während ich noch dachte, stieg das Meer höher,
bis es meine Tür erreichte.
Und da wusste ich, es gab keine Flucht, keinen Tod,
kein Ertrinken.
Wenn das Meer kommt und nach dir ruft,
gibt es keine gute Nachbarschaft mehr,
als ob ihr euch gut kennt und freundlich distanziert
bleibt.
Du tauschst dein Haus ein gegen ein Schloss
aus Korallen,
und du lernst,
unter Wasser zu atmen.
Carol Bieleck – Kongregation Sacré Cœur 4
I.PROLOG – Das Grenzsyndrom
„Auf jeden Fall weiß ich,
dass es außer mir noch viele andere Menschen gibt,
die unter dem Grenzsyndrom leiden.
Doch –
wer nie das Verlangen verspürt hat,
eine Grenze zu überwinden,
oder sich nie vor einer Grenze zurückgestoßen sah,
wird schwerlich nur verstehen,
wovon ich spreche.“
Gazmend Kapllani 5
Mitunter brechen Zustände über unser Leben herein, die bei nahezu jedem zu nachhaltigen Eindrücken katastrophenartigen Ausmaßes führen können.
Verzweiflung nährt sich dann aus Verzweiflung. Es existiert jedoch derzeit – und dies im globalen Sinne – eine Gruppe von Menschen (über 80 Millionen) auf dem Erdball, deren Verzweiflung bereits vor Einbruch einer derartigen Katastrophe ein solch unaussprechbares Maß an Unerträglichkeit erreicht hat, dass diese der sodann über sie hereinbrechenden Katastrophe nur mehr stoisch, resignierend und mit stummem Schrei antworten konnten:
Am 09.09.2020 brannte das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos nahezu vollständig aus. Die bereits vor dem Ausbruch des Brandes über dem Lager – durch die seit Jahren anhaltende Überfüllung – schwebende und schwelende Ausweglosigkeit ließ zahlreiche Einzelschicksale zusammenbrechen unter der Last der fehlenden Perspektive und ausbleibenden Hoffnung auf ein Ankommen im weiteren Leben dieser Betroffenen.
Der Brand