Sie über sich. Paul Metzger

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und ökumenischer Hinsicht ist die Frage nach der Schrift wesentlich. Genauer die Frage nach ihrer Stellung im Zusammenspiel theologischen Erkennens und Argumentierens: Welche Autorität hat die Schrift? Und wie ist diese Autorität in die Diskussion einzubringen?

      Die vorliegende Arbeit kann diese Fragen sowohl in ökumenischer als auch in fundamentaltheologischer Hinsicht nicht ausführlich behandeln oder gar beantworten. Lediglich ein Mangel der bisherigen Diskussion über die Autorität der Schrift soll aus exegetischer Perspektive behoben werden. Es scheint nämlich bei der Durchsicht der verschiedenen Diskussionsbeiträge zum Thema so, als ob zumeist aus dogmatischer Perspektive über die Schrift und ihre Autorität gehandelt wird, aber nicht aus der Sicht der Schrift selbst.1 Auf einen Nenner gebracht: Es wird über die Schrift geredet, aber nicht ausgehend von ihrem eigenen Anspruch. Die Diskussion wird nicht von ihren eigenen Aussagen über sich selbst her geführt.

      Dies soll im vorliegenden Zusammenhang behoben werden. Damit folgt die Untersuchung dem klassischen, vor allem im Protestantismus anzutreffenden Reflex, die Bibel in allen möglichen Zusammenhängen zu befragen. Nur über sich selbst wurde die Bibel bislang nicht eingehend und methodisch verantwortet befragt.2 Dies ist die Grundidee der Untersuchung, wenn sie die Frage stellt: Welche Autorität beansprucht die Schrift selbst für sich?3

      Um nicht Gefahr zu laufen, eine anachronistische Fragestellung an die Texte heranzutragen, kann im weiteren Verlauf der Untersuchung allerdings nicht mehr von „der Schrift“ die Rede sein, da dies die theologische Entscheidung bereits voraussetzt, dass „die“ Kirche „diese“ Texte der „Bibel“ als ihre „Schrift“ ansieht. Dies war aber zur Zeit der Abfassung der Texte nicht oder kaum im Bewusstsein ihrer Autoren.4 Der Zusammenhang von Kirche und Schrift ist dementsprechend in der dogmatischen Diskussion zu beachten.

      Da im Fortgang der Untersuchung die Kirche als Leserin der Texte nicht weiter beachtet werden kann, sei es aus der methodischen Überzeugung der historisch-kritischen Methode heraus, sei es, weil von „der Kirche“ zum Zeitpunkt der Textentstehung in historischer Hinsicht noch nicht geredet werden sollte, müssen die biblischen Texte aus sich selbst heraus verstanden werden.5 Exegetisch korrekt ist daher zu formulieren: Welchen Autoritätsanspruch erheben die biblischen Texte für sich selbst?6

      3.1. Erste Konzentration: Neues Testament

      Da die biblischen Texte zu umfangreich sind, um im Rahmen einer Untersuchung vollständig in den Blick genommen werden zu können, sollen drei Konzentrationen helfen, einen sinnvollen ersten Zugang zum Thema zu finden.

      Erstens soll sich die Frage nur auf Texte des Neuen Testaments konzentrieren. Dies legt sich nahe, da sich die christliche Theologie in besonderer Weise dieser Textsammlung verdankt. Diese erste Einschränkung bedarf einer kurzen Begründung, da damit die Frage nach dem Stellenwert des Alten Testaments für die christliche Theoriebildung und dessen Verhältnis zum Neuen anklingt.

      Nachdrücklich wurde diese Frage in jüngster Zeit von Notger Slenczka aufgeworfen, der fragt „ob das Alte Testament eine normative Bedeutung für die christlichen Kirchen hat oder haben kann“.1 Er nimmt im Gespräch mit der alttestamentlichen Wissenschaft2 die unzweifelhaft historisch richtige These auf, wonach der alttestamentliche Kanon „den Ausdruck des Glaubens des nachexilischen Judentums“3 fixiert und bestimmt somit das Alte Testament als „den Ort […] einer religionsgeschichtlichen Voraussetzung des christlichen Glaubens“.4 Slenczka plädiert aus Gründen der historischen und intellektuellen – aber letztlich auch theologischen – Redlichkeit für eine „Rückübereignung des AT an das Judentum“5 und steht dem „Recht zur Aneignung des Alten Testaments als christliche[m] Buch“6 äußerst skeptisch gegenüber. Ist das Alte Testament also nur „die Identität stiftende Urkunde einer anderen Religionsgemeinschaft“?7 Eine normative Funktion könne das Alte Testament daher im Rahmen der christlichen Theoriebildung bestenfalls dann erheben, wenn seine Aussagen „einen genuinen Ausdruck des christlich frommen Selbstbewusstseins“8 darstellten.

      Zwei Perspektiven sind in dieser Fragestellung grundlegend zu unterscheiden. Erstens muss in historischer Sicht anerkannt werden, dass das Alte Testament an sich kein Zeugnis für Jesus von Nazareth als Christus ablegen kann, weil seine Texte vor Christi Geburt geschrieben wurden. Historisch ist deshalb richtig, dass das Alte Testament Ausdruck des Glaubensbewusstseins des Antiken Judentums darstellt.9 Dass die werdende und frühe Christenheit weitere Schriften dem Alten Testament in einem eigenen Kanonteil an die Seite stellt, zeigt historisch aber auch, dass die Notwendigkeit weiterer Texte gegeben war, um das Besondere des Glaubens an Jesus Christus auszusagen. Das Alte Testament genügt also nicht, um das genuin Neue, das sich in Christus ereignet, auszusagen.10 In historischer Hinsicht gibt es keinen Zweifel daran, dass die jüdischen Texte „als Deutehorizont und Sprachwelt zum Ausdruck der eigenen neuen Erfahrungen“11 herangezogen wurden. Dadurch entledigten sich die frühen Christen der Notwendigkeit, tradierte Glaubensüberzeugungen (Monotheismus, Schöpfung) eigens aufzuzeichnen. Die jüdische Vorstellungswelt, die in diesen Texten präsent ist, wird also von Anfang an als unverzichtbar für den christlichen Glauben akzeptiert und damit das Alte Testament – wenn auch im Vergleich zum Judentum in unterschiedlichen Sprachen und Textkorpora12 – zum unverzichtbaren Teil der entstehenden christlichen Bibel erklärt.

      Die zweite Perspektive, die mit dieser historisch gewachsenen Entscheidung verknüpft ist, fragt nach dem Verhältnis der beiden Textkorpora im Hinblick auf Normativität und Autorität von biblischen Texten im Verhältnis zueinander.

      Eine Leitlinie, die wohl als Grundkonsens evangelischer13 und römisch-katholischer14 Theologie bezeichnet werden darf, besagt, dass das Alte Testament im Lichte des Christusgeschehens gelesen werden muss und nur in diesem Licht auch Christuszeugnis darstellt.15 Das Neue Testament hingegen thematisiert das eigentliche Christusgeschehen, das wiederum Ausgangspunkt und Grundlage des spezifisch christlichen Glaubens darstellt. Das Alte Testament bildet damit den Horizont, in dem versucht wird, das Ereignis zu verstehen. Damit trägt es gleichzeitig maßgeblich zu dessen Verständnis bei und bildet es somit auch aus.16 Insofern ist es sachgemäß, das Christusereignis, dessen Zeugnis in erster Linie das Neue Testament darstellt, als hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis des Alten Testaments als christlichem Zeugnis zu verstehen.17

      Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist für die vorliegende Untersuchung deutlich, dass der Ansatz der Autoritätsfrage zunächst im Neuen Testament zu suchen ist. Von daher erst kann dann in einem möglichen zweiten Schritt über die Autorität des Alten Testaments für die christliche Theoriebildung nachgedacht werden.

      3.2. Zweite Konzentration: Monolineare Kommunikation

      Eine zweite Konzentration wird innerhalb des neutestamentlichen Kanons vorgenommen.

      Es bietet sich nicht an, die Frage der Schriftautorität in erster Linie im Hinblick auf die Briefliteratur des Neuen Testaments zu stellen. Diese Einsicht verdankt sich zunächst einer formalen Abgrenzung hinsichtlich der Gattung. Briefe stellen eine andere Kommunikationsform als die Evangelien und die Offenbarung des Johannes dar und setzen eine andere Kommunikationssituation voraus.1 Während Briefe eine „dialogstiftende und kommunikationsstabilisierende Funktion“2 aufweisen und den abwesenden Dialogpartner ersetzen,3 also ein Ersatz für die mündliche Rede darstellen,4 sind Evangelien und Offenbarung eher als eine „lineare Kommunikationsform“5 aufzufassen. Das heißt nicht, dass Evangelien und Offenbarung keine kommunikative Funktion haben, sondern lediglich, dass ihre Kommunikationssituation eine andere ist. Sie richten sich nicht nur an die Adressaten, die bei der Abfassung des Briefs vor Augen stehen, sondern haben einen grundlegend weiteren Horizont.6

      Evangelien und Offenbarung sind bereits von Anfang darauf angelegt, als eigenständiges Werk, als Buch gelesen und gehört zu werden.7 Um das zu erreichen, brauchen sie eine andere Autorität als ein Brief. Denn Briefe funktionieren anders. Sie sind Teil einer beabsichtigten Kommunikationssituation,

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