Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung. Группа авторов

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Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung - Группа авторов Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik

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folgte dabei jedoch nicht der ursprünglichen Zielsetzung des Persönlichkeitsansatzes. Es konnte nicht darum gehen, die ideale Lehrpersönlichkeit zu identifizieren. Das ergab sich schon als notwendige Konsequenz aus der fehlgeschlagenen Suche nach der idealen Methode, in die man über Jahrzehnte hinweg vergeblich investiert hatte. Vielmehr richteten sich die Forschungsbemühungen darauf, ein besseres Verständnis für das Zusammenspiel von Individualität und professionellen Kompetenzen in jeweils singulären Kontexten zu entwickeln.

      Diese Perspektivenerweiterung der Fremdsprachenforschung führte auch in der Aus- und Fortbildung zu einem grundsätzlichen Umdenken. Erkennt man den hohen Stellenwert des subjektiven Faktors an, kann man sich nicht mehr darauf beschränken, didaktisches Theorie- oder Methodenwissen zu vermitteln, allein in der Hoffnung, dass Lehrende es in erfolgreiche Praxis übersetzen werden. Wie wenig begründet diese Haltung ist, zeigen die ernüchternden Ergebnisse von Studien, die sich den Erfahrungen von Lehramtsstudierenden in Praktika widmen (z.B. Elsner 2010; Gabel 1997; Schädlich 2015) oder den Berufseinstieg untersuchen (Appel 1995, siehe auch Wahl 2013: 7f.). Die Herausforderung besteht deshalb darin, dem subjektiven Faktor in allen Phasen des Aus- und Fortbildungsprozesses gerecht zu werden und die Professionalisierung als eine Form der Rollenausgestaltung und Identitätsbildung zu verstehen.

      Welche Kompetenzen dabei von Bedeutung sind, lässt sich anhand der Unterscheidung von Rolle und Identität beschreiben (Kanno/Stuart 2011). Rollen werden von außen an die Individuen herangetragen. In dieser Hinsicht sollte in der Aus- und Fortbildung ein besseres Verständnis dafür entwickelt werden, was sich die Gesellschaft von Lehrerinnen und Lehrern verspricht, welches Lehrerbild staatliche und institutionelle Curricula zeichnen oder welche Erwartungshaltungen die Lernenden und ihre Eltern hegen. Auch die Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, wie wir sie zu Beginn dieses Beitrags schilderten, gehört zweifellos zu einem kompetenten Umgang mit der eigenen Rolle.

      Die Identitätsbildung hingegen muss vom Individuum selbst geleistet werden. Aus- und Fortbildung können diesen Prozess anstoßen und unterstützen, indem kontinuierlich Möglichkeiten und Anreize geschaffen werden, die Selbstkompetenzen als Lehrkraft weiterzuentwickeln. Dazu zählt beispielsweise, sich der eigenen Werte und Überzeugungen bewusst zu werden, die berufliche Motivation zu klären oder charakterliche Eigenheiten zu erkennen. Kubaniyova (2012: 101) zeigt in ihrer Studie, wie wichtig es für die Weiterentwicklung von Lehrpersonen, für ihre Offenheit gegenüber neuen Ideen und pädagogischen Innovationen ist, eine persönliche berufliche Vision zu haben. Lehrende müssen für sich entscheiden, inwieweit ihre persönliche Identität in ihrer professionellen Identität aufgehen soll und wann es sinnvoll ist, Grenzen zwischen beiden zu ziehen. Die Beschäftigung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Selbstregulation oder Selbstwirksamkeit im Lehrberuf (Schwarzer/Warner 2014) kann dazu wichtige Impulse liefern.

      Wie stark subjektive Theorien und das berufliche Selbstverständnis das didaktische Denken und Handeln beeinflussen können, wurde seit den 1990er Jahren in zahlreichen empirischen Forschungsarbeiten dokumentiert (z.B. Grotjahn 1998; Caspari 2003; Kubaniyova 2012; Schart 2003; Viebrock 2007). Es liegt daher auf der Hand, dass die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Kompetenzen zum Lehren und Lernen nur im engen Zusammenhang mit individuellen Erfahrungen und Überzeugungen herausgebildet werden können. Für die fremdsprachlichen Fächer kommt als Alleinstellungsmerkmal hinzu, dass auch die eigenen Fähigkeiten in der Fremdsprache als zentraler Bestandteil der professionellen Identität betrachtet werden müssen (Barkhuizen 2016, Pennington 2016). Die Tätigkeit von Fremdsprachenlehrenden vollzieht sich immer zwischen verschiedenen Kulturen, ob sie in ihrem beruflichen Alltag nun selbst in einer Fremdsprache handeln oder ihre Muttersprache in einem mehr oder weniger fremden kulturellen Umfeld unterrichten. Wie intensiv dabei die gesamte Persönlichkeit involviert sein kann, verdeutlichen sehr lebendig die biografischen Erzählungen in Nunan/Choi (2010).

      An konkreten Fällen geben Benitt und Gerlach/Steiniger im vorliegenden Band Einblicke in das Zusammenspiel von fremdsprachlichen Fähigkeiten und Identitätsbildung. Gerlach/Steiniger widmen sich in ihrem Beitrag in besonderer Weise der Herausbildung von Rolle und Identität im Lehrberuf. Ihr Untersuchungsfeld ist der Vorbereitungsdienst und gemeinsam zeichnen sie anhand von Vignetten nach, wie sich sowohl aufseiten der angehenden Lehrkräfte als auch aufseiten der Ausbildungskräfte bzw. Mentoren/Mentorinnen das Rollenverständnis in dieser Phase der Ausbildung entwickelt und welche Elemente die gegenseitige Wahrnehmung prägen. Sie verdeutlichen in ihrem Beitrag, weshalb die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und die Gestaltung der beruflichen Identität zu den Kompetenzen angehender und bereits praktizierender Lehrkräfte gezählt werden muss. In der Aus- und Fortbildung sollten sie Unterstützung dabei finden, eine berufliche Vision zu entwickeln, die ihrer Persönlichkeit entspricht. Weshalb dieser sehr individuelle Prozess zugleich aber auch als ein kollektiver gedacht werden muss, werden wir im folgenden Abschnitt diskutieren.

      2.6 Kooperation und Entwicklung

      In den vorangegangenen Abschnitten wurde aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, weshalb der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten eingebettet ist in einen sozialen, historischen und politischen Kontext, vermittelt durch die Interaktion mit anderen, durch gemeinsames Handeln und die Auseinandersetzung mit kulturellen Artefakten. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich natürlich nicht nur Konsequenzen für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts. Wie alle akademischen Fächer, die sich neben der Erforschung pädagogischer Prozesse auch mit der Ausbildung von Expertinnen und Experten für pädagogisches Handeln befassen, muss sich die Fremdsprachendidaktik fragen, ob ihre eigene Praxis dem Forschungsstand nicht zuwiderläuft. Wird also auch in der Aus- und Fortbildung etwa das Potenzial von Kooperation genutzt? Wird damit ein Gegenmodell geschaffen zur Lehrperson als Einzelkämpfer und zur Tendenz der Privatisierung von Klassenräumen? Wird also für Novizen der Lehrberuf als eine professionelle Gemeinschaft (Lave/Wenger 1991) erfahrbar, in die sie bereits während der Ausbildung durch aktive Teilnahme hineinwachsen?

      Der soziokulturelle Ansatz hat in besonderer Weise dazu beigetragen, dass kooperativen Prozessen in der Aus- und Fortbildung ein zunehmend größerer Stellenwert beigemessen wird (Crandall/Christison 2016; Johnson 2009; Johnson/Golombek 2011), was sich nunmehr auch in verstärkter empirischer Forschungstätigkeit zu diesem Themenbereich niederschlägt. Die Studie von Wipperfürth (2016) ist dafür ein wegweisendes Beispiel. In ihr wird darstellt, wie sich Lehrende in einem „Lernenden Lehrernetzwerk“ selbstgesteuert über Videomitschnitte aus dem eigenen Unterricht austauschen und sich dabei ihre Selbstwahrnehmung ebenso positiv verändert wie ihr unterrichtliches Handeln.

      Auch mehrere der in diesem Band versammelten Beiträge verdeutlichen diese Forschungstendenz anhand konkreter Lehr- und Lernszenarien. So schildern Abendroth-Timmer/Schneider, wie sich zukünftige Fremdsprachenlehrende im Rahmen des CONFORME-Projekts in multikulturellen und mehrsprachigen Kleingruppen mit wissenschaftlichen Konzepten auseinandersetzen und durch die Interaktion professionelles Wissen ko-konstruieren. An ihrer Darstellung lässt sich besonders gut nachvollziehen, weshalb Studierende bei ihren individuellen Reflexionsprozessen vom Austausch mit anderen profitieren. Gemeinsam werden Unterschiede in der Wahrnehmung und Interpretation aufgedeckt, neue Sichtweisen entwickelt und letztlich die wissenschaftlichen Konzepte tiefer durchdrungen.

      Im Bereich der Fortbildung ist die Studie von Heinrich verortet. In dem Beitrag wird das Spannungsverhältnis deutlich, in dem die Inhalte der Lehrerbildung und deren methodischer Gestaltung stehen. Heinrich dokumentiert die empirische Begleitforschung zu einem Fortbildungsangebot für Englischlehrkräfte im Sekundarbereich I und II. Sie sollten gezielt dabei unterstützt werden, kooperatives Sprachlernen häufiger und theoriebasierter anzuwenden. Inhaltlich wird zum einen handlungsorientiertes Wissen sowie konkretes Instruktions- und Sprachverhalten vermittelt. Zum anderen werden bestimmte Kognitionen, die die Umsetzung der Lehr-Lernform fördern oder behindern können, positiv beeinflusst. Die Autorin geht in ihrem Beitrag unter anderem auch darauf ein, wie das kooperative Lernen als Gegenstand der Fortbildung zugleich in den Fortbildungsveranstaltungen selbst erfahrbar gemacht werden kann. Erste Ergebnisse der Längsschnittstudie deuten auf positive

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