30 dreiste Lügen über Geld. Peter Koenig

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30 dreiste Lügen über Geld - Peter Koenig

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– oder vielleicht sogar einen ganzen Monat?

      Wer regiert die Welt? Ist es der Hotelbesitzer, der mit dem, was ich für das Zimmer bezahle, seine Unkosten deckt? Ist es der Hotelmanager, der die Autorität besitzt, den Preis mit mir auszuhandeln, sonst jedoch wenig zu tun hat den lieben langen Tag? Ist es George W. Bush? Sind es all die Staatschefs, die er empfängt? Bin ich es, oder sind es die Fischer? Sind es alle Menschen, ist es jeder von uns, keiner von uns? Bis zu welchem Grad sind solche Vergleiche überhaupt sinnvoll? Und bis zu welchem Grad, wenn überhaupt, hängt diese Macht von dem Geld ab, das man besitzt?

      Die Überzeugung »Geld ist Macht« übt schon für sich große Macht aus – und ist weit verbreitet. Bis zu einem gewissen Grad ist dieser Glaube eine sich selbst erfüllende Prophezeiung – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Es handelt sich hier nicht um wirkliche Macht, sondern um eine Illusion, die sich auf zwei irrige und oberflächliche Vorstellungen stützt. Die erste ist das materialistisch geprägte Bild von den reichen Leuten, die viele Dinge besitzen, und den großen Unternehmen, die viele Menschen beschäftigen und viele Ressourcen verbrauchen. Man glaubt, daß sich das Leben mit Hilfe von Geld irgendwie besser kontrollieren lasse. Komischerweise besitzen die, die einen solchen Status anstreben, mehr Macht als die, die ihn schon innehaben! Die ersteren haben nämlich den Vorteil, ein konkretes Ziel vor Augen zu haben. Sie haben Anlaß zur Hoffnung. Diejenigen jedoch, die diesen Status erreicht haben, müssen auf einmal erkennen, daß es sich bei dieser Vorstellung um eine reine Illusion handelt – wie viele Lottogewinner bestätigen können. Lassen wir einmal zwei der reichsten und erfolgreichsten Wirtschaftsmagnaten unserer Zeit zu diesem Thema zu Wort kommen:

      Ein reicher Mensch ist oft nur ein armer Mensch mit einer Menge Geld. Jeder, der glaubt, mit Geld lasse sich alles kaufen, hat offensichtlich nie welches besessen.

      ARISTOTELES ONASSIS

      Erfolg ist ein ganz schlechter Lehrer. Er bringt intelligente Menschen dazu, zu glauben, sie könnten nie verlieren. Erfolg ist ein unzuverlässiger Wegweiser für die Zukunft.

      BILL GATES

      Die zweite, nicht minder machtvolle Vorstellung ist der Umkehrschluß der ersten: daß man sein Schicksal nicht steuern oder kontrollieren könne, wenn man wenig oder gar kein Geld besitzt, und so unweigerlich ins Elend gerate. Dieses Schreckensbild vom Nächtigen unter Brücken hat genausowenig einen realen Hintergrund wie die erste Vorstellung. Es läßt sich leider nicht leugnen, daß es Hunger, Armut und Elend auf dieser Welt tatsächlich gibt. Die kollektiven wie individuellen Ursachen dafür liegen jedoch nicht in der Geldknappheit der betroffenen Menschen. Diese Zustände haben zwar sehr wohl etwas mit Geld zu tun, jedoch nicht mit dem Besitz von Geld, sondern vielmehr mit dem, was man gemeinhin über Geld denkt, und mit den Lügen, die wir hier nach und nach entschleiern. Lesen Sie weiter …

      Lüge Nr. 3

      Schulden sind etwas Schlechtes

      Wenn nun die Überzeugung »Geld ist Macht« nach und nach schwindet (tut sie es?), dann fordert Sie vielleicht der nächste Gedanke mit aller Kraft heraus: »Schulden sind etwas Schlechtes.«

      Betrachten wir dies einmal aus der Nähe.

      Schulden sind etwas Schlechtes

      Herkömmliche Lebensweisheiten liefern widersprüchliche Aussagen über die Bewertung von Schulden.

      Wenn man als Privatperson Schulden hat, gilt dies als etwas Schlechtes. Nimmt man jedoch einen Kredit auf, um ein Haus zu kaufen oder eine Firma zu gründen, dann finden das alle gut. Je höher die möglichen Schulden sind, die man machen kann, als desto »kreditwürdiger« gilt man. Auf der Ebene der kommunalen Verwaltung, des öffentlichen Dienstes, der Landes- und Bundesregierung wiederum gilt diese Form von Kreditwürdigkeit nicht als richtig. Hier hält man Schulden wieder für schlecht!

      Wie entwirrt man dieses Netz aus willkürlichen Widersprüchen, das sich um das Thema Schulden rankt?

      Die Schulden, die das Geld symbolisiert

      Zuerst muß man unbedingt verstehen, daß Geld und Schulden in unserer modernen Wirtschaft, so wie sie heute funktioniert, gleichzeitig erschaffen werden. Es handelt sich, um einen nicht unpassenden Vergleich zu verwenden, um zwei Seiten einer Medaille. Geld ist ein Zahlungsversprechen, ein »Ich schulde Ihnen …« von dem, der das Geld in Umlauf bringt, an den, der es besitzt. Wenn Sie Geld in Ihrem Geldbeutel, Ihrer Hosentasche oder auf Ihrem Bankkonto haben, dann ist Ihre Nationalbank letzten Endes Ihr Schuldner, und Sie haben einen legitimen Anspruch auf die Einlösung dieses Versprechens, seinen materiellen Wert. Wenn Sie selbst ein Zahlungsversprechen ausstellen oder mit Freunden und Kollegen ein paralleles Währungssystem initiieren, wie etwa einen komplementären Tauschkreis (z. B. Talent), dann wird es immer Menschen mit Schulden und andere mit Guthaben geben. Ohne diese Wechselbeziehung gibt es kein Geldsystem! Daß es Schulden gibt, ist von daher weder gut noch schlecht, es ist in jeder Gesellschaft, die ein Währungs- und Zahlungssystem verwendet, die zwangsläufige Folge. Diese Beziehung liegt im Kern unserer globalen Finanz- und Wirtschaftssysteme.

      Das Leihen und Verleihen von Geld

      Bisher haben wir über die Schuldner-Gläubiger-Beziehung bei neugeschaffenem Geld gesprochen. Das gleiche gilt auch für das Leihen und Verleihen von Geld, das bereits existiert. In diesem Fall wird kein neues Geld der ursprünglichen Währung in Umlauf gebracht, doch unterzeichnen ein Leiher und ein Verleiher auch hier ein Zahlungsversprechen, das dann die Anzahl der schon bestehenden Zahlungsversprechen/Schulden erhöht und damit die im Umlauf befindliche Geldmenge vergrößert. Dieses Zahlungsversprechen wird jedoch nicht im Rahmen des nationalen Systems ausgestellt und taucht darum in den offiziellen Geldmengestatistiken nicht auf.

      Wir werden es hier einmal »derivatives Instrument« nennen (auch wenn man diesen Begriff normalerweise für eine enger gefaßte Kategorie von Finanzinstrumenten verwendet), denn hier wird eine Art ›Unterschuld‹ aus der schon bestehenden Geld-/Schuldenmenge abgeleitet.

      Dies ist nicht der richtige Moment, um sich in allen Einzelheiten mit derivativen Instrumenten oder dem Grund für deren explodierende Zunahme in den vergangenen Jahren zu befassen. Es geht hier nur darum, daß beim Handeln, Ausleihen und Verleihen nichts von vornherein gut oder schlecht ist, genausowenig wie es gut oder schlecht wäre, sich von einem Freund einen Fernseher oder eine Bohrmaschine auszuleihen oder von einem Nachbarn 10 Euro zu borgen, die Sie dann zurückzahlen, indem Sie dessen Schulden beim Gemüsehändler begleichen. Ihr Zahlungsversprechen an jenen Nachbarn, das dieser wiederum als Wertmittel einsetzt, um sein Gemüse zu kaufen, entspricht im wesentlichen dem, wofür die mit solchen derivativen Instrumenten verbundenen Aktivitäten stehen.

      Wo liegen bei Schulden die Probleme?

      Oberflächlich betrachtet kommt es bei Schulden zu Problemen, wenn ein Schuldner – jemand, der ein Zahlungsversprechen gegeben hat – nicht in der Lage ist, dieser Verpflichtung nachzukommen. Im täglichen Leben gibt es viele Hinweise auf solche uneingelösten Versprechen und die daraus erwachsenen Konflikte.

      Ich möchte jedoch lieber auf die Einstellungen und grundsätzlichen Gegebenheiten hinweisen, die meiner Meinung nach zuallererst zu schlechter Zahlungsmoral sowie Gegensätzen und Konflikten zwischen Gläubiger und Schuldner führen – genau die Lüge nämlich, die wir in diesem Abschnitt entlarven: daß Schulden in der Regel als etwas Schlechtes gelten und darum zu vermeiden sind. Diese weitverbreitete Einstellung führt dazu, daß jeder gleichzeitig versucht, auf dem Kontoauszug im Plus zu sein, was praktisch unmöglich ist. Die Folge davon ist die Entstehung finanzieller Mechanismen, Systeme und Strukturen, die dazu führen, daß eine »smarte« kleine Minderheit Schulden erfolgreich vermeidet – auf Kosten der großen Mehrheit, die immer tiefer in die Verschuldung gerät und darauf hofft, da irgendwann

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