Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen. Группа авторов

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Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen - Группа авторов Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung

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Lage, daraus begründete Vorschläge für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts abzuleiten (Königs 2013, 11).

      Dieses aktuelle Zitat erinnert an die bekannte Formulierung aus der Frühzeit der Sprachlehrforschung, dass es darum gehe, herauszubekommen, „was in den Köpfen von Lernern vorgeht“ (wieder zitiert bei Hallet / Königs 2010, 11). Die Frage muss jedoch in dem Augenblick als grundsätzlich falsch gestellt erscheinen, wo man das unterrichtlich gesteuerte Lernen nicht als eigengesetzlichen Lernprozess begreift, sondern als abhängig von den Bedingungen, die der Unterricht bereitstellt. Die empirischen Ergebnisse der Unterrichtsbeobachtungen können demnach gar nicht zeigen, wie ‚Lernen‘ funktioniert, sondern nur, wie Lernende unter den konkreten Bedingungen des jeweils untersuchten Unterrichtsfeldes agiert haben.60 Es ist die Wechselwirkung zwischen Lehren und Lernen, die für fremdsprachliche Unterrichtsforschung zentral ist. Sobald diese Tatsache wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt, kommen weitere konstitutive Faktoren in den Blick, die in den letzten 50 Jahren von der Forschung vernachlässigt wurden.

      6.2.1 Infrage Stellung tradierter Curriculum-Entscheidungen

      Fremdsprachlicher Unterricht ist – im Gegensatz zu ungesteuertem Spracherwerb – durch eine Reihe von Entscheidungen geprägt, die alle gleichermaßen in einer systematischen Analyse berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören neben dem methodischen Aspekt (dem Wie der Vermittlung) zuvörderst die sog. curricularen Entscheidungen, die die Zielvorstellung (das Wozu) und den Gegenstand oder Inhalt (das Was) betreffen. Auch wenn die curricularen Entscheidungen durch übergeordnete bildungspolitische Gremien getroffen werden, folgt daraus nicht, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen unterbleiben kann oder darf. Selbst das unterrichtliche Lehr-/Lernziel, das im Zuge einer gesellschaftlichen Setzung61 erfolgt, bedarf in seiner Formulierung und Interpretation der wissenschaftlichen Durchleuchtung.62 Das konsensfähige Ziel des heutigen Fremdsprachenunterrichts kann allgemein etwa als „Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit oder Befähigung zur Verständigung im Kontext der fremden Sprache und Kultur“ bezeichnet werden und hat als solches eine prioritäre Funktion. Das Was und Wie des Unterrichts bestimmt sich nach dem, was letztlich erreicht werden soll.

      Gegenstand oder Inhalt scheinen ebenfalls schon vor allem Unterricht festgelegt zu sein, und zwar von Generation zu Generation tradiert in Lehrplänen und Lehrbüchern. Eine ernsthafte wissenschaftliche Hinterfragung dieser schwerwiegenden curricularen Entscheidungen durch die fremdsprachendidaktische Disziplin ist bis heute unterblieben. Dabei hätte die Entdeckung der sog. „pragmatischen Dimension“ (cf. Hüllen 1973) und die sog. „kommunikative Wende“ (cf. Piepho 1974) der Diskussion über Inhalte neue Impulse geben können, indem sie die Aufmerksamkeit „von dem scheinbar alles auf sich versammelnden Fokus der Syntax auf […] den Sprachgebrauch“ (Hüllen 1973, 96) gelenkt hätte, doch das theoretische wie praktische Festhalten an dem Postulat einer systematischen Progression verhinderte eine voraussetzungslose Neuorientierung.63 Erinnert sei hier jedoch an das Positionspapier Barrera-Vidals von 1981, der dort die Klärung des Verhältnisses „zwischen dem neuen Prinzip einer kommunikativen Progression und den traditionellen Grundsätzen einer lexikalischen und grammatischen Progression“ als „dringendes Desiderat“ der Forschung angesprochen hatte (cf. Kapitel 4). Die Forschung schwieg, weil curriculare Entscheidungen höchstens in Form von „Lehrwerkkritik“64 unter die Lupe genommen wurden, nicht aber als grundsätzlich zu eruierende alternative Möglichkeiten der Auswahl und Stufung des Sprachmaterials. Eine systematische Unterrichtsanalyse65 muss jedoch genau dort ansetzen, indem sie zuvörderst die Frage nach den sprachlichen Lerneinheiten stellt, die einem Lehrgang zugrunde gelegt, d.h. ausgewählt und in einer bestimmten Reihenfolge oder Stufung präsentiert werden (cf. Segermann 2014a).

      Da der Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts – im Unterschied zu anderen Fächern – nicht ein bestimmter Stoff66 ist, sondern die Sprache selbst, also die sprachlichen Mittel, die für eine erfolgreiche Kommunikation gebraucht werden, wäre es an der Zeit, die von jeher geltende und nie in Frage gestellte Auffassung vom Spracherwerb als dem Lernen von Wörtern/Vokabeln und grammatischen Regeln im Lichte aktueller Forschungsergebnisse zur Sprachverwendung einer wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen. Es spricht vieles dafür, dass lexikalisch-grammatische Konstruktionen, die die unnatürliche Trennung von Lexik und Grammatik überwinden, sich sehr viel besser als Lerneinheiten eignen, weil sie näher am Sprachgebrauch sind.67 Diese größeren lexiko-grammatischen Einheiten könnten als Pendant zu semantisch-syntaktischen Funktionseinheiten (wer tut was mit wem unter welchen Umständen) konzipiert werden68, die in spezifischer Abfolge vorkommen und damit die grundlegenden (Satz)-Strukturen einer Sprache repräsentieren. Die Auswahl der neuen sprachlichen Einheiten müsste aus einem noch zu erstellendem Inventar solcher lexiko-grammatischen Konstruktionen und Satzstrukturen erfolgen. Dieses Inventar könnte nach Themen geordnet sein und damit den Anspruch einer formal-grammatischen Progression69 aufgeben zugunsten strikter Inhaltsorientierung. Eine progressive ‚Systematik‘ der Vermittlung würde von der wachsenden Komplexität der Funktionseinheiten und Satzstrukturen übernommen werden. Damit könnte das motivationsfördernde Prinzip der Inhaltsorientierung mit dem für den gesteuerten Fremdsprachenunterricht unverzichtbaren Prinzip der sprachlichen Systematik in Einklang gebracht werden (cf. Segermann 2014a).

      6.2.2 Konsequenzen für die methodische Gestaltung

      Die Entscheidung für eine inhaltsbasierte Stufung des Lehrgangs würde einschneidende Konsequenzen für die methodische Gestaltung des Unterrichts nach sich ziehen. Ohne die Vorgabe einer die inhaltsbezogene Kommunikation massiv einengenden grammatischen Progression könnten die Lerneinheiten an die Äußerungswünsche der Lernenden gebunden werden. Damit würden die in den letzten Jahrzehnten bildungspolitisch geforderten und auch von der Fremdsprachendidaktik ausführlich diskutierten Unterrichtsprinzipien Schülerorientierung, Inhaltsorientierung, Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit, Selbstbestimmung, Eigeninitiative, Kreativität, Individualisierung und soziales Lernen sehr viel leichter im Fremdsprachenunterricht verwirklicht werden können.70 Auch die Forderungen nach Interkulturalität im Sinne vergleichender Bewusstmachung sprachlich-kultureller Konzeptbildungen und Strukturen ließen sich durch den Fokus auf Inhalt-Form-Verknüpfungen statt auf formale Gesetzmäßigkeiten besser integrieren.

      Ein von der ‚Zwangsjacke‘ einer grammatischen Progression befreites ‚Vermittlungskonzept‘ würde in den der Entscheidung des einzelnen Lehrers überlassenen methodischen Verfahren sowohl bei der Darbietung als auch beim Prozess des Verfügbar-Machens71 des jeweils einzuführenden Sprachmaterials sehr viel mehr Spielraum lassen für Differenzierung und Individualisierung.72 Die Phasen der Darbietung – also der Erarbeitung von neuem Sprachmaterial – und des Verfügbar-Machens – also des Übens – könnten beide gleichermaßen in den Dienst der Entwicklung der Kommunikationsfähigkeiten gestellt werden. Der Unterricht würde die Lernenden so durchgängig in einer echten kommunikativen Haltung belassen. Sie würden erfahren, dass sie ihre eigenen individuellen Äußerungsbedürfnisse immer besser versprachlichen und dass sie Texte mit für sie interessantem Inhalt immer besser verstehen können. Das bedeutet, dass sich ihre Lernanstrengungen unmittelbar als kommunikativer Fortschritt auszahlen.

      Ein solcher, für die konkrete unterrichtliche Realisierung prinzipiell offener Theorieentwurf des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs erfordert die Kooperation der Schulbuchverlage. Die traditionelle Konzeption von Lektionstexten als Lieferanten für Vokabeln und grammatische Kapitel müsste aufgegeben werden zugunsten einer Unterscheidung von Texten als Vorlage für die Produktion einerseits und (ungleich anspruchsvolleren) Hör- bzw. Lesetexten für die Rezeption andererseits. Um dem Postulat der sprachlichen Systematisierung nachzukommen, müsste ein Instrumentarium, am besten in elektronischer Form73, entwickelt werden, das die semantisch-syntaktischen Funktionseinheiten in ihrer Musterhaftigkeit abbildet. Dieses an den Regeln der Sprachverwendung orientierte Ordnungssystem würde die spezifische Struktur oder ‚Bauweise‘ der fremden Sprache für die Lernenden sichtbar und durch die Prozesse von Analogiebildung, Generalisierung

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