Grundeinkommen von A bis Z. Christian Müller

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Grundeinkommen von A bis Z - Christian Müller

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dadurch zunehmen würden, die Bildung gefördert würde und dass mehr Kaufkraft in den Händen von vielen die Wirtschaft aufblühen ließe.

      Dass der Gedanke eines bedingungslosen Grundeinkommens mit der Jahrtausendwende in die öffentliche Diskussion kam, hat seine äußeren Gründe in der Flexibilisierung der Arbeit, in der Globalisierung der Märkte, in der Rationalisierung und Automatisierung aller Bereiche der Wirtschaft. Vollbeschäftigung in Erwerbsarbeit ist eine Forderung, die an der Vergangenheit festhält. Ein Festhalten an Altem auf Kosten der Gegenwart und eine restriktive Handhabung eines überforderten Sozialsystems. Letzteres zeigt sich in verschiedenen Formen, zum Beispiel in der Zunahme des Niedriglohnsektors, der Verbreitung stressbedingter Krankheiten und der Arbeitsüberlastung für die einen und Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt für andere.

      Doch auf all das kann es auch andere Antworten als ein bedingungsloses Grundeinkommen geben. Das Grundein­kom­men würde diese Probleme nicht einfach lösen. Es könnte nur eine bessere Rahmenbedingung mit mehr Bewegungsfreiheit bieten. Es setzt Eigenaktivität voraus. Und wo die ist, lässt sich auch heute vieles lösen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist kein Versprechen auf bessere Verhältnisse oder bessere Menschen. Es setzt sie auch nicht voraus.

      Was sich jemand vom Grundeinkommen verspricht, verspricht er sich selbst. Ob im Negativen oder im Positiven. Zwar kann ein bedingungsloses Grundeinkommen auch als eine Gesellschaftsutopie aufgefasst werden. Aber dann un­terscheidet sie sich von anderen Utopien darin, dass sie keine Ideologie ist, kein Bild vom Menschen kreiert, wie er sein sollte, sondern dass sie lediglich das Mehr zum Zuge kommen lässt, was jeder ist und je nach den gesellschaftlichen Not­wen­digkeiten werden kann. Das Grundeinkommen bestimmt nichts, wenn es bedingungslos ist. Darin liegt das Missverständnis vieler Kritiken, dass sie es als eine Bestimmung zu etwas sehen. Gerade das ist es nicht. Und gerade das ist das Neue bei diesem Einkommen.

      Das bedingungslose Grundeinkommen ist also nicht, wie es manchmal heißt, die Lösung aller Probleme oder gar eine Generallösung. Es ermöglicht nur mehr Lösungen aus individueller Anschauung und eigener Kraft dort, wo Prob­le­me auftreten. In den Berufen und außerhalb davon. Die Vorstellung eines bedingungslosen Grundeinkommens kann auch Probleme deutlicher zum Vorschein kommen lassen und Krisen auftun. Es lässt die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern mehr zur Sprache kommen. Es lässt die Frage offener stellen: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Und wie will ich leben?

      «Es wird fast immer übersehen», sagt der Ökonom Klaus Wellershoff, «dass der Industrialisierung die Aufklärung vor­angegangen ist.» Das bedingungslose Grundeinkom­men entfacht eine neue Aufklärung und bringt dabei die Demokratie noch einmal mehr ins Spiel. Eine Aufklärung, die der kommenden Digitalisierung, der Industrialisierung 4.0, vorangehen sollte.

      Das Grundeinkommen lässt Glaubenssätze wanken. Es zwingt dazu, manches neu anzuschauen und neu zu denken. Das ist unangenehm. Zumindest unbequem. Was wird Leistung sein in der künftigen Leistungsgesellschaft? Welche Faktoren haben die Wirtschaft in den westlichen Ländern erfolgreich gemacht? «Nicht Druck», sagt Klaus Wellershoff, «sondern Kreativität. Dieses Gefühl, die Sache immer noch etwas besser machen zu wollen.»

      Eigenverantwortung, eigene Initiative und selbständige Wahrnehmung für das, was besser gemacht werden kann und woran es fehlt. Alles Dinge, die in der Wirtschaft von heute gefragt sind. Dinge, die ein bedingungsloses Einkommen her­ausfordert, weil es sie einem nicht abnimmt? Kommt das bedingungslose Grundeinkommen der Mentalität und den Anforderungen des heutigen Arbeitslebens entgegen? Macht es nur auf der Einkommensseite bewusst, was in der Erwerbsar­beit schon längst gefragt ist?

      Viele meinen, nein. Sie befürchten, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen demotiviert, den Wert der Arbeit untergräbt, das Gefühl der Würde nimmt, für sich selbst zu sorgen. Weiter ist die Befürchtung, dass die Freiheit viele ohne Struktur in Träumerei versinken ließe. Da kann sie dann auch keiner mehr herausholen, wenn das Grundeinkommen bedingungslos ist. Kann es ein Recht auf Leben geben ohne Pflicht zur Arbeit?

      Das Grundeinkommen wäre aus den Bedingungen einer Erwerbsarbeit oder der Sozialleistungen gelöst. Es wäre also nicht mit Auflagen verbunden, wäre nicht eine Hilfe bei besonderer Bedürftigkeit, es wäre keine Bezahlung, die eine Ge­genleistung verlangt, keine Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten. Es gäbe jedem bedingungslos den Grundbetrag zum Lebensunterhalt ein Leben lang. Das ist das Neue an dem Gedanken. Es wäre unabhängig von Vermögen, Familienstand, vom Wohnort und davon, welcher Arbeit jemand nachgeht und ob jemand eine bezahlte Arbeit verrichtet.

      Das bedingungslose Grundeinkommen soll für alle sein und ist nicht vornehmlich zur Armutsbekämpfung. Es ist nicht nur für einen Teil der Gesellschaft. Es soll den Teil des Einkommens bedingungslos machen, der für ein Leben in Würde und die Teilnahme am öffentlichen Leben unabdingbar ist.

      Das stellt grundsätzlich vieles infrage. Kann eine Gesellschaft so funktionieren? Ist das eine Freikarte zur Faulheit auf Kosten der Allgemeinheit? Erzeugt das eine Illusion vom Schlaraffenland und ist es ein Magnet für Migranten? Führt das sogar zu einer Teilung der Gesellschaft in eine Kaste von «Grundeinkömmlern» auf der einen und Leistungsträgern auf der anderen Seite? Ist das eine entsicherte Handgranate, welche die gesellschaftliche Solidarität zerreißen würde? Bloß eine Idee von Leuten, die nicht arbeiten wollen? Oder ist das Grundeinkommen eine längst fällige Reform für die Marktwirtschaft?

      Es wäre ein gleiches Grundeinkommen für alle. Gleichheit ist aber nicht Markt und nicht Wirtschaft. Es wäre die Existenzgrundlage, die auch heute jeder hat, die wir uns ge­genseitig neu als bedingungslose Existenzgrundlage zusprechen würden und auch gegenseitig bezahlen müssten. Das Lebensnotwendige wäre für alle aus den Markteinkommen und Sozialeinkommen herausgenommen. Es wäre nur der Grundbetrag des Einkommens. Das, was jeder unabhängig von Leistung oder besonderem Bedarf ohnehin und unabdingbar zum Leben braucht. Diese Grundlage wäre sicher und fest. Darauf würde sich das Marktgeschehen mit hohen und niedrigen Einkommen auf Leistungen jeglicher Art entfalten. Es hieße nicht, Leistung lohnt sich nicht. Es hieße nicht, dass jemand seine Arbeit sein lässt. Aber es ließe die Aufmerksamkeit auch auf anderes zu, als was bezahlt wird. Es macht den Handlungs- und Entscheidungsrahmen für jeden individuell größer. Der Sockelbetrag zum Leben wäre davon entkoppelt, etwas zu tun, was eine Bezahlung findet.

      Das Grundeinkommen beflügelt viele Fantasien. Auch wenn es sich nur um den Sockelbetrag handelt, den ohnehin jeder auf irgendeine Weise erhalten muss. Erwerbseinkommen sind etwas anderes. Sie differenzieren, ermöglichen den Lebensstandard über das Notwendigste hinaus. Sie beziehen sich auf Leistung, Anreiz und Status. Sie sind das, was jemand auf dem Markt zu zahlen bereit und zu zahlen in der Lage ist für das, was jemand anbietet.

      Sozialleistungen sind auch etwas anderes als das Grundeinkommen. Sie beziehen sich auf einen besonderen Bedarf und Hilfebedürftigkeit in einer besonderen Situation. Bei einem solchen Bedarf über die Höhe eines Grundeinkommens hinaus müssten die Sozialleistungen natürlich erhalten bleiben. Das Grundeinkommen ist keine Sozialleistung.

      Eine weitere wichtige Frage ist die, ob die Leistungsgesellschaft einbrechen würde und mit einer bedingungslos gesicherten Lebensbasis viele nicht mehr zur Arbeit zu bewegen wären. Die Antwort auf diese Frage wird jedem Einzelnen zu überlassen sein.

      Wie wäre das bei Ihnen?

      In einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts DemoScope vom Dezember 2015, antworten 2 % der Befragten dass sie nicht mehr arbeiten würden. Weitere 8 % sind sich nicht sicher. 90 % geben an, weiterhin arbeiten zu wollen. Ein Drittel von ihnen gerne ein oder zwei Tage weniger die Woche. 22 % würden sich gerne selbständig machen und 13 % den Arbeitsplatz wechseln. Die Hälfte der Befragten hätte gerne mehr Zeit für die Familie und die eigene Weiterbildung.

      Aber etwas anderes fällt auf. Mit dem Wort Arbeit ist wie automatisch Erwerbsarbeit gemeint. Über 50 % aller geleisteten

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