Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen. Группа авторов

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Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen - Группа авторов Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik

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wird. Diese unterschiedlichen Interpretationen galt es zugänglich und besprechbar zu machen. Ausgangspunkt war die Suche nach „Schätzen“ in der eigenen Praxis. Lehrer*innen wurden gebeten, einen oder mehrere solcher Schätze mitzubringen, zu erklären, warum es sich um einen Schatz handelt und warum sie glauben, dass die Beschäftigung mit ihm das Wissen der Gruppe zum frühen Englischunterricht erweitern könnte. Die Besprechung der Schätze in Kleingruppen und im Plenum zu Beginn der Projektarbeit bot nicht nur die Möglichkeit, individuelle Vorstelllungen zum kommunikativen Englischunterricht zu thematisieren, sondern auch Perspektiven für die Weiterarbeit zu entwickeln. So kristallisierte sich schon früh die systematische Beschäftigung mit Lernaufgaben als Arbeitsschwerpunkt heraus, denn manche der Schätze konnten als Beispiele komplexer Lernaufgaben (Legutke / Thomas 1999, Hallet 2011) gelten, auch wenn die Lehrer*innen sie nicht so bezeichneten.

      Die alltägliche Praxis erfuhr ferner eine deutliche Aufwertung durch eine Intensivierung von Unterrichtsbeobachtungen. Sie erfolgten grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen und schlossen die Beobachtungen durch Peers ein. Beobachtungen waren zunächst eher sporadisch und weniger fokussiert. Je deutlicher sich allerdings konkrete Fragen ergaben, etwa wie Schreib- und Leseaufgaben anzuleiten, wie Präsentationsaufgaben zu orchestrieren oder wie Rückmeldungen zu geben waren, nahmen die Beobachtungen und anschließenden Gespräche an Häufigkeit und Intensität zu.

      Unterrichtsbeobachtungen und später im PROJEKT auch videografierte Sequenzen, die die Lehrer*innen aus dem eigenen Unterricht für die Gruppenarbeit zur Verfügung stellten, verstärkten die Wertschätzung. Denn sie machten deutlich erfahrbar, mit welchem Einsatz und welcher Energie die Lehrkräfte den Englischunterricht inszenieren, wie Kopf, Herz, Hand und Fuß in dem Prozess doing a lesson (Bloome et al. 1989) zusammenwirken.

      Zu Beginn des PROJEKTS war eine deutliche Zurückhaltung, ja Skepsis der Lehrer*innen wahrnehmbar, Mitglieder des Forschungsteams in den Unterricht einzuladen. Denn mit dem Besuch verband sich die Vorstellung, eine ganz besondere Stunde zeigen zu müssen. Dies mögen Folgen der Ausbildung sein, denn die Mehrzahl der Lehrer*innen berichtete über negative Erfahrungen mit Unterrichtsbeobachtungen im Zusammenhang der zweiten Ausbildungsphase, dem Referendariat. Der kontinuierliche Rekurs in den monatlichen Projektsitzungen auf den Alltag und die täglichen Routinen sowie die Art und Weise, wie das Team die Besuche realisierte, haben im Laufe der Zeit ohne Frage dazu beigetragen, die Beobachtungssituationen zu entspannen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass selbst Lehrer*innen, die sich regelmäßig vom Team beobachten und videografieren ließen, immer wieder auf den Aspekt „Schaustunde“ zurückkommen, wie die folgende Äußerung zeigt:

       Stimme 2

      Anna: I weiß noch nicht, was ich morgen machen werde. Ich muss da später darüber nachdenken. Ich dachte, dass ich dir zeigen könnte, was ich mir vorgestellt habe. Es ist nichts Besonderes. Aber ich dachte, dass das jetzt reichen muss. Ich habe dieses Mal keine Zeit etwas Besonderes vorzubereiten. Ich muss schon früher als normaler Weise da sein um diese Frau zu treffen, damit sie die Filmausrüstung aufbauen kann.

      Annas Anmerkung steht stellvertretend für andere, denn sie drückt die Sorge der Lehrer*innen aus, für die Beobachtung durch die professionellen Forscher*innen und vor allem bei geplanten Videoaufnahmen etwas Besonderes bieten zu müssen. Die Wertschätzung der alltäglichen Praxis und ihrer Routinen war deshalb eine permanente Aufgabe für das Forscher*innenteam und eine der Voraussetzungen für den Aufbau von Vertrauen.

      2.3.4 Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen

      Vertrauen ist eine entscheidende Bedingung empirischer fremdsprachendidaktischer Forschung, denn es berührt alle Phasen des Forschungsprozesses, den Zugang zum Feld, die Gewinnung und Analyse der Daten, die Präsentation der Ergebnisse und den Rückzug aus dem Feld. Vertrauen ist nicht automatisch gegeben, sondern muss erarbeitet werden und braucht Entwicklungszeit. Ferner ist es höchst anfällig für Störungen: “[It is] always a fragile and momentary accomplishment, subject often to rapid shifts within encounters and over time, and always vulnerable to exigencies“ (Candlin / Chrichton 2013: 5). Aus diesem Grund verlangt es nach kontinuierlicher Pflege und erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit der Beteiligten, mit Vertrauenskrisen umzugehen.

      Die Herausforderung, vertrauensvolle Beziehungen zu schaffen und zu erhalten, begleitete das PROJEKT bis zu seinem Ende. Lehrer*innen artikulierten anfangs Enttäuschungen und Frustration über Wissenschaftler*innen, die im schulischen Kontext Daten erheben und danach nicht mehr gesehen werden: Denn fast alle hatten im Laufe ihrer Karrieren an Studien teilgenommen, ohne über Ergebnisse informiert oder in einen Diskurs über die Untersuchungen einbezogen worden zu sein. Immer wieder würden an sie Anfragen gerichtet, an einer Studie teilzunehmen:

       Stimme 3

      Anna: Oft sind die Umfragen ziemlich lang. Ich verstehe, warum nicht viele Lehrer antworten. Und dann machst du es und dann gibt es oft keinerlei Rückmeldung oder es dauert Jahre und dann hast du schon längst wieder vergessen, um was es in der Umfrage ging.

      Anna vermisst die direkte Rückmeldung, auf die Forschung mit Praktiker*innen gerade in Hinblick auf den Erhalt vertrauensvoller Beziehungen nicht verzichten darf. Direkte Rückmeldung, hot feeedback (Sarangi / Candlin 2003: 277), etwa nach Phasen der Datenerhebung, ist jedoch nicht immer leicht zu realisieren. Trotz großer Anstrengungen gelang es dem Forschungsteam nur teilweise, (Zwischen)Ergebnisse zeitnah in die Gesamtgruppe zurückzugeben.

      Besonders vertrauensbildend wirkte die Vereinbarung, dass Mitglieder des Forschungsteams Klassenzimmer grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen betreten würden. Videoaufnahmen würden nur auf Wunsch und mit Zustimmung der Lehrkraft erfolgen, wenn gemäß den rechtlichen Bedingungen auch Schulleitungen, Schulkonferenzen und Eltern zustimmten. Die Vereinbarung betonte außerdem die Freiwilligkeit der Teilnahme an den einzelnen Forschungsaktivitäten.

      Als deutliches Zeichen des langsam gewachsenen Vertrauens darf der Umstand gelten, dass nach etwa zweieinhalb Jahren Projektarbeit Videodokumente, die im Unterricht einzelner PROJEKT-Schulen entstanden, Gegenstand des professionellen Austausches in der Gesamtgruppe wurden. Nachdem das Eis einmal gebrochen war, wurden die monatlichen Treffen zunehmend vom Austausch über den dokumentierten Unterricht bestimmt. Lehrer*innen wählten aus den Videodokumenten des eigenen Unterrichts, die ihnen das Forschungsteam zur Verfügung stellte, kurze Sequenzen aus und brachten den Dialog in Gang, indem sie die Auswahl begründeten und Fragen an die Gesamtgruppe formulierten.

      Vertrauensbildend war zudem, dass Mitglieder des Forscherteams geplante Vorträge und Seminare zum PROJEKT für nationale wie internationalen Kongresse mit den Lehrer*innen besprachen, sich Korrekturen und Anregungen erbaten und vor allem die Erlaubnis einholten, Videodaten zeigen zu dürfen.1 Da Lehrer*innen nur in wenigen Ausnahmen selbst an solchen Kongressen teilnehmen konnten, wurde ihnen durch die Vorbesprechungen und die Zurverfügungstellung von Präsentationen eine vermittelte Teilnahme ermöglicht. Für letzteres eigneten sich besonders die jährlichen Blockseminare. Dass das lokale PROJEKT auf der internationalen Bühne erörtert wurde, erfüllte die Gruppe sichtbar mit Stolz.

      Ferner müssen in diesem Zusammenhang Publikationen zu Lernaufgaben und zum Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe erwähnt werden, die während des Projektverlaufs entstanden.2 Auch wenn von Lehrer*innen nicht erwartet wurde, dass sie solche verfassten, waren sie an ihrer Entstehung und Fertigstellung maßgeblich beteiligt, denn sie lieferten nicht nur Materialien, die im Unterricht entstanden und erprobt wurden, sondern auch Rückmeldungen und Korrekturen, bevor Texte in Druck gingen.

      Aufbau und Pflege vertrauensvoller Beziehungen wurden schließlich von einer erfahrenen und unter den Kolleg*innen sehr geschätzten Lehrkraft entscheidend befördert, die eine Doppelrolle wahrnahm.

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